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- Ist der Dativ tatsächlich dem Genitiv sein Tod? Ein sprachwissenschaftlicher Vergleich der Kolumnen Bastian Sicks mit Grammatiken und Wörterbüchern der deutschen Gegenwartssprache
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 04.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 108
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Bastian Sick ist einer der gegenwärtig bekanntesten Sprachkritiker Deutschlands. Seine verschiedenen Folgen der Kolumnensammlung ‘Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod’ standen nicht nur auf den Bestsellerlisten, sondern werden auch als Schullektüre eingesetzt. Medienwirksame Auftritte fördern seinen Bekanntheitsgrad ebenso wie die Vermarktung zahlreicher Produkte wie Hörbücher oder Spiele, die an den Erfolg der Bücher anknüpfen. Trotz seiner zweifelsohne großen Wirkung auf die Öffentlichkeit fand eine Diskussion über Bastian Sick und seine Texte innerhalb der Sprachwissenschaft bisher nur vereinzelt statt. Mit der zentralen Frage, wie die sprachkritischen Kolumnen des Autors aus linguistischer Sicht zu beurteilen sind, setzt sich deshalb das vorliegende Buch auseinander. Exemplarisch wird dabei die Darstellung von Normvarianz am Beispiel der Kasusrektion von Präpositionen in Sicks ‘Zwiebelfisch-Kolumnen’ mit der in Grammatiken und Wörterbüchern der deutschen Gegenwartssprache verglichen.
Textprobe: Kapitel 2.1.2, Normkodifikation: Von der Norm als einer sprachimmanenten ist die Normkodifikation als eine außersprachliche Erscheinung zu unterscheiden. Kodifikation meint die Ermittlung und Festlegung der standardsprachlichen Norm, ‘die in einer bestimmten Zeit von einer gegebenen Sprachgemeinschaft wie eine Vorschrift für die erforderliche normale Verwendung der Schriftsprache als verbindlich empfunden und akzeptiert wird’. Während die orthographische Norm der deutschen Standardsprache amtlich geregelt ist, ‘ist die Aussprachenorm [...] in verschiedenen Aussprachewörterbüchern kodifiziert, die grammatische Norm in Grammatiken, die lexikalische Norm in Wörterbüchern, die Stilnorm in Stilratgebern’. Gemäß dem der Sprachwissenschaft zugrunde liegenden deskriptiven Normbegriff fordern Linguisten von der Kodifikation eine objektive und detaillierte Abbildung der im gegenwärtigen Sprachgebrauch tatsächlich existenten Normen: Die Kodifikation sollte ‘weniger gebieten und verbieten als vielmehr erläutern […]. Statt einzig zu erklären: dieses ist richtig und jenes ist falsch, sollte sie feststellen: dies oder jenes ist in der heutigen Schriftsprache gesetzmäßig, normgerecht, ist üblich, hat sich durchgesetzt, sollte erläutern: diese Form herrscht noch vor, sie wird aber allmählich durch eine andere, spontan vordringende, systemhafte Form zurückgedrängt diese Form ist produktiv, jene unproduktiv, diese Fügung ist im Vormarsch, jene im Rückzug begriffen.’ 2.1.3, Normvarianz und Normproblem: Mit Normwandel eng verbunden sind die Begriffe Normvarianz und Normproblem. Mit Normvarianz wird die Existenz von Varianten beziehungsweise Varianzmitteln zu einem bestimmten Zeitpunkt bezeichnet. Varianten im engeren Sinne sind vollkommen gleichwertige Sprachformen, die kein Differenzierungsmerkmal aufweisen. Im weiteren Sinne werden zu den Varianzmitteln auch zeitgleich existierende Formen gezählt, die sich ‘durch eine weitere Mitteilungsinformation, vor allem eine Bedeutungsnuance oder ein stilistisches Merkmal’ unterscheiden. Der vorliegenden Untersuchung liegt die erweiterte Definition des Begriffs zugrunde. Meist bedingt durch Normwandel ist die Varianz einer ständigen Entwicklung unterworfen. Während einerseits bestimmte Varianzmittel im Sprachgebrauch zurückgehen oder ganz verschwinden, entstehen andererseits immer wieder neue Sprachformen, die im Laufe der Zeit oftmals den Charakter völlig gleichwertiger Varianten annehmen. ‘Häufig kommen die jüngeren Formen aus der weniger streng normierten Umgangssprache und gelten in der Schriftsprache erst einmal als nicht korrekt. Andererseits sind diese jüngeren Formen auch oft sprachgeschichtlichen Entwicklungsprozessen größeren Umfangs zuzuordnen.’ Parallel zu Varianzabschwächung und -ausdehnung verlaufen ‘Prozesse der Bedeutungsdifferenzierung, der Spezifizierung und der stilistischen Kristallisierung von Varianzmitteln’. Voraussetzung für die Normgültigkeit einer Varianz ist, dass sie von der Sprachgemeinschaft akzeptiert wird. Wird sich der Sprachbenutzer dem Nebeneinander zweier konkurrierender Varianten bewusst, fragt er in der Regel zunächst nach der Normgemäßheit der jeweiligen Form. Treten Unsicherheiten bei der Wahl der jeweiligen Variante und damit ein Bedürfnis nach Auskunft in Zweifelsfällen auf, so wird die Normvarianz zu einem Normproblem. Anhaltspunkte dafür, ob eine Varianz ein Problem für die Sprecher darstellt, kann zum einen die Beobachtung des Sprachgebrauchs selbst (empirisch vermutlich schwer zu bewerkstelligen), zum anderen die Untersuchung der Anfragen bei Sprachberatungsinstituten liefern. 2.2, Unterschiedliche Normauffassungen: 2.2.1, Der deskriptive Normbegriff der Sprachwissenschaft: Dass der Sprachwissenschaft im Gegensatz zur Sprachkritik ein deskriptiver Normbegriff zugrunde liegt, wurde bereits in verschiedenen Zusammenhängen gezeigt. Auch wenn einige Linguisten davon ausgehen, dass eine Beschäftigung mit Sprache ohne wertende Elemente nicht möglich sei , vertritt die Sprachwissenschaft im Allgemeinen einen Normbegriff, dem zufolge Sprachnormen empirisch zu beobachten und zu ermitteln sind, um anschließend ohne jegliche Bewertung beschrieben zu werden. Dementsprechend wird von Grammatiken erwartet, dass sie Normwandel erkennen und berücksichtigen, indem sie nebeneinander existierende Varianten als solche benennen. Aus linguistischer Perspektive wird dabei im Idealfall keine Bewertung nach dem Prinzip ‘richtig - falsch’ oder ‘gut - schlecht’ abgegeben, sondern objektiv beschrieben, welche Variante in welcher Sprachvarietät wie gebräuchlich ist. 2.2.2, Das Bedürfnis nach ‘richtigen’ Normen bei den Sprachbenutzern: Im Gegensatz zum Normverständnis der Sprachwissenschaft steht das der linguistisch nicht ausgebildeten Sprecher, das vor allem durch den Sprachunterricht in Schulen oder anderen Institutionen und vermutlich auch durch in der Öffentlichkeit stehende Sprachkritiker wie Bastian Sick geprägt ist. Im Deutschunterricht wird die in der Standardsprache gültige Norm als ‘richtige’ Norm zum Lehrinhalt, während die ihr nicht entsprechenden Formen als falsch klassifiziert und korrigiert werden. Der dem Sprachunterricht zugrunde liegende Normbegriff, den ein Großteil der Sprecher unreflektiert übernimmt, ist demnach als präskriptiv zu charakterisieren. Der Sprachbenutzer entwickelt so, insbesondere im Zusammenhang mit schriftlicher Kommunikation sowie im beruflichen Kontext, das Bedürfnis, ‘richtige’ Sprachformen zu verwenden. Resultierend daraus entsteht ein gesellschaftlicher Bedarf an Normauskunft in Zweifelsfällen und damit an Sprachberatung. Im deutschen Sprachgebiet beantworten heute etwa ein Dutzend Beratungsstellen, etwa die der ‘Gesellschaft für deutsche Sprache’ oder die der Dudenredaktion, zahlreiche Fragen nach der ‘Richtigkeit’ bestimmter sprachlicher Formen. Auch Fachzeitschriften beraten ihre Leser hinsichtlich der Verwendung grammatischer oder lexikalischer Varianten. Darüber hinaus entstand infolge des Bedarfs an Normauskunft ein eigener Wörterbuchtyp, der bestimmte Einzelwörter sowie grammatische Erscheinungen ausschließlich unter den Aspekten ‘Sprachschwierigkeiten’ oder ‘Zweifelsfälle’ behandelt. Der bekannteste Vertreter dieser Gattung ist wohl das ‘Wörterbuch der sprachlichen Zweifelsfälle’ der Dudenredaktion. Seit etwa 20 Jahren nimmt der Bedarf an Normauskunft zu, was sich insbesondere an der Gründung zahlreicher neuer Sprachberatungsstellen sowie an der steigenden Zahl von Anfragen zeigt. Ein Grund hierfür ist zum einen der größer gewordene Umfang schriftlicher Kommunikation. Zum anderen kann vermutet werden, dass durch die Diskussionen über die Rechtschreibreform, durch in Presse und Rundfunk thematisierte, diskutierte und kommentierte Aktionen wie ‘Wort des Jahres’ und ‘Unwort des Jahres’ sowie durch medienwirksame Auftritte von Sprachkritikern wie Bastian Sick das öffentliche Interesse an der deutschen Sprache und damit das Bewusstsein für sprachliche Besonderheiten gestiegen sind.
Ann-Kathrin Thönnes, geboren 1984, studierte Diplom-Germanistik mit den Schwerpunkten Journalistik sowie Europäische Ethnologie an der Otto-Friedrich-Universität in Bamberg. Fasziniert von den Besonderheiten und Feinheiten der deutschen Sprache legte sie den Schwerpunkt ihres Studiums schon früh auf sprachwissenschaftliche Fragestellungen und deren Bedeutung für den tatsächlichen Sprachgebrauch. Nach einem längeren Auslandsaufenthalt gibt die Autorin ihre Leidenschaft für das Deutsche heute als Lehrerin für Deutsch als Fremdsprache an Lernende aus der ganzen Welt weiter. Sie arbeitet zudem als Öffentlichkeitsreferentin für eine Jugendorganisation.
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