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- Facebook als digitale Litfaßsäule: Wie deutsche Jugendradios Facebook nutzen und was sie dabei missachten
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 08.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 140
Abb.: 40
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Knapp zwei Drittel der Deutschen, also ca. 52,7 Millionen, sind online. Ganz klar: Das Internet ist aus der heutigen Zeit nicht mehr wegzudenken. Ebenso wenig wie sein erfolgreichstes Kind namens Facebook, das inzwischen sogar Google in der Verweildauer überholt hat. Facebook ist bereits sieben Jahre nach seiner Gründung weltweit zur wichtigsten Kommunikationsplattform im Internet geworden. Über Jahrzehnte hinweg waren es die Massenmedien, die über die Auswahl der Nachrichten entschieden haben und sie verbreiteten. Aber die Spielregeln in der digitalen Welt sind andere geworden. Auf Facebook entscheidet nicht der Kommunikator darüber, wie oft seine Nachricht angezeigt wird, sondern die Masse der User selbst. Wie die Medienunternehmen mit diesen veränderten Strukturen umgehen sollen, wird seit einiger Zeit stark diskutiert. Aus diesem Grunde lautet die Forschungsfrage dieser Studie, welche Faktoren bei den Postings der untersuchten Jugendradiosender auf Facebook eine Steigerung der Beteiligung ihrer Fans auslösen. Es wird daher untersucht, welche bewährten theoretischen Ansätze, wie beispielweise die Nachrichtenwertforschung noch gültig sind und inwiefern sie sich mit Theorien des viralen Marketings und dem kognitionspsychologischen Ansatz der memetischen Trigger ergänzen lassen. Dazu wurden die Fanseiten von sechs Jugendradiosendern in Deutschland untersucht, denen zwischen 30.000 und knapp 200.000 Fans folgen. Da es bisher keine ähnlich angelegte Forschung in diesem Untersuchungsfeld gab, wurden zunächst Leitfadengespräche mit sechs ausgewählten Sendern geführt: 1LIVE, MDR JUMP, DASDING, bigFM, JAMFM und sunshine live. Sie geben Aufschluss über Ziele, Strategie und Arbeitsweise auf Facebook. Von jedem der Sender wurden dann 100 Postings analysiert und mit der Zahl der Reaktionen ihrer User verglichen. Das Resultat beweist, dass sich die Wichtigkeit der Nachrichtenfaktoren bei Facebook deutlich von anderen Medien unterscheidet und etablierte Annahmen, wie die Additivitätshypothese von Galtung & Ruge für die sozialen Netzwerke kaum noch Gültigkeit besitzen. Um einen Mehrwert für Medienunternehmen zu bieten wurden daraus konkrete Empfehlungen abgeleitet. Sie sollen ein Gefühl dafür geben, wie weit die Vorstellungen von Usern und Sendern teilweise auseinander gehen und was man tun kann, um sich besser auf die Wünsche seiner Fans einzustellen.
Textprobe: Kapitel 2.3.3, Von Blogs lernen: Auch die beiden Blog-Experten Robert Scoble und Shel Israel (2007) fordern für die Arbeit im Web 2.0 in ihrem Buch ‘Naked Conversation’ vor allem zwei Dinge: Offenheit und Authentizität. ‘Komm, wie du bist. Rede, wie dir der Schnabel gewachsen ist. Lass Leute, die dir wichtig sind, dich im Blog kennenlernen und höre gut zu, was sie dir erzählen.’ (ebd.: 94). Auch wenn eine Facebook-Seite kein klassisches Blog ist, so lassen sich die kurzen Postings doch dem Prinzip von Microblogging, ähnlich wie bei Twitter, zuordnen. Dieser oben gegebene Rat erfordert jedoch eine komplette Neuorientierung von wohl geschliffenen PR-Texten hin zur persönlichen Kommunikation. On Air ist es bei den Jugendsender ohnehin klar, dass Beiträge und Moderationen in Sprechsprache und jugendlichem Stil sind. Bei den meisten Sendern wird sogar geduzt. Demnach sollte zu erwarten sein, dass Gleiches auch für ihre Facebookpostings gilt. Doch vor allem bei Werbepostings, sei es wie bei den Öffentlich-rechtlichen für das eigene Programm oder teilweise wie bei den Privaten für Produkte, ist höchste Vorsicht geboten. Denn Authentizität verlangt ehrliche und interessante Postings und keine Werbebotschaften (vgl. Schlüter 2010: 78). ‘Bloggen kann Kunden zu einem aktiven Teil des Unternehmens machen. Dieser Paradigmenwechsel, offen und ehrlich zu schreiben und auch Antworten - positive wie negative - stehen zu lassen, aufzunehmen und zu integrieren, ist das, was Scobles und Israel als Revolution in der Kommunikation beschreiben.’ (ebd.: 80). 2.3.4, Crowdsourcing: ‘Wikipedia’ ist das erste Stichwort, das meist zum Thema Crowdsourcing fällt. Nicht ohne Grund, denn die Online-Enzyklopädie ist eine Paradebeispiel dafür, was mit Hilfe von Usermassen im Internet erreicht werden kann. Inzwischen gibt es das Online-Lexikon in 260 Sprachen mit über 10 Millionen Artikeln (vgl. Wikipedia Statistics 2011: o.S). Dennoch nutzt Wikipedia nur einen Teil der verschiedenen Crowdsourcing-Möglichkeiten, die das Internet ermöglicht. Da diese Mechanismen auch für die Arbeit auf Facebook ein nützliches Instrument sein können, werden die Potenziale und Bedingungen im Folgenden vorgestellt und erläutert. Aufgrund von technischem Fortschritt sind Transaktions- und Produktionskosten so weit gesunken, dass viele Amateure Zugang zu professionellen Produktionstechnologien erhalten. Damit können Amateure günstig und durch das Internet für alle verfügbar produzieren. Diese Tatsache schaffte die Grundlage für das Crowdsourcing (Im Folgenden: Howe 2010: o.S, eigene Übersetzung). ‘Crowdsourcing ist der Prozess, einen Job, der traditionell von internen Angestellten gelöst wird, zu übernehmen, und ihn nach draußen an eine undefinierte, normalerweise große, Gruppe von Menschen in Form einer offenen Anfrage zu richten.’ Es bietet damit die Möglichkeit, seine Kunden nicht länger nur als Konsumenten zu sehen, sondern sie in die Wertschöpfungskette einzugliedern. Dadurch kann die Innovationskraft erhöht werden. Es entsteht ein Geschwindigkeitsvorteil im Wettbewerb und Kosten können gespart werden. Bleibt die Frage: Was kann den Konsumenten dazu bewegen, diese Arbeit zu übernehmen? Für viele Kunden schafft Crowdsourcing die Möglichkeit, mehr Einfluss auf Trends und Entscheidungen der Unternehmen ausüben zu können (vgl. Janke & Prilla 2008: 132). Die Grundlage des Crowdsourcing bildet die Theorie der ‘Weisheit der Vielen’ von James Surowiecki. Sie besagt, dass ‘eine heterogene Gruppe individuell entscheidender Menschen die Gesamtheit aller möglichen Ausgänge eines Ereignisses eher repräsentieren kann, als einzelne Experten’ (Unterberg 2010: 125). Gruppen sind damit unter bestimmten Bedingungen besser in der Lage, Voraussagen für die Zukunft zu treffen. Als Beispiel dafür führt Surowiecki eine Geschichte von einem englischen Markt an. Dort galt es, das Gewicht eines Bullen zu schätzen. Wer mit seiner Schätzung am Ende des Tages am nächsten am tatsächlichen Gewicht des Bullen lag, hatte gewonnen. Überraschenderweise zeigte sich, dass der Durchschnitt aller Schätzungen fast exakt das richtige Gewicht ergab während keine der Einzeleinschätzungen, auch nicht die von Experten, dazu in der Lage war (vgl. ebd.:125 f.). ‘Eine Gruppe von Menschen arbeitet (jedoch) nur dann erfolgreich als Crowd, wenn es viele unterschiedliche Meinungen in der Gruppe gibt, jedes Gruppenmitglied seine Meinung unabhängig von den anderen einbringen kann, dabei unterschiedliche Erfahrungen und Wissensquellen herangezogen werden können und die Einzelmeinungen zu einer kollektiven Entscheidung zusammen gefügt werden.’ (Unterberg 2010: 125f.) Die Motivation zur Teilnahme an Crowdsourcing-Projekten kann viele Gründe haben. Bei manchen ist es der reine Spaß, andere Projekte locken mit materiellen Vergütungen für die Gewinner. Es kann auch soziale Anerkennung sein oder der Wunsch, sich für einen guten Zweck einsetzen zu wollen. Crowdsourcing kann dabei in verschiedenen Funktionen eingesetzt werden, wie die folgenden drei Beispiele zeigen. Crowd Wisdom: Crowd Wisdom basiert auf dem einfachen Prinzip, dass die Summe der Informationen, die in einer Gruppe vorhanden sind, zu besseren Lösungen in Gruppen führt als Lösungsansätze einzelner Teilnehmer. Der Journalist und Autor des Buches ‘Die Weisheit der Vielen’ (Originaltitel ‘The Wisdom of Crowds’) James Surowiecki betont zwar immer, dass dies nur für bestimmte Aufgabenstellungen funktioniert. Angemerkt sei aber, dass die aus der Sozialpsychologie bekannten Schwächen, die bei Gruppenarbeiten eine Rolle spielen (wie z.B. Koordinations- und Motivationsprobleme), bei Surowiecki keine Beachtung finden. Crowd-Wisdom-Modelle sind Anwendungen, deren Ziel es ist, Entscheidungsprozesse durch die Einbeziehung großer Gruppen, durch Abstimmungs- oder Bewertungsprozesse zu organisieren. Eine weitere Möglichkeit ist es, den Erkenntnisgewinn auf Basis der Verhaltensauswertungen großer Gruppen zu strukturieren oder einfach die Meinung und das Wissen großer Gruppen anzuzapfen. Crowd Creation: Ein T-Shirt designen, eine neue Eissorte erfinden oder die Titelmelodie einer Fernsehsendung komponieren. Bei Crowd Creation überlässt man die Entwicklung von Ideen und Konzepten ganz einfach der Masse. Gelockt wird mit tollen Preisen für die Gewinner und der Möglichkeit für jeden einzelnen, seine Kreativität auszuleben. Eines der erfolgreichsten Beispiele in der jüngsten Vergangenheit war sicherlich die McDonalds-Kampagne. Bei der Aktion ‘Mein Burger’ sollte man einen Burger für McDonalds nach den eigenen Geschmackswünschen zusammenstellen. Per Internetabstimmung wurde dann entschieden, welche Burger es bis in den Verkauf schaffen sollte. Über 115.000 Burger wurden innerhalb von 5 Wochen kreiert. So bekam McDonalds neben der riesigen Vermarktungsmöglichkeit auch noch die Gelegenheitt, aktuelle Geschmackspräferenzen seiner Kunden zu erfahren (vgl. McDonalds 2011: o.S.). Crowdfunding: Über den Einsatz von großen Gruppen können nicht nur Ausgaben gespart, sondern auch Einnahmen generiert werden. So gibt es beispielsweise die Plattform SellaBand, die auf ihrer Webseite Musiker und deren Songs bekannt macht. Die Crowd kauft bei Gefallen Anteile an diesen Bands und wenn genügend Anteile zusammen kommen, wird eine Platte produziert. Der Unterschied zu den herkömmlichen Modellen der Spendenfinanzierung ist, dass die Geber über die Plattform direkt mit ihren Nehmern in Verbindung treten können. Das Crowdsourcing bietet verschiedene Möglichkeiten der Arbeit. Bei manchen Plattformen wie beispielsweise der Fotoplattform Flickr werden lediglich Inhalte bereitgestellt, die dann auch geteilt werden können. Bei Facebook kommt der Crowd eine deutlich größere Bedeutung zu. Dies lässt sich am Stugeon-Gesetz verdeutlichen. Darin geht es um die Frage, was zu tun ist, wenn 90 Prozent aller Beiträge schlecht sind. Wie ist es dann möglich die relevanten 10 Prozent aufzuspüren? Ganz einfach: Indem man die Crowd die Auswahl treffen lässt (vgl. Howe 2008: 222). Dadurch entsteht ein echter Mehrwert, denn die Crowd filtert nicht nur, sie sortiert und kommentiert auch, wodurch etwas Neues, potenziell Besseres entstehen kann. Immer vorausgesetzt, die technischen Möglichkeiten werden durch die Plattform zur Verfügung gestellt. Für die untersuchten Radiosender bietet das Prinzip Crowdsourcing vielfältige Möglichkeiten, die bisher weitestgehend ungenutzt bleiben. So könnten sie, ähnlich wie bei der ‘Mein Burger’-Kampagne von McDonalds die Wünsche der Crowd nutzen und beispielweise eine eigene Musikauswahl zusammenstellen lassen. Dass Musiktitel zuvor von Testhörern bewertet werden, geschieht schon seit langer Zeit. Was aber bisher über teure Markforschungsinstrumente geschieht, könnte so zum Teil ganz einfach selbst herausgefunden werden. Auch für die redaktionelle Arbeit gibt es Chancen, die Hörerschaft einzubinden. Fragen, die sich Redaktionen fast täglich stellen, wie ‘Welche Themen interessieren meine Hörer?’ oder ‘Gefällt meinen Hörern unser neues Konzept?’ können direkt und unmittelbar abgefragt werden. Facebook bietet dafür neben den herkömmlichen Postings ein spezielles Werkzeug, mit dem ganz einfach Umfragen erstellt werden können. Erfahrungsgemäß ist die Beteiligung an diesen Umfragen um ein Vielfaches höher als die Partizipation bei herkömmlichen Postings. Das Crowdfunding bietet Möglichkeiten für neue Erlösmodelle, um - speziell für die privaten Sender - unabhängiger von den Werbeeinnahmen zu werden. Eine daraus abgeleitete Idee für die Sender könnte sein, dass sie den Hörern Reportagethemen vorschlagen, in einem Voting darüber abstimmen lassen und sie dann über kleine Beträge an den Kosten der Produktion beteiligen.
Diplom Journalist (Univ.) Nico Brugger wurde 1986 in Friedrichshafen am Bodensee geboren. Nach seinem Abitur am Wirtschaftsgymnasium arbeitete er zunächst ein halbes Jahr beim Lokalradio als Außenreporter bevor er 2007 ein Journalistik-Studium an der Universität Eichstätt-Ingolstadt begann. Während seiner Studienzeit durchlief der Autor das Programm der Journalistischen Nachwuchsförderung der Konrad-Adenauer-Stiftung und wurde dort durch ein Stipendium weiter gefördert. Diese multimediale Praxisausbildung lieferte auch den Grundstein für seine Faszination für soziale Netzwerke. Neben seiner Arbeit als freier Journalist beim Bayerischen Rundfunk und Radio7 widmete er sich vor allem der Frage wie Journalisten Facebook als neuen Kanal am besten nutzen können. Heute entwickelt der Autor Konzepte für Unternehmen, die soziale Netzwerke als Chance zur Kommunikation begriffen haben und hält Vorträge über die Gefahren und Chancen im Web 2.0.
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