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Kunst & Kultur

Wolfgang Bremer

Erich Kästners große 20er Jahre. Gebrauchslyrik und Gebrauchsroman

ISBN: 978-3-95934-987-1

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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 10.2016
AuflagenNr.: 1
Seiten: 104
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Erich Kästner hat neunzehn Kinderbücher, einige Romane für Erwachsene, Kabaretttexte, journalistische Arbeiten und eine Vielzahl an Gedichten geschrieben. In diesem Buch geht der Literaturwissenschaftler und Autor Kästners Lyrik der Jahre 1928 bis 1932 auf die Spur und vergleicht die Gedichte mit dem 1931 erschienenen Roman Fabian. Die Geschichte eines Moralisten . Beide, Lyrik wie Roman, sind bedeutende Beispiele für die Literatur der Weimarer Republik und für die Neue Sachlichkeit. Die in beiden Werken verarbeiteten Themen spannen das gesamte Kaleidoskop des damaligen Lebens während der Weltwirtschaftskrise und am Vorabend der Nazi-Diktatur auf, insbesondere das der neu entstandenen Schicht der Angestellten, die erst ihre gesellschaftliche Rolle finden mussten. Spannend, die damalige Zeit erhellend, und gnadenlos aktuell.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel: Eine besondere Beziehung – Der Roman Fabian und die Gedichte: Solange es Kästners Roman Fabian gibt, wird auf die Beziehungen zu dessen Lyrik hingewiesen. Der jüdische Schriftsteller Robert Neumann, dessen Bücher wie die von Kästner von den Nationalsozialisten verboten wurden, sprach schon 1931 in einer Parodie auf Kästner von dem Fabian als von zu Prosa gewalzten Kästnergedichten . Die Germanistin Renate Benson bemerkt, dass viele Gedichte schon Themen des Fabian vorweg nehmen würden und Helmut Kiesel stellt fest, dass der Fabian stilistisch und inhaltlich auf der zuvor verfassten 'Gebrauchslyrik' aufbaut und bezeichnet den Roman als Imitation der Gedichte . Diese exemplarischen Aussagen sollen für alle übrigen stehen. Trotz dieser vielfach angebrachten Feststellungen gibt es aber bisher keine Untersuchung, die einen detaillierten Vergleich zwischen der Lyrik und dem Roman anstellt und herausarbeitet, welche Bedeutung die Kenntnis der Gedichte für eine Beurteilung des Romans hat. Am weitesten ist Dirk Walter in seiner Untersuchung Zeitkritik und Idyllensehnsucht gegangen. Er zieht den Fabian laufend hinzu, um Erich Kästners politische und weltanschauliche Positionen zu bestimmen, er benennt einige Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Lyrik und Roman, geht diesen Beziehungen dann aber nicht weiter nach. Er beschränkt sich darauf, einige Aspekte des Romans zu beschreiben, wie die Wirkungsintention und Fabians Traum. Ich stelle im folgenden die Beziehungen zwischen der Lyrik und dem Roman im einzelnen heraus und interpretiere den Fabian aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse im darauf folgenden Abschnitt. Episoden über Episoden – Der Aufbau von Roman und Lyrik: Der Roman Fabian ist aus einer Vielzahl von Einzelepisoden zusammengesetzt. Der Held Jakob Fabian wird von einer zur nächsten getrieben. Sinn dieser Aneinanderreihung ist es, die Großstadt in ihrer Fülle von Möglichkeiten möglichst weitgehend darzustellen. Dazu gehört eine Schilderung der Vergnügungszentren der Stadt genauso wie die des kleinbürgerlichen Nordens sowie des Westens der Stadt mit den Villen der reicheren Gesellschaftsschichten. Der Held des Romans ist ein junger Intellektueller mit dem Namen Jakob Fabian. Dieser verkörpert nicht unbedingt ein Individuum, sondern vielmehr eine gesellschaftliche Schicht, nämlich die der ökonomisch ungesicherten und politisch nicht parteigebundenen Intelligenz . Der Ablauf des Romans erscheint teilweise etwas zufällig und unmotiviert. Dirk Walter spricht von einer vorhandenen gestalterischen Not , die zum Beispiel in den vielen Einladungen spürbar werde. Dem ist entgegenzuhalten, dass diese rasche Abfolge andererseits die Hektik und Geschwindigkeit der Großstadt aufzeigen soll und dies auch vollbringt. Das Aufeinanderfolgen der einzelnen Episoden würde weniger gewollt erscheinen, wären die Erlebnisse auf mehrere Fabiane verteilt, etwa im Stil der Romane Manhatten Transfer von John Dos Passos oder Käsebier erobert den Kurfürstendamm von Gabriele Tergit, die beide der gleichen Zeitperiode entstammen (1925 bzw. 1931). Diese beiden Romane, deren Aufbau und Stil an die Technik des Films erinnern, bewerkstelligen es, nebeneinander mehrere Hauptpersonen zu verfolgen. Mit Hilfe einer vergleichbaren Technik wäre es auch möglich gewesen, mehrere gesellschaftliche Schichten authentisch darzustellen, so wie Kästner es in seiner Lyrik versucht hat. Das ist bei dem für den Fabian gewählen Format so nicht möglich. Auch wenn beim Roman Fabian durchaus eine Ähnlichkeit mit einem Film vorhanden ist. Der Wiener Kabarettist Werner Schneyder hat in seinem Kästner-Buch Erich Kästner. Ein brauchbarer Autor darauf hingewiesen, wenn er sagt, das Buch ist gebaut wie ein Film, ist eigentlich ein verkapptes Filmbuch . Umso erstaunlicher ist es, dass es bis zu dem Jahr 1979 gedauert hat, bis das Buch verfilmt wurde. Kästner wollte aber die Großstadt aus der Sicht eines Mannes darstellen und dessen Entwicklung beschreiben. Aus diesen Einzelepisoden, die Fabian – und teilweise sein Freund Labude – durchleben, setzt sich ein umfassendes Zeitbild zusammen. Seinen Freund Labude kann man als zweites Ich Fabians bezeichnen, das andere Lebensmöglichkeiten des Intellektuellen ausprobiert, wie zum Beispiel eine akademische Laufbahn, die Übernahme politischer Aktivitäten und den Selbstmord als letzten Ausweg. Kurt Beutler bezeichnet Fabian und Labude als zwei Varianten einer Konzeption . Man möchte daran anschließen: zwei Varianten möglicher Lebensauffassungen des Autors Erich Kästner. Ähnlich verhält es sich mit den Gedichten. In ihnen werden, wie oben beschrieben, viele Aspekte des Großstadtlebens dargestellt. Im einzelnen Gedicht jeweils kleine überschaubare Ausschnitte des Lebens. Sie wirken aber erst richtig zusammen gesehen: Die Menge tut es. Das sind keine einzelnen Gedichte mehr, das sind Kollektionen von Gedichten, die zur Biographie ganzer Klassen und Schichten von Deutschen gehören. Hier ist anzumerken, dass die vier Lyrikbände vom Aufbau her keine großen Unterschiede aufweisen. In allen vier Sammlungen sind die Themen bunt gemischt, auch stilistisch sind keine Unterschiede auszumachen. Weltanschauliche Differenzierungen sind nicht vorhanden. Als Ganzes gesehen liefern die Gedichte ein vielschichtiges Gemälde der Zeit, das noch weitergeht als der Fabian. Während in diesem die alleinige Sichtweise der Intellektuellen zum Ausdruck gebracht wird, kommt in den Gedichten, wie oben dargestellt, mit Hilfe der Rollenlyrik gleichfalls die Sichtweise anderer Gesellschaftsschichten zur Sprache.

Über den Autor

Wolfgang Bremer, 1959, lebt in Hamburg. Er schreibt Sachbücher, Geschichten, Romane und Reiseberichte, die er auch öffentlich, unter anderem gemeinsam mit der seit 2003 bestehenden Hamburger Schreibgruppe Die Einseitigen , vorträgt. Außerdem hält er zusammen mit unterschiedlichen Musikern verschiedene Themenabende (z. B.: 70er-Jahre, Kelten, Bretagne, Asterix, Jakobsweg und Erich Kästner) in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. In den 80er-Jahren studierte der Autor Literaturwissenschaft an der Universität Hamburg. Aus dieser Zeit stammt auch das Interesse an Erich Kästner und die Basis für dieses Buch. Als Coach in Seminaren und Workshops unterstützt er seine Teilnehmer dabei, die eigene Kreativität zu entdecken und zu leben (www.nebenher-kreaktiv.de). Der Autor ist als Personalchef tätig. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder, eine Katze, eine Klarinette, fünf Fahrräder und viele Bücher.

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