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  • Intertextualität im modernen Kriminalroman: Eine wissenschaftliche Untersuchung von Oliver von Schaewens Roman „Räuberblut“ und dessen intertextuellen Bezügen zu Schillers „Räubern“

Kunst & Kultur


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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 04.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 76
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Kein literarischer Text entsteht aus dem Nichts. Vielmehr führt die Literaturgeschichte auf den Schauplatz der Weltliteratur, auf dem wir in jedem schriftlich überlieferten Text auf die mehr oder weniger sichtbaren Spuren anderer Texte stoßen. Tonger-Erk und Berndt sagen damit nichts anderes, als dass Intertextualität ein essenzieller Bestandteil unserer Literatur und damit natürlich auch unserer Kultur ist. Aber heißt das dann, dass wir dazu verdammt sind, immer und immer wieder dieselben Texte zu wiederholen ohne je etwas Neues und Innovatives erdenken zu können? Mitnichten, denn obwohl sich in jedem Text, fasst man nun den Literaturbegriff ganz eng oder definiert fast jede kommunikative Äußerung als Text, Anklänge und Hinweise auf vorangegangene Texte finden, ist die Leistung der Textproduktion nicht zu unterschätzen. Das variable Nutzen und Kombinieren verschiedenster Referenztexte und damit das Umformen dieser Texte zu einem neuen Ganzen ist die Leistung jedes neuen Textes. Doch was ist Intertextualität und welche Funktion hat sie? Intertextualität ist einer der zentralen Aspekte der Literatur- und Kulturtheorie, welche vor allem von den Strukturalisten und den Poststrukturalisten untersucht wurde. Seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts rückt dieser wissenschaftliche Gegenstand immer mehr in den Fokus der Literaturwissenschaft. So ist es nicht verwunderlich, dass es zahlreiche Strömungen und Denkmodelle innerhalb der Intertextualitätsdiskussion gibt. Grob definiert, umfasst Intertextualität die Gesamtheit der Text-Text-Beziehungen und ihre Phänomene, wobei die Meinungen schon allein bei der Definition des Textbegriffs innerhalb der Forschung weit auseinander gehen. Die Vielschichtigkeit der Intertextualitätsforschung im Ganzen zu erfassen, scheint heute kaum noch möglich und Intertextualität als solche scheint in ihrer Komplexität schwer erfassbar zu sein. Um welche Beziehungen es sich jedoch konkret handelt und wie man sie beschreiben kann, darüber gibt es die verschiedensten literaturwissenschaftlichen Meinungen. Sie reichen von einem sehr eng gefassten, nur literarisch-ästhetisch und schriftlich fixiertem Text bis hin zu einer Textdefinition, die jegliche Art von sprachlicher Kommunikation, sei sie nun verbal oder nonverbal, beinhaltet. Einige Theorien schließen Phänomene wie Intermedialität und Intratextualität mit in den Bereich der Intertextualität ein, andere grenzen den Begriff so ein, dass nur reine Text-Text-Beziehungen im letzteren Sinn der Textdefinition zu untersuchen sind. Diese Studie gliedert sich in einen theoretischen Teil und einen praktischen Anwendungsteil.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2.2.2, Gérard Genette: Das wohl am detailliertesten strukturierte Konzept schlägt der Strukturalist Gérard Genette in seinem Buch ‘Palimpseste. Die Literatur auf zweiter Stufe’ von 1982 vor. Palimpseste ist hier metaphorische gemeint, denn es handelt sich ursprünglich um Manuskriptseiten, die abgeschabt und neu beschriftet wurden. Zumeist war dabei der originale Text unter der neu hinzugefügten Schrift noch deutlich sichtbar. Auf Genettes Theorie übertragen, würde das heißen, dass die Spuren der Referenztexte auch noch im referierenden Text klar erkennbar sind. Als übergeordneten Begriff für seine Taxonomie verwendet er die Transtextualität, deren Definition sich laut Genette umfassender bei Riffaterres Intertextbegriff findet. In einem etwas weiteren Sinn bezeichne ich heute als Gegenstand der [Poetik] eher die Transtextualität oder textuelle Transzendenz des Textes, die ich grob als alles das definiert habe, ‚was ihn in eine manifeste oder geheime Beziehung zu anderen Texten bringt’. Dies umfasst also jegliche Beziehung zwischen zwei oder mehreren Texten und bedarf einer ausführlich ausgearbeiteten Untergliederung, die Genette auch gleich detailliert nachliefert. Danach unterscheidet er fünf Typen von transtextuellen Beziehung zwischen Texten: Intertextualität, Paratextualität, Metatextualität, Hypertextualität und Architextualität. Nachfolgend werden die wichtigsten Eckpunkte jedes Typus nach Genettes Reihenfolge kurz zusammengefasst. Auf den Verweis auf Kristevas Forschungsarbeit zum Thema der Intertextualität folgt Genettes Definition, die Intertextualität als ‘Kopräsenz zweier oder mehrerer Texte […]’, das heißt ‘als effektive Präsenz eines Textes in einem anderen Text’ determiniert. Demzufolge fallen unter diese Kategorie vor allem das Zitat, als explizit ausgezeichnete Textübernahme, das Plagiat, als dessen Gegenteil, also eine nicht ausgezeichnete wörtliche Entlehnung und die Anspielung, die indirekt also nicht wortwörtlich gehalten ist und deren Erkennen somit eine größere Herausforderung für den Leser darstellt. Bei dieser Unterscheidung treten aber bereits die ersten Probleme mit Genettes Schema auf, denn innerhalb literarischer Texte, anders als in wissenschaftlichen Arbeiten, werden zumeist Zitate nicht unbedingt durch Interpunktionen oder Quellangaben deutlich gemacht. Vielmehr liegt deren Erkennen im Aufgabenbereich des Lesers. Dies nivelliert die Zitate also in den Bereich der Plagiate. Nur die Autorenintension kann zu einer Unterscheidung beider beitragen und diese ist nicht immer klar ersichtlich. Die Paratextualität als zweiten Typ sieht Genette vor allem ‘als die Bezüge zwischen einem Text und seinem Titel, Vorwort, Nachwort, Motto und dergleichen’. Nähere Ausführungen spart Genette jedoch mit der Anmerkung aus, dass folgende Literaturwissenschaftler dieses Teilgebiet der Transtextualität sicher künftig noch weiter ausloten werden. Dies zielt vor allem auf die Beziehungen zwischen solchen paratextuellen Vermerken und den von ihnen ergänzten Texte sowie auch auf die Wirkung dieser auf den Leser ab. Der Roman ‘Räuberblut’ ist voll von dieser Art Paratexten. Zu Beginn von 12 der 21 Kapitel finden sich direkte Zitate als Quasi-Überschriften dieser Kapitel, die alle aus Schillers ‘Die Räuber’ entnommen sind auch als solche ausgewiesen werden. Hier ergibt sich aber schon das nächste Problem, denn genauso könnten diese Auszüge auch als Zitate im Sinne einer Genetteschen Intertextualität interpretiert werden. Die Grenzen innerhalb von Genettes Taxonomie sind also eher vage und damit äußerst unpräzise.Die dritte Kategorie benennt er mit Metatextualität. Dies umfasst im Wesentlichen jegliche Art von Kommentar, ‘der sich mit ihm auseinandersetzt, ohne ihn unbedingt zu zitieren (anzuführen) oder auch nur zu erwähnen’. Zumeist fließt auch eine starke Wertung, sei sie nun kritischer Natur oder ein Panegyrikus, des Referenztextes in diese Form von Äußerung mit ein. ‘Die Aufgabe des Metatextes besteht also darin, eine Vorhersage über einen Text und dessen Wirkung bzw. Bedeutung zu machen.’ Die eigentliche Intertextualität so wie sie in ihrer einfachsten und umfassend gültigen Form seit Kristeva definiert wurde und auch von führenden Literaturtheoretikern dieser Zeit anerkannt wurde, benennt Genette in Hypertextualität um. Genauer definiert er ‘jede Beziehung zwischen einem Text B […] und einem Text A […], wobei Text B Text A auf eine Art und Weise überlagert, die nicht die des Kommentars ist’ als Hypertextualität. Ein metaphorisches Palimpsest also. Eine Deduktion eines temporal früher entstandenen Textes, den Genette als Hypotext bezeichnet, und der durch einen Transformationsprozess in einen Hypertext umgewandelt wurde. Eine zeitliche Reihenfolge in der Entstehung der Texte ist also zwingend erforderlich. Text B könnte niemals vor Text A entstanden sein, da er (B) Teile aus ihm (A) modifiziert, diese also zuerst existiert haben müssen. Tatsächlich ist die Erwähnung dieses Faktes jedoch vollkommen überflüssig, da er sich bereits aus dem Kontext der Intertextualitätsforschung ergibt und andere Theoretiker ihn bereits akzeptiert und dementsprechend verwendet haben. Was den so genannten Transformationsprozess anbelangt, so schlüsselt Genette diesen wiederum in zwei Typen auf. Zum einen in eine untergeordnete Transformation und in eine Imitation. Bei der Transformation ändere sich nur die Form, der Inhalt bliebe allerdings der gleiche. Die Nachahmung hingegen würde die Form beibehalten, jedoch den Inhalt abwandeln. Tonger-Erk und Berndt geben als Beispiel für diese Imitation Vergils Aeneis an, die Homers Versepen imitiert, aber dessen Inhalt sich deutlich von dem Homers unterscheidet. Die Untergliederung in wieder zwei Typen, von denen einer denselben Namen trägt wie der Oberbegriff, muss erneut Verwirrung stiften und trägt keinesfalls zu einer klaren Durchschaubarkeit von Genettes System bei. Der fünfte […], abstrakteste und impliziteste Typus ist die oben definierte Architextualität. Hier handelt es sich um eine unausgesprochene Beziehung die bestenfalls in einem paratextuellen Hinweis auf die taxonomische Zugehörigkeit des Textes zum Ausdruck kommt. Genette verweist hier auf erklärende Paratexte, die den Aufbau des nachfolgenden Textes näher erläutern. Allerdings sind diese Paratexte nicht zwingend erforderlich. Ebenso kann ein Text auf eine strukturelle Beziehung zu einem anderen Text oder einer ganzen Gattung verweisen, ohne diese explizit zu nennen. Genettes fünf Typen der Transtextualität sollen jedoch nicht getrennt voneinander betrachtet werden, sondern eher als Perspektiven, die auf ein und denselben Text angewendet werden könne. So erklärt er auch seinen Textualitätsbegriff. Jeder Text kann jeden Aspekt beinhalten und wiederum transformiert selbst zum Hypotext, wie Genette es ausdrückt, für einen anderen Text werden. Hieraus entsteht eine Unendlichkeit, die der Leser als Ganzes erfassen kann, oder sich aber nur einem Teilaspekt davon widmen kann. Fest steht für Genette jedoch: Es gibt kein literarisches Werk, das nicht, in einem bestimmten maß und je nach Lektüre, an ein anderes erinnert in diesem Sinn sind alle Werke Hypertextualität. Somit umfasst Genettes Transtextualitätstheorie die gesamte Literatur. Einen universalistischen Textbegriff wie Kristeva lehnt er jedoch ab. Zusammenfassend ist zu sagen, dass Genettes Klassifikationsversuch in praktischen Arbeiten an Texten nur bedingt zu handhaben ist. Die eindeutige Beschreibung von Phänomenen intertextueller Natur ist jedoch durch die uneindeutige und eher vage Separation seiner taxonomischen Begrifflichkeiten stark erschwert. Zudem kommt die oben beschriebene Verwirrung in den Begriffsdefinitionen, die seine Theorie von allen anderen aus diesem Forschungsbereich trennen. Nach heutigem Forschungsstand liegen weitaus bessere Typologien für die praktische Anwendung der Intertextualitätstheorien vor, sodass Genette für diese Analyse keine Option darstellt.

Über den Autor

Roxana Romahn ist 1987 in Mitteldeutschland geboren. Sie studierte an den Universitäten von Stuttgart und Mannheim Geschichte und Germanistik.Ihr Hauptinteressenfeld galt immer schon der Literaturwissenschaft. Sie lebt und unterrichtet heute in Marbach am Neckar, einer Kleinstadt in Baden-Württemberg.

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