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- Einmal Hamburg - Mainz und zurück. Auf den Spuren meiner Vergangenheit
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 04.2019
AuflagenNr.: 1
Seiten: 104
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Es ist die Geschichte meines Lebens und zugleich die Geschichte meiner Familie, verknüpft mit zeitgeschichtlichen Aspekten. Über das persönliche Erleben hinaus sind die Aufzeichnungen ein Spiegelbild sich wandelnder Zeiten und damit Dokumente von allgemeiner Bedeutung. Auch wenn in der Rückschau das Erlebte einzuordnen nur ein Versuch bleibt und lediglich Augenblicke beschrieben werden, so waren es doch politisch spannende Nachkriegsjahre, in die ich hineinwuchs und die mich prägten. Viele machten keinen Hehl aus ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit. Die Nazis waren allgegenwärtig und der braune Geist war noch Jahre später in unseren Klassenräumen zu spüren. Das Wissen um diese Zeit möchte ich gern weitergeben.
Textprobe: Bundeswehr und Studium: Bereits im September 1963 war ich gemustert worden. Damals galt die allgemeine Wehrpflicht für Männer vom vollendeten 18. Lebensjahr an. Sie bestand seit 1956 und war bis 2011 allgemein verpflichtend. Ich war auf Tauglichkeitsgrad zwei gemustert, wie es im Amtsdeutsch hieß, also nicht geeignet beispielsweise für Kampfschwimmer, Panzer- und Flugzeugführer. Aber auch die anderen Truppenteile konnten mich nicht begeistern. Ich hatte absolut kein Interesse daran, mein Vaterland mit der Waffe zu verteidigen. Das gesetzlich geschützte Recht auf Wehrdienstverweigerung stand bei mir, im Gegensatz zu meinem Bruder, irgendwie nicht zur Diskussion. Ich wollte bei Sylvia bleiben, die inzwischen nach Hamburg in unsere Nähe gezogen war, um hier ihre Ausbildung als Fremdsprachenkorrespondentin zu beginnen. Trotz des ärztlichen Gutachtens eines Orthopäden, der mir Knick- und Spreizfüße attestierte und einer Empfehlung der Hamburger Gesundheitsbehörde, aus der hervorging, dass ich TBC familiär vorbelastet sei und es sich deshalb empfehlen dürfte, besondere körperliche Strapazen während des Wehrdienstes zu vermeiden , bekam ich 1970 den Einberufungsbescheid, dass ich als Reservist im Spannungs- oder Verteidigungsfall zum zeitlich unbegrenzten Wehrdienst einberufen werde , als ein sog. mob - eingeplanter Reservist (MOB= Mobilmachung). Weiter hieß es dort: Für den Verteidigungsfall sind Sie der Einberufungsgruppe III zugeteilt. Diese Einberufungsgruppe wird voraussichtlich erst einige Zeit nach Verkündung des Verteidigungsfalles durch die Bundesregierung über Presse, Rundfunk oder Plakatanschlag öffentlich aufgerufen. Sie werden aufgefordert, sich nach ergangenem Aufruf zu dem bekanntgegebenen Zeitpunkt in Itzehoe-Nord, Kr. Steinburg, Freiherr von Fritsch-Kaserne zum unbefristeten Wehrdienst gemäß § 4 Abs.1 Nr. 3 des Wehrpflichtgesetzes (WPflG) zum Diensteintritt zu stellen. Zwei Jahre später wurde der Einberufungsbescheid für den Verteidigungsfall aufgehoben. Wollte man mich nicht wegen der Knickfüße oder gab es zu viele Wehrpflichtige meines Jahrgangs? Ich werde es nie erfahren. Eigentlich ist es mir auch egal. Nach dem Abitur hatte ich den Wunsch, in die Fußstapfen meiner Eltern zu treten, also Medizin zu studieren. Es kam alles ganz anders. Als Medizinstudent konnte man gemäß Wehrpflichtgesetz in Verbindung mit der Musterungsverordnung vom Wehrdienst zurückgestellt werden, musste jedoch für jedes Semester eine Studienbescheinigung beibringen. Leider hatte ich nicht die entsprechenden Zeugnisnoten, um sofort mit dem Medizinstudium beginnen zu können. Um die Zeit bis zur Zulassung zu überbrücken, zog ich das Studium der naturwissenschaftlichen Fächer Botanik, Physik, Zoologie und Chemie vor. Heute wie damals musste man einen Notendurchschnitt im Abitur von 1,0 haben, um sich sofort dem Studium der Medizin widmen zu können. Im Oktober 1965, nach etwa einem halben Jahr Wartezeit, bekam ich dann die Zulassung zum Medizinstudium und durfte ziemlich bald die faszinierende Welt des menschlichen Körpers im Präparierkurs entdecken. Leider waren die naturwissenschaftlichen Fächer nicht gerade mein Renner. Mit Chemie konnte ich mich noch anfreunden die anderen Fächer waren lernmäßig der blanke Horror. Und so kam es wie es kommen musste: mit Pauken und Trompeten fiel ich auch beim zweiten Mal durch die naturwissenschaftliche Vorprüfung. Damals gehörte noch zum Studienablauf der Humanmedizin das Vorphysikum. Es gab nichts zu beschönigen. Noch kurz zuvor hatte man mir im Zeugnis über die Teilnahme am Krankenpflegedienst bescheinigt, dass ich eine gute Veranlagung für den ärztlichen Beruf hätte. Doch es hatte nicht seien sollen. Ich glaube, ich war bis dato unfähig, systematisch zu arbeiten. Und gerade als Einzelkämpfer, der ich einer war, hatte ich beim Studium dieser Fächer keine Chance. Für mich war es die Begegnung der dritten Art, als ich meine schwer kranke Großmutter im Allgemeinen Krankenhaus Wandsbek besuchte und dort auf Ärzte traf, die mit mir das Medizinstudium angefangen hatten und jetzt approbiert waren. Man kann sich kaum vorstellen, wie ich mich gefühlt habe. Ich stand auf der Seite der Verlierer. Mein Selbstwertgefühl lag am Boden. Es hat lange gedauert, bis ich selbstbewusst genug war, diese Schmach zu überwinden. Während meines Krankenpflegepraktikums im Allgemeinen Wandsbeker Krankenhaus 1966 lernte ich den dortigen Assistenzarzt und Jazztrompeter Abbi Hübner kennen, den Leiter der Low down Wizards , eine der ältesten Jazzbands in Hamburg. Wir haben damals ihn und seine Band in der ehemaligen Altonaer Fischauktionshalle begeistert zugehört. Heute, mit über 85 Jahren, soll Abbi Hübner immer noch aktiv sein. Häufiger waren Sylvia und ich im legendären Star-Club auf der Reeperbahn, der Wiege des Rocks außerhalb der USA, wie es damals hieß. Fast alle bekannten Bands nahmen hier im Star-Club ihren Anfang. Die Auftritte der Beatles aus dem Anfang der sechziger Jahre haben wir leider nicht mehr erlebt, dafür aber die Liverpooler Gery and the Pacemakers, die mit dem Mersey Sound eine ähnliche Musikrichtung vertraten wie die Beatles. Zu unseren beliebtesten Band gehörten weiter The Rattles mit Achim Reichel und Tony Sheridan. Damals gab es noch strenge Kontrollen im Star-Club. Um 22 Uhr mussten die Jugendlichen, die noch nicht volljährig waren, die also das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, den Club verlassen. Erst 1974 beschloss der Bundestag, die Altersgrenze zur Volljährigkeit von 21 aus 18 Jahre herabzusetzen. Während des Studiums hatte ich zur Aufbesserung meines Taschengeldes hin und wieder gejobbt. Arbeitsvermittler war der Allgemeine Studentenausschuss der Universität Hamburg. Dabei fällt mir spontan die Arbeit in einer Lagerhalle im Hamburger Stadtteil Veddel ein. Die Veddel war früher ein Teil des Hamburger Freihafens. Hier musste ich mit einem Sackhaken schwere Jutesäcke aus dem Inneren eines LKWs auf eine Sackkarre wuchten und in den Schuppen bringen. Es war harte Arbeit und am Abend spürte ich jeden Knochen. Sehr gut bezahlt wurde das Aufstellen und Abbauen von Messeständen in Planten und Blomen. Den interessantesten Job allerdings hatte ich im Postfach- und Verwaltungsdienst der Deutschen Bundespost. Meine Beschäftigung begann im damaligen Postscheckamt am Rödingsmarkt im Zentrum von Hamburg. Per Rohrpost wurden Schecks und Überweisungen aus der Schalterhalle nach oben in einen großen Saal verschickt. Meine Aufgabe war es nun, die Dokumente auf bestimmte Arbeitsplätze zu verteilen. Hier saßen etwa einhundert weibliche Angestellte. Vor nicht allzu langer Zeit war die mit Druckluft verschickte Rohrpost der schnellste Weg, Dokumente zu verschicken. Heute ist diese Art der Beförderung weitgehend vergessen. Die Post beschäftigte mich dann weiter als Briefträger für einen Bezirk in Hamburg-Wandsbek. Der Dienst auf dem Postamt begann um 5 Uhr morgens. Briefe und Karten wurden dort nach Straßen sortiert und in die Packtaschen nach der Reihenfolge des Zustellens eingeordnet. Damals brachte der Briefträger noch am Monatsende die Rente für den darauffolgenden Monat ins Haus, für die der Zusteller dann häufig ein kleines Trinkgeld bekam. Unangenehme Bekanntschaften mit Hunden führten dazu, dass sich mein Angst vor ihnen nur noch verstärkte, obwohl wir Briefträger zur Eigenverteidigung ein Hundespray mitführten und eine Zustellung bei Gefahr für Leib und Leben nicht erforderlich war. Die betroffenen Einwohner mussten dann eigenhändig ihre Post abholen. Das Medizinstudium konnte ich also vergessen, einen erneuten Versuch gab es nicht.
Detert Zylmann wurde 1944 in Hamburg geboren. Nach dem Studium der Vor- und Frühgeschichte promovierte er 1980 in Mainz und übernahm 1983 die Stelle eines wissenschaftlichen Mitarbeiters bei der dortigen Archäologischen Denkmalpflege. Seit dem Eintritt in den Ruhestand 2009 beschäftigt sich der Autor intensiv mit der umfangreichen Familiengeschichte. Nach dem Tod seiner Ehefrau 2018 zog er wieder zurück nach Hamburg zu seinen zwei erwachsenen Töchtern.
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