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- Hören und Fühlen: Zur Rezeptionspsychologie Hartmanns von Aue im Armen Heinrich
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Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 11.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 128
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Warum empfinden wir etwas, wenn wir eine Lektüre lesen? Und was genau ruft diese Gefühle in uns hervor? Der Autor, der Text oder die blühende Phantasie des Lesers selbst? Diesen Fragen widmet sich die vorliegende Studie. Dazu wird das komplexe Wechselverhältnis von Emotion und Rezeption, wie es in der mittelalterlichen Literatur - speziell bei Hartmann von Aue - gestaltet wurde, untersucht. Anhand des Armen Heinrich soll die Funktion von literarischen Figurendarstellungen im Hinblick auf den Leser beleuchtet werden, wobei das Augenmerk hauptsächlich auf den strukturellen Mitteln der Gefühlserzeugung liegt. Besonderes Interesse kommt der Frage zu, welche Inszenierungsstrategien überhaupt eine emotionale Reaktion beim mittelalterlichen Rezipienten hervorgerufen haben könnten. Emotionen des Lesers, die auf Figuren oder Erzähler gerichtet sind, sollen auf sympathietragende Vorgänge der Interaktion zwischen Erzähltechnik und Leser zurückgeführt werden.
Textprobe: Kapitel 3, Methodenreflexion und Terminologie: 3.3.1 Begriffsdefinition ‘Sympathie’: Bemerkenswert an Dimpels Studie ist die Neutralität der Begriffe, die von sachlicher und definitorischer Integrität zeugen. Der Begriff ‘Empathie’ ist durch seine zweideutige Explikation problematisch: Zum einen wird damit eine ‘Bereitschaft und Fähigkeit, sich in die Einstellungen anderer Menschen einzufühlen (im psychologischen Bereich)’ beschrieben. Also eine intellektuelle Adaption der erzählten Gefühle, der emotionale Zustand von Figuren wird verstanden. Zum anderen wird damit hochgradig eine Involvierung auf emotionaler Basis, eine direkte ‘Gefühlsansteckung’, bezeichnet. Das betroffene Subjekt simuliert eine identische, mentale Verfassung des Objekts mitsamt deren Emotionen. Empathisch kann der Rezipient grundsätzlich auf alle Figuren reagieren. So konstatiert Breithaupt: dass Empathie keineswegs nur eine Angelegenheit des Wohlwollens und der positiven Akzeptanz der anderen ist. Vielmehr erlaubt Empathie auch, die Konkurrenten besser zu verstehen und daher auszuschalten. Letztlich mag Empathie als Hyperonym gelten, dass diverse Kognitionsphänomene und -elemente erfasst: Gefühlsansteckung Erkennen von Absicht sowie Movens von Handlungen Erkennen von verschiedenen Emotionen anderer und der Differenz zwischen diesen und dem eigenen Empfinden, d. h. distanzierter Nachvollzug das Mitfühlen von Gefühlen, die nicht der eigenen Situation entsprechen. Die enge Definition von Sympathie meint eine emotionale Bindung zu einer Figur, die weite hingegen eine klare positive Haltung zu dieser. Der Begriff impliziert somit einerseits die Involvierung in den mental-emotionalen Zustand eines anderen und andererseits ein Mitgefühl, das nicht mit der emotionalen Figurenkonstitution identisch ist. Ersteres Begriffsverständnis ist zu eng und auch nicht genug vom Empathie-Begriff differenziert, denn erstens gibt es emotionale Reaktionen auf Rezipientenseite, die nicht deckungsgleich mit dem emotionalen Zustand der Figur verlaufen. Ein solcher Umstand liegt meist dann vor, wenn Figuren- und Rezipientenwissen aufgrund der Informationsvergabe voneinander abweichen. Beispielsweise wenn Enite um den totgeglaubten Erec trauert, der Zuhörer aber weiß, dass der Held noch lebt. Wahrscheinlich wird er eher Mitgefühl und Neugier empfinden als in eine identische, exzessive Trauer zu verfallen. Oder wenn eine Figur Angst vor ihrem Aggressor hat, so liegt die Parteinahme des Rezipienten wohl eher in einem Gefühl der Entrüstung und Empörung dem Angreifer gegenüber, da er die Attacke auf die sympathische Figur als böswillig und ungerecht ansieht. Allerdings muss es sich bei einem Sympathieeffekt nicht um eine emotionale Reaktion handeln: Eine andere Person kann als sympathisch benannt werden, ohne dass eine entsprechend personenbezogene Emotion vorliegt. Sympathie begünstigt eine Emotionsevokation für die betroffene Figur jedoch mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit. Grundsätzlich wird für die Entstehung von Sympathie ein längerer Zeitraum angesetzt, ferner ist dieses Emotionskonzept nur auf bestimmte Charaktere im Roman zu übertragen. Der Wertgehalt des Sympathiephänomens lässt unter anderem Rückschlüsse auf narrative Techniken zu, welche axiologische Werte vermitteln – subjektive Kriterien (wie die Attribute stark, schön, warmherzig) sind gleichermaßen einzubeziehen. Im Unterschied zur Empathie fließt hier ‘die positive Wertschätzung des anderen’ mit ein. Gemäß einer dramentheoretischen Studie teilt Dimpel die emotive Rezeptionssteuerung schlicht in zwei Einheiten auf: ‘Sympathie’ und. ‘Antipathie’. ‘Zusätzlich spielt die Dichotomie 'Engagement' versus 'Distanz' eine Rolle, die dann für Sympathiesteuerung eine limitierende Wirkung hat, wenn monoperspektivisch erzählt wird.’ Die letzten beiden Begriffe sind für eine Bewertung auf histoire-Ebene von Relevanz. Engagement bezeichnet das allgemeine Wohlwollen gegenüber einer Figur, welches nicht auf Mitleidsreaktionen begrenzt ist, sondern auch Fälle von Aggression oder Neugier impliziert. Es handelt sich also um keine Gefühlsanalogie zwischen Figur und Rezipient, sondern um eine emotionale Vereinnahmung des Rezipienten mit dem Bewusstsein der Differenz. Auf die Weise, dass Nähe und Vertrautheit zur Figur etabliert sind, ohne dass diese positiv konnotiert ist. Vor allem unerwartete und unvorhersehbare Handlungsabläufe erzeugen Engagement. Indem Dimpel sich ‘nur’ auf textuelle Eigenschaften bezieht, die sympathieerzeugendes Wirkungspotential besitzen, vermeidet er Mutmaßungen über Einzelemotionen, welche beim Rezeptionsvorgang hervorgerufen werden könnten. Solche Spekulationen über einzelne emotionale Rezeptionsphänomene sind ohnehin nur mit empirischen Methoden verifizierbar. Doch dieses Modell birgt zumindest eine Wahrscheinlichkeitsannahme, welche Gefühlsreaktionen eher auftreten als andere. 3.3.2, Sympathiesteuerungsverfahren: Die Wertung von Sympathielenkungsprogrammen differenziert Dimpel nach einer simplen Zweiteilung in positiv für die Förderung von Sympathie (positives Sympathiesterungsverfahren) und negativ für den Abbau von Sympathieempfindungen gegenüber einer Figur (negatives Sympathiesteuerungsverfahren). Außerdem trennt er zwischen den Begriffen ‘Engagement’, im Sinne von emotionalem Nachvollzug, und ‘Distanz’, das Ausbleiben der Gefühlsevokation beim Rezipienten. Grundlegend kann textuelle Rezeptionslenkung direkt und offen oder indirekt und subtil erfolgen. Ein offensichtlicher Beeinflussungsversuch liegt beispielsweise in einer eingeschobenen Sentenz oder einem Werturteil vor, welches der Erzähler äußert. Ein manipulierender Beeinflussungsversuch kommt bei versteckten Wertungssignalen zum Tragen wie bei der Wiedergabe von Gedankenrede einer Figur oder direkter Figurenrede. Dimpel nennt mehrere Kriterien, die eine Qualität zur Sympathiesteuerung aufweisen.
Tamara Niebler stammt aus einer Kleinstadt in Niederbayern. Schon in jungen Jahren fühlte sie sich zur Schriftstellerin berufen und verfasste Kurzgeschichten. Nachdem sie eine Berufsausbildung als Einzelhandelskauffrau absolviert hatte, drängte es sie, die Grenzen der heimischen Kleinstadt hinter sich zu lassen. In den Folgejahren holte Tamara Niebler das Abitur auf dem zweiten Bildungsweg nach und studierte gleich im Anschluss Germanistik und Philosophie an der Ludwig-Maximilian-Universität in München. Dabei sammelte sie schon während ihres Studiums Erfahrungen im Verlagswesen und redaktionellen sowie journalistischen Schreiben. Heute betätigt sich die studierte Germanistin M.A. als Redakteurin in diversen Bereichen. Ihr Steckenpferd ist und bleibt aber die Literaturwissenschaft.
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