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- Geschichte einer deutschen Familie. Aus den Tagebüchern meines Großvaters
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 07.2016
AuflagenNr.: 1
Seiten: 220
Abb.: 29
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Dies ist eine ganz persönliche Geschichte – die Geschichte der Familie des Autors, erzählt von seinem Großvater, verknüpft mit den politischen Ereignissen insbesondere des letzten Jahrhunderts. Auf den ersten Blick mögen die zahlreichen Tagebücher und Aufzeichnungen des Großvaters von Detert Zylmann einen sehr privaten Charakter haben. Über das persönliche Erleben hinaus sind sie jedoch Spiegelbild sich wandelnder Zeiten und damit zeitgeschichtliche Dokumente von allgemeiner Bedeutung. Wer insbesondere die Tagebücher aus beiden Weltkriegen liest, ist gefangen von dem Grauen der geschilderten Ereignisse. Es ist eine bewegende Reise in die Vergangenheit einer deutschen Familie. Folgen wir den Spuren von Peter Zylmann.
Textprobe: Kapitel An der Ostfront: […] Auf einer Dienstfahrt nach Litauen erreichen mein Großvater und seine Begleitung den Ort Kowno [Kaunas, zweitgrößte Stadt Litauens]. Hier schreibt er am 6. Juli 1941 in sein Tagebuch: Den Wachdienst in der Stadt versehen litauische Wachmannschaften unter Gewehr. Man sieht öfters Gruppen von Juden und offenbar Kommunisten, die erschossen werden meist nachts. Es soll sich um Tausende handeln. Gerichte gibt es dafür nicht, die deutschen Befehlsstellen greifen nicht ein. Vor Ankunft der Deutschen schwere Judenprozesse und Plünderungen . In einem Sonderbericht zur Lage in Kowno vom 8. Juli 1941 finden wir folgenden Eintrag. In der Stadt halten junge Litauer in hässlichen senfgrauen Uniformen mit Gewehr die Ordnung aufrecht. Manche machen keinen vertrauenerweckenden Eindruck. Es muss hier grauenhaft hergegangen sein. Vor Ankunft der Deutschen hat, wie man hört, ein großes Massaker unter den Juden und Kommunisten stattgefunden, viele sind auf der Straße erschlagen worden. Mehrere tausend männliche Juden sind in einem alten Fort zusammengezogen worden es müssen bereits große Massen erschossen worden sein. Auf einem Felde dort haben etwa 2 000 Leichen gelegen, die bei der Hitze schnell in Verwesung übergingen. Ein Major aus dem Dulag 100 hat sie durch russische Kriegsgefangene bestatten lassen. In Zukunft, so der Major, mögen die Litauer die von ihnen Erschlagenen selbst begraben. Ein Hauptmann erzählt meinem Großvater, dass nach Aussagen von Augenzeugen auch viele Frauen grausam umgebracht worden seien. So hätte man eine hochschwangere Frau mit dem Spaten halbtot geschlagen, so dass es zur Geburt des Kindes kam. Andere Frauen seien mit Stemmeisen gequält worden. Der Hauptmann soll diese Vorfälle an höhere Stellen weitergegeben haben, und man hätte ihm erklärt, dass die litauische Ordnungspolizei, die im Übrigen viele üble Elemente enthalte, entwaffnet werden solle. Nachts hören wir oft längere Zeit aus Richtung des Forts Gewehr- und Maschinengewehrfeuer von den dort laufend durchgeführten Exekutionen. Richterliche Handlungen finden dabei nicht statt. In der Stadt kann man öfters kleine Gruppen von Juden und Nichtjuden, offenbar Kommunisten, beiderlei Geschlechts, von der litauischen Ordnungspolizei abführen sehen […]. Seit einigen Tagen tragen die Juden einen fünfzackigen gelben Stern auf der Brust. Es fällt auf, dass kaum noch Männer mit diesem Abzeichen gesehen werden, sie sind in der Mehrzahl vernichtet oder verhaftet. Unter den Frauen begegnen viele große Typen, denen man ihre nichtarische Rasse nicht ansieht. Sie könnten nach Gesichtsform, Augen und Haar als voll arisch gelten. Das Judentum muss sehr viel fremdes Blut in sich aufgenommen haben. Viele hört man auf der Straße unter sich ein reines Deutsch sprechen. In der Stadt sind viele Läden geschlossen, an denen die Scheiben eingeschlagen und in der Auslage die trümmerhaften Reste der Waren sichtbar sind. Es handelt sich um jüdische Läden, die bei dem eingangs erwähnten Progrom geplündert sind. Jetzt ist in deutscher Sprache an diesen Läden zu lesen: Wer plündert, wird erschossen . Und an anderer Stelle. Seitdem in Kowno die Juden auf der linken Brust einen großen gelben Davidstern tragen, fiel uns die ungeheure Menge der Sternträger auf eines Morgens auf dem Wege zur Dienststelle zählte ich so etwa 20 Juden auf einen Nichtjuden. Aber fast alles Frauen Männer sieht man sehr selten. Sie sind inzwischen zum großen Teil interniert worden, in einem Fort der alten Festungswerke. In Riga sind die Juden noch nicht gekennzeichnet, dort soll es verhältnismäßig wenige geben, während in Kowno von den rund 130 000 Einwohnern 40% Juden geschätzt werden. In Libau [Liepãja, Hafenstadt im Westen Lettlands] müssen die Juden das Abzeichen auf der Brust und auf dem Rücken tragen. Unter den jüdischen Typen sind zahlreiche, denen man ihre Rasse in keiner Weise ansieht, es muss viel Blut ihrer Gastvölker in sie übergegangen sein . Immer wieder gibt es in der näheren und weiteren Umgebung Gefechte und Luftangriffe. Wir erfahren, dass in Litauen eine passive Resistance separatistischer Art wächst. Wir merken das am abweisenden Verhalten der Einwohner. Man hat ihnen anfangs zuviel Rechte gelassen, die man ihnen beschneiden muß, oft nicht in kluger Weise . Am 10. Juli 1941 findet sich im Tagebuch folgender Eintrag: Ein Leutnant der Panzertruppe erzählt: Seine Einheit hat von 70 Panzern 35 verloren, viele Offiziere er ist hier, um Ersatz zu beschaffen. Sie liegen in einer Stellung, wo sie nicht weiterkommen: Erbitterter Widerstand. Beim Vorgehen der Deutschen verstecken sich die Russen und schießen von hinten. Kommen mit erhobenen Händen als Zeichen der Ergebung und schießen dann aus einigen Metern Entfernung. Große Erbitterung auf deutscher Seite, es werden kaum Gefangene gemacht, meist alles zusammengeschossen. Die blutigen Verluste der Russen sind mindestens doppelt so groß wie die Zahl der Gefangenen. Krieg in Frankreich, auf dem Balkan, in Polen war ein Kinderspiel, jetzt fange der Krieg erst an . Im Hotel in Kowno kommt mein Großvater mit einer alten Aufwartefrau ins Gespräch. Sie erzählt ihm, dass in der letzten einjährigen Russenzeit sehr viel Terror geherrscht habe. Die Juden hätten mit tyrannisiert. Nach Abzug der Russen seien viele Juden erschlagen worden, jetzt seien die Männer im Fort 5 zusammen-gezogen. Seit heute Morgen [12. Juli] tragen alle Juden einen großen gelben Davidstern, auf 20 Frauen sieht man einen Mann. Viele sehen rassisch sehr unjüdisch aus . Am 17. Juli 1941 erfolgt die Übersiedlung von Kowno nach Riga. Der Feldkommandant von Riga gibt durch Maueranschlag bekannt, dass zwei Angehörige der lettischen Hilfspolizei wegen Plünderung begangen an einer Lettin, auf der Richtstätte von Riga erschossen worden seien. Nach dem, was man […] vernimmt, ist es gut und notwendig, dass von deutscher Seite rücksichtslos durchgegriffen wird. Ein Offizier aus Warschau berichtet, dass in Warschau die Juden in Massen vor Hunger sterben. Es ist offensichtlich, dass hier das Warschauer Ghetto gemeint ist. Weiter wird meinem Großvater berichtet, dass die Juden die Fliegerangriffe dazu benutzt hätten, durch Entfesselung von Bränden der deutschen Wehrmacht Schaden zuzufügen. Ähnliches sei auch in anderen Orten beobachtet worden. Den Anlass dazu gäbe eine allgemeine Anweisung der sowjetischen Befehlshaber, nach Abzug der Russen überall Brände hervorzurufen. Außerdem erfährt er hier am 3. August 1941, daß die Erschießung der Juden durch die Letten in Dünaburg [Daugavpils, zweitgrößte Stadt Lettland] einen riesigen Umfang angenommen hätten und grauenhaft seien. Am 10. August 1941 müssen alle Juden binnen 24 Stunden den Stadtbezirk I [von Riga] räumen. Ein Kurier teilt meinem Großvater mit, dass in Pleskau (Pskow) fünf Einwohner, darunter zwei Frauen gefasst wurden, als sie eine Brücke sprengen wollten. Sie wurden alle fünf gehängt. Ein Munitionszug befand sich gerade auf der Brücke, als der Lokführer schwachen Rauch beobachtete. Mit Volldampf fuhr er weiter und als er unversehrt das andere Ende erreicht hatte, ging hinter ihm die Brücke in die Luft. Diese Taten geschehen seitens der Bevölkerung auf strenge Anweisungen […] der russischen Führung . Ein Hauptmann, der die Versorgung der Stadt Dünaburg mit Lebensmitteln organisiert, erzählt meinem Großvater am Abend des 16. August 1941 folgendes: Dünaburg hatte unter den Einwohnern rund 13 000 Juden. Jede Nacht finden massenweise Erschießungen statt, im Ganzen bislang etwa 8 000. Das Schießen dauere die halben Nächte und sei nicht mehr zu ertragen. Männer und Frauen, auch Kinder fänden so den Tod. Massengräber von tausend Erschossenen. –Kürzlich sei ein Unteroffizier mit Mannschaften, mit Maschinen-gewehren etc. in einen Wald geschickt, um eine von dort gemeldete Partisanenbande auszuheben. Er sei unverrichteter Sache heimgekehrt. Unterwegs sei er durch ein Dorf gekommen, wo der Bürgermeister ihn angehalten und ihm erklärt habe, dort seien noch 137 Juden zu erschießen (Männer, Frauen und Kinder). Der Unteroffizier habe sie dann ohne Bedenken mit seinem MG erschossen. Er sei dann verhaftet [worden], weil ihm zu dieser Exekution die Befugnis gefehlt habe. In einem ähnlichen Fall seien so über 200 erschossen [worden] .
Detert Zylmann wurde 1944 in Hamburg geboren. Nach dem Studium der Vor- und Frühgeschichte promovierte er 1980 in Mainz und übernahm 1983 die Stelle eines wissenschaftlichen Mitarbeiters bei der dortigen Archäologischen Denkmalpflege. Seit dem Eintritt in den Ruhestand 2009 beschäftigt sich der Autor intensiv mit dem umfangreichen Schriftennachlass seines Großvaters. Der Autor lebt in Mainz, ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.
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