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Kunst & Kultur

Stefan Fischer

Hieronymus Bosch: "Der Garten der Lüste" in der Forschung

ISBN: 978-3-8428-9794-6

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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 05.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 96
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Es ist zum Allgemeinplatz geworden in einer Untersuchung des sogenannten Gartens der Lüste von Hieronymus Bosch (ca.1450-1516) zu betonen, dass dieses Triptychon das größte und berühmteste, das bedeutendste und schwierigste Werk im etwa 23 Gemälde umfassenden Oeuvre dieses Malers sei. Der Garten der Lüste nimmt als Hauptwerk Boschs und als die umstrittenste Innovation in seinem Oeuvre eine Schlüsselrolle ein. Weil es das häufigste Ziel von Untersuchungen und Interpretationsversuchen geworden ist, liefert es das geeignetste Material um die Ansätze und Methoden der kunsthistorischen Forschung auch auf dem Hintergrund des ‚Phänomens Bosch’ darzustellen und daraus Erkenntnisse für den Umgang mit anderen Werken Boschs zu erhalten. Die Arbeit gibt einen Überblick über die zahllosen wissenschaftlichen Interpretationen wie auch die zweifelhaften 'esoterischen' Deutungsversuche und versucht neue Wege zukünftiger Forschung aufzuzeigen. Die niederländischsprachige Forschung hat durch die intensive Auseinandersetzung mit den Bildmotiven im Garten der Lüste ein besonderes Gewicht.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2, Die Methode Bax’ – eine systematische Motivdeutung: 2.1, Bosch als Moralist und die volkssprachliche Literatur: Der in Südafrika lebende Kunsthistoriker Dirk Bax (gest. 1976) war in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung der 1950er und 1960er Jahre der Gegenspieler Fraengers. Beide arbeiteten ihr Leben lang über Bosch . Bax’ erstes Werk, die ‚Ontcijfering van Jeroen Bosch’ von 1949, war in Ansatz und Methodik die indirekte, die Auslegung des Gartens der Lüste 1956 die direkte Antwort auf Fraenger. Wenn Fraenger für die geistesgeschichtliche Methode steht, so verkörpert Bax das positivistische Denken. Wo der eine ‚virtuosflüssiger’ Exeget ist, ist der andere ein akribischer Sammler. Retrospektiv legt Bax dar, wie ihn eine Entdeckung zu seiner Methode führte. Ein Detailfoto des Antonius-Triptychons das Bax anlässlich der Rotterdamer Bosch-Ausstellung 1936 in einer Zeitung sah, verknüpfte er direkt mit einer Passage aus einer Dichtung des 16. Jahrhunderts. Darin wurden als ‘doordraaiers en lichtmissen’ (etwa: Verschwender und Leichtfüße) charakterisierte Figuren mit ‘dor vogelken’ (dürrer, kleiner Vogel), ‘licht schuitken’ (leichtes Bötchen) und ‘sottebol’ (Narr) benannt . So nahm Bax an, dass in diesem Sinne die Figuren in Boschs Bildern eine Bedeutung haben müssten. Diese philologisch-volkskundliche Entzifferung oder ‚Dechiffrierung’ (Raupp) widerspricht sowohl der Auffassung, dass Boschs Bildmotive als individuelle Künstlerlaunen keine Bedeutung symbolischer Art haben, als auch, dass nur eine eingeweihte Geheimlehre die Hermetik der Bilder entschlüsseln könne. Vor allem aber reagiert sie innovativ auf die ikonographisch ungewöhnlichen Bildgegenstände, die die Bildvergleiche mit der Buchmalerei und der Graphik, geschweige denn der Tafelmalerei, nicht erfassen. Bax votiert für die traditionelle Leseweise des Gartens der Lüste als Allegorie der Luxuria. Er nennt das Werk: ‘Tuin der Onkuisheidtriptiek’ – Triptychon des Gartens der Unkeuschheit. Das Bild Boschs als Moralisten ist schon in der Kunstliteratur bei Siguenza 1605 zu finden und bildet die Grundlage für die meisten Interpretationen bis zur Gegenwart . Dieser Auffassung schließt sich Bax an. Er sieht Bosch in direktem Bezug zu seinem kulturellen Umfeld und vergleicht ihn mit den Rederijkers . Diese hatten in den Niederlanden eine führende Rolle im Kulturleben der Städte inne, ähnlich den Meistersängern und partiell den Frühhumanisten in Deutschland . Die in Kammern organisierten Rederijkers – aus dem Französischen von Rhétoriqueurs (Rhetoriker) – organisierten die ‚landjuweel’ genannten Dichterwettbewerbe, das geistliche Spiel und Theaterstücke, Prozessionen, Feste sowie Einzüge von hohen Adligen. Eine Mitwirkung an diesen Tätigkeiten ist von Bosch ebenso wenig bekannt, wie wir etwas über seine theologische, poetische und rhetorische Bildung wissen. Mit dieser Integrierung in den kulturellen Kontext folgt Bax dem Diktum von Roggen, nach dem die ‘oft rätselhaften Gegenstände und seltsam wirkenden Bilder anhand der zeitgenössischen Literatur und mittels der Kenntnis der damaligen Sitten und Gebräuche, wie Prozessionen, ‘ommegangen’ [=Festzüge], Theateraufführungen und Ähnlichem’ erklärt werden müssen . Bax ergänzt und präzisiert, dass ‘Jeroen [Bosch] und seine Schule zuweilen Sprichwörter, Redewendungen und Wortspiele ins Bild brachten und dass sie mitunter Symbolik der Sprache entlehnten […, dass man] nicht nur die Sprache zur Rate zieht, sondern auch die Literatur, bildende Kunst, Folklore wie die Kultur- und Religionsgeschichte der Niederlande’ . Somit tun sich nicht nur Quellen für die Bedeutung von Boschs Werken auf, sondern wird auch das soziale und ethische Umfeld abgesteckt. Dem Gleichsetzen Boschs mit einem Moralisten – speziell einem Rederijker – entspricht methodisch das Vergleichen seiner Werke mit der moralisch-volkssprachlichen Literatur der Zeit. Das obige Zitat stammt ebenso aus dem Kreis der Rederijkers wie die von dem Priester Jan van Styevoort (ca. 1489 - 1576) gesammelten ‚Refereinen’ (Spruchdichtungen) des 15. Jahrhunderts, die Bax zur Klärung der Symbolik des Gartens der Lüste heranzieht. Bax strebt die Sicherung der Gegenstandsbedeutung an. Er selbst setzt sich am Anfang das Ziel einer minutiösen Beschreibung und eines Aufzeigens einer sachlichen Bedeutung. Dementsprechend geht er Tafel für Tafel von links nach rechts vor, er beginnt außen mit den geschlossenen Flügeln, und endet mit der Höllentafel rechts innen. Die Tafeln selbst werden in Vorder-, Mittel- und Hintergrund, sowie weiter nach zusammenstehenden Figurengruppen gegliedert und bis ins Detail wie Zeichen abgehandelt. Bax will für jeden Bildgegenstand eine möglichst konkrete Bedeutung, letztlich eine begriffliche Entsprechung aufzeigen. So erhält der Text eine Kettenstruktur. Glücklicherweise fügt Bax dem wissenschaftlichen Apparat im Anhang ein für seine Untersuchungen übliches ikonographisches Register an.

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