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Kunst & Kultur

Julia Stubenböck

Erzählstrategien im Reality-TV: Wie RTL & Co uns Geschichten erzählen

ISBN: 978-3-8428-9527-0

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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 04.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 116
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Warum lieben wir Reality-TV? Warum werden Sendungen wie 'Familien im Brennpunkt', 'Deutschland sucht den Superstar' oder 'Bauer sucht Frau' immer wieder stark kritisiert? Und warum können sie - aller negativen Stimmen zum Trotz - extrem hohe Einschaltquoten aufweisen? Die Autorin gibt Antworten auf diese Fragen. Neben einem theoretischen Teil, der sich mit dem Konzept von Fernsehen sowie mit dem Format 'Reality-TV' an sich auseinandersetzt, zeigt die Autorin am Beispiel einer bekannten deutschsprachigen Dokusoap die in den Formaten verwendeten Erzählmuster auf und erläutert, auf welche Weise Strategien wie 'Dramatisierung' oder 'Stereotypisierung' konkret umgesetzt werden. Darüber hinaus wird der Frage nachgegangen, welche Zuschauergruppen mit den Sendungen angesprochen werden sollen und wie die Sendungen gestaltet sein müssen, um für die verschiedenen Zielgruppen attraktiv zu sein. Das Buch bietet eine differenzierte Sicht auf Reality-TV-Formate und lädt ein, Reality-TV mit anderen Augen zu sehen.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3. Analyse von 'Mitten im Leben!': Der Hauptteil dieses Buchs widmet sich nun einer speziellen Sendung des Realitätsfernsehens, nämlich 'Mitten im Leben!'. 'Mitten im Leben!' ist eine 45-minütige Sendung, die von Montag bis Freitag dreimal täglich auf RTL ausgestrahlt wird. Sie wird von unterschiedlichen TV-Produktionsfirmen produziert und ist seit dem 5. Mai 2007 auf Sendung. Unter den 14- bis 49-Jährigen erreichte die Sendung 2011 einen durchschnittlichen Marktanteil von 24 %. Die Sendung wurde für die vorliegende Untersuchung ausgewählt, weil sie ein 'Urgestein' der deutschsprachigen Reality-TV-Formate ist: Sie ist bereits seit über fünf Jahren auf Sendung und kann noch immer hohe Einschaltquoten aufweisen. Anhand einer Analyse eines Corpus, bestehend aus acht Sendungen, sollen die Charakteristika des Formats und die verwendeten Erzählstrategien herausgearbeitet werden. Da es sich bei 'Mitten im Leben!' um eine Dokusoap handelt, wird im Vorfeld der Analyse der Begriff diskutiert. Für die Analyse wurden stichprobenartig über den Zeitraum von 08.03.2012 bis 04.06.2012 einzelne Folgen aus der Mediathek des Senders (RTLNow) ausgewählt und im Detail betrachtet. Dabei wurden die Sendungen in Hinblick auf die Umsetzung der von WEGENER für Reality-TV-Formate definierten Strategien untersucht: (a) Emotionalisierung und Dramatisierung, (b) Alltagsbezug und Authentizität, (c) Personalisierung und Intimisierung und (d) Stereotypisierung und Simplifizierung. Die Analyse erfolgte dabei auf drei Ebenen: (1) Die Handlung jeder Szene wurde systematisch paraphrasiert. Besonders wichtige Aussagen der Personen wurden wörtlich zitiert, ebenso alle Aussagen der Erzählerin (ab S. 55). Gleichzeitig wurde untersucht, wie (2) die Bildebene und (3) die Tonebene in Form von begleitender Musik den Aussagen zuarbeiten. Von besonders aussagekräftigen und markanten Bildern wurden Screenshots erstellt. Die Ergebnisse wurden anschließend ausgewertet und werden nun in den einzelnen Kapiteln vorgestellt. 3.1, Die Dokusoap - Eine kurze Eingrenzung: Die Dokusoap ist ein sehr beliebtes Format des Reality-TV. Sie ist besonders eng verwandt mit der Realitysoap. Wie auch bei vielen anderen Formen des Reality-TV stehen 'normale' Menschen im Zentrum der Aufmerksamkeit. Während aber bei den Dokusoaps die Kamera diese Menschen in ihrem Alltag begleitet, werden bei Realitysoaps ebenfalls 'normale' Menschen in eine künstliche Umgebung versetzt. Anders ausgedrückt: Im Fall der Docu Soap kommt das Kamerateam zum Menschen, im Fall der Reality Soap der Mensch zum Kamerateam - dennoch sind die Ziele des Kamerateams in beiden Fällen ähnlich. Der Begriff 'Real Life Soap' verdeutlicht, worum es in ihnen gehen soll: um die Darstellung des 'wirklichen, realen Lebens' mit dramaturgischen Mitteln, die denen einer Soap ähnlich sind. Unter einem bestimmten Thema begleiten Dokusoaps Menschen in ihrem Alltag. Das Thema gibt dabei den Rahmen vor - wie etwa bei der bereits erwähnten Sendung 'Teenager werden Mütter', bei der das Thema 'Jugend und Schwangerschaft' im Zentrum steht. Bei der Themenwahl spielt vor allem die Zuschauerakzeptanz eine große Rolle. Die Dokusoap vereint Elemente von Dokumentarfilmen mit Strukturen der Soap-Opera: Eine Off-Stimme kommentiert das Geschehen und gibt der Handlung, falls nötig, einen roten Faden. Interviewsituationen erinnern ebenfalls an Filme des Dokumentargenres, aber auch an Talkshows. Aus der Soap werden die feste Dramaturgie sowie Strategien wie Cliffhanger oder parallele Handlungsstränge übernommen (sehr oft wird nicht nur eine Person oder Familie begleitet, sondern mehrere, deren Geschichten abwechselnd gezeigt werden). Am Verhältnis der Sendung zur 'Welt' macht KRÜGER vor allem den Unterschied zwischen Dokumentation und Dokusoap fest: auch wenn die Dokusoap mit Mitteln des Dokumentarfilms arbeitet, fehlt den Sendungen ein Bezug zu einem medienexternen Ereignis, das wegen seiner öffentlichen Bedeutung zu journalistischer Berichterstattung führt. Bei der Dokumentation hingegen gibt es einen Anlass, einen öffentlichen Aspekt, der eine Verarbeitung in eine Dokumentation zur Folge hat. Dokusoaps sind dabei ein Ergebnis des allgemeinen Trends der tendenziellen Verspielfilmung. Die Tendenz, auch in klassischen Dokumentarfilmen erzählende Momente einfließen zu lassen, ist international: Ob bei der BBC oder im ZDF - die Zusammenarbeit mit Drehbuchautoren sowie Schulungen in story-telling werden immer wichtiger. Ziel dieser Änderungen ist eine Emotionalisierung der Stoffe, die in der Dokusoap einen vorläufigen Höhepunkt erreicht, denn hier steht das Erzählen im Vordergrund: Die Erzählstruktur wird über den Stoff gelegt, der Stoff hat sich dieser Struktur anzupassen. Die Sendungen werden regelmäßig ausgestrahlt, sie weisen also eine serielle Struktur auf. Dabei kann jede einzelne Folge in sich abgeschlossen sein - der serielle Charakter ergibt sich dann aus dem gleichbleibenden Sendeplatz, Titel, Titelmelodie und gleichbleibenden Gestaltungs- und Strukturelementen der einzelnen Sendungen. Sehr oft aber werden mehrere Personen über mehrere Folgen und damit über einen längeren Zeitraum begleitet. Dokusoaps sind, im Gegensatz zu anderen Reality-TV-Formaten, nicht den Privatsendern vorbehalten. Gerade in der Anfangsphase um 1998 liefen viele verschiedene Ausgestaltungen im WDR, BR, auf ZDF und auch auf dem Kultursender ARTE. Diese waren im Gegensatz zu vielen Sendungen der Privatsender aufwendig produziert und eine journalistische Vorgehensweise garantierte die Qualität der Sendungen. Mehr und mehr aber werden Dokusoaps eine Spezialität der Privatsender. Dennoch werden die Dokusoaps wohl auch bei den öffentlich-rechtlichen Sendern nicht ganz verschwinden, wie MARTINA ZÖLLNER vom SWR meint: Wo der große Dokumentarfilm formal und inhaltlich zuweilen das Besondere suchen muss, eignet sich der dokumentarische Mehrteiler für die kleinen Geschichten, die das Leben schreibt - und die trotzdem voller Dramatik sind. Die Helden der Doku-Serie sind die Helden des Alltags, damit Identifikationsfiguren.

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