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- Die TV-Serie im Zeitalter der digitalen Globalisierung
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 11.2009
AuflagenNr.: 1
Seiten: 88
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Die modernen Reproduktionstechnologien und die Vernetzung der Welt mit Glasfasertechnologie hatten zwei wichtige Konsequenzen zur Folge: Zum einen stiegen (und steigen) die Übertragungsraten von Daten, so dass immer größere Dateien immer schneller ausgetauscht werden können, zum anderen ist eine digitale Kopie im Gegensatz zur analogen Kopie praktisch keinem qualitativen Verlust mehr ausgesetzt, was die Reproduktionskette theoretisch ins Unendliche steigen ließ. Dieser technische Fortschritt führte dazu, dass TV-Serien aus ihrem Schattendasein als sekundäres TV-Produkt heraustreten konnten und einen regelrechten Siegeszug im vergangenen Jahrzehnt starteten. Durch eine permanente Verfügbarkeit im Netz, kann der Zuschauer keine Episode seiner Lieblingsserie mehr verpassen. Er kann dem Handlungsverlauf also chronologisch, ohne Unterbrechung folgen, was zur Folge hatte, dass die Erzählstrukturen von TV-Serien sich von ihrer primär episodischen Dramaturgie lösen konnte. Die Handlung von TV-Serien wurde somit komplexer. Mehr Figuren verursachen kompliziertere Handlungsstränge. Dieser Siegeszug ließ gleichzeitig die Budgets von TV-Serien (hauptsächlich in den USA) steigen, was die Ästhetik dem Look eines Kinofilms anglich. Im Gegensatz zum Kinospielfilm haben TV-Serien wesentlich mehr dramaturgische Fähigkeiten, weil sie nicht dem klassischen Handlungsverlauf eines Spielfilms folgen müssen. Tatsächlich ähnelt die Dramaturgie einer modernen TV-Serie eher der eines epischen Romans. Alles in allem ließ der technologische Fortschritt die TV-Serie zum überwiegend rezipierten Medienprodukt im TV weltweit werden. Zuletzt wird in der vorliegenden Studie überprüft, inwiefern sich der Wandel der Technologie auf die Wahrnehmung der sprachlichen Originalfassung im Gegensatz zur Synchronfassung auswirkt. Ist es aus medientheoretischer Sicht überhaupt sinnvoll, von einer Synchronfassung zu sprechen oder sollte eine Übersetzung eher Adaption genannt werden? Es ist anzunehmen, dass sich der Prozess der Globalisierung auch auf der sprachlichen Ebene durchsetzen wird, so werden in wenigen Jahren mehr Chinesen englisch sprechen können als es Amerikaner gibt. Was hat das für Folgen für eine Synchronfassung und den entsprechenden Wirtschaftsmarkt ?
Textprobe: Kapitel II.1, Digitale Reproduktion: Unter all den Errungenschaften, welche die digitale Technologie dem Menschen schenkte, ist vor allem eine für den Markt für audiovisuelle Medien von besonderer Bedeutung: die der praktisch verlustfreien Reproduktion. Durch die Zerlegung und Zuordnung jeglicher Art von Information (ob visueller oder akustischer) in binäre Einzelteile, kann jede Information beliebig oft reproduziert werden. Und da die Erstellung eines digitalen Duplikats durch entsprechende Programm-Algorithmen immer auch einem Prozess der Fehlerkorrektur unterworfen ist, kann man davon ausgehen, dass die digitale Reproduktion praktisch vollkommen verlustfrei ist. Durch die Zerlegung in einzelne und beliebig oft reproduzierbare Teile ist es darüber hinaus möglich, die Reproduktion von Informationen von ihren bisherigen Abhängigkeiten von physisch unmittelbarer und zeitlich kontinuierlicher Übertragung herauszulösen. Waren früher also immer zwei direkt miteinander verbundene Datenträger, die simultan laufen mussten, für einen Reproduktionsprozess notwendig, um eine ununterbrochene Kopie herzustellen, so sind die Reproduktionsprozesse heute zeitlich und räumlich unterbrechbar , ohne Zäsuren oder qualitative Verluste zu erleiden. Wollte man in der Zeit vor den digitalen Möglichkeiten als Privatkonsument zum Beispiel eine auf VHS aufgezeichnete Folge einer TV-Serie kopieren, so brauchte man zunächst die VHS-Kassette mit der aufgezeichneten Sendung, eine zweite bespielbare (leere oder überspielbare) Kassette, ein VHS-Abspielgerät und ein VHS-Aufnahmegerät. Die Kopie verlor bei diesem Reproduktionsprozess bereits zum zweiten Mal an Qualität (das erste Mal bereits bei der Aufzeichnung der TV-Ausstrahlung). Wurde der Reproduktionsvorgang einmal unterbrochen, befand sich an dieser Stelle zwangsläufig eine Zäsur, egal wie präzise man später ansetzte. Mit jeder weiteren Kopiegeneration wurde die Bild- und / oder Tonqualität schlechter, so dass allein aus qualitativer Sicht die Reproduktionskette irgendwann abbrechen musste, weil die Kopien unbrauchbar (unrezipierbar) wurden. Außerdem musste der Übertragungskanal die gleiche Menge an Daten zur gleichen Zeit übertragen können wie die Datenträger übermittelten (Datenrate). Wurde der Kanal kleiner, wurde die Qualität automatisch schlechter. Eine VHS-Kopie, die mittels einem Basisband-Koaxialkabels übertragen wurde, war zum Beispiel schlechter als eine Kopie, die per Breitband S-Video Kabel übertragen wurde. Heutzutage braucht man für die Reproduktion einer in digitaler Form vorliegenden Episode einer beliebigen TV-Serie nur noch einen Prozessor, der die Reproduktion durchführt. Theoretisch kann man so auf ein und demselben Datenträger beliebig viele Kopien von derselben Folge erstellen (bis der Datenträger voll ist), ohne einen zweiten Datenträger zusätzlich zu benötigen und ohne auch nur den geringsten Qualitätsverlust zu erleiden. Der Reproduktionsvorgang kann zudem (mit entsprechender Software) an beliebiger Stelle abgebrochen und fortgeführt werden, ohne dass man später einen Unterschied bemerken könnte (über Download-Management-Software werden auf diese Weise schließlich fast alle Downloads durchgeführt). Mit der Zerlegung ist es auch nicht mehr notwendig, die gleiche Datenmenge synchron zu übertragen, weshalb auch Übertragungswege mit geringen Übertragungsraten für große Datenmengen genutzt werden können. So wäre es mit genügend Zeit theoretisch möglich, auch über einen sehr langsamen Internetanschluss einen Kinospielfilm in High-Definition-Qualität zu senden. Kurz: Sämtliche an analoge Reproduktionstechnologien gebundene Einschränkungen, die dazu führten, dass die Qualität von Kopien bei dem Übertragungsprozess abnahm, wurden von der digitalen Technologie aufgehoben. Doch nur weil mittlerweile eine verlustfreie Reproduktion möglich ist, bedeutet dies nicht automatisch, dass diese auch angewendet wird. Wie immer gibt es einen Unterschied zwischen Theorie und Praxis. Denn um Übertragungszeit oder Bandbreite zu sparen, wenden viele Nutzer Komprimierungstechnologien an. Bei einer solchen Komprimierung wird entweder an der Auflösung oder an der Darstellungsgröße gespart. Dies führt im Vergleich mit der Originaldatei zu einem messbaren Qualitätsverlust. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn Nutzer schlechte Komprimierungstechnologien verwenden oder nur wenig Erfahrung mit Komprimierungstechnologien haben und deshalb schlechte Komprimierungen herstellen. Welche Art der Komprimierung gewählt wird und welcher Verlust dabei hingenommen werden muss, hängt in der Regel davon ab, wofür oder womit die Datei genutzt werden soll. Doch da Speicherkapazitäten, Rechenleistungen und Übertragungsraten sich permanent steigern, wird der Faktor Sparsamkeit (zeitlich und räumlich) mit ziemlicher Sicherheit irgendwann obsolet werden. Spätestens dann nämlich, wenn eine Nutbarkeitsgrenze überschritten wird und beliebig große Daten in Echtzeit übertragbar werden. Zum jetzigen Zeitpunkt ist dies jedoch sprichwörtlich Zukunftsmusik. Aber dass eine Grenze der Nutzbarkeit erkennbar ist, zeigt die Verwendung von auditiven Daten und der Umgang mit der MP3-Technologie. Die realistische Nutzbarkeit von Speicherkapazitäten ist längst überschritten und wird nur noch mit absurden Rechenbeispielen der Konsumgüter-Industrie künstlich erzeugt: Ein MP3-Player mit 120 GB Speicherkapazität kann wahlweise im Schnitt mit 2.400 unkomprimierten oder mit 40.000 durch MP3-Technologie komprimierten Musiktiteln bestückt werden. Ob man also 12.000 oder 80.000 Musikstunden mit sich führt, ist angesichts der wenigen Zeit, die man tatsächlich zum Musikhören verwenden kann, keine Frage der realistischen, sondern der potenziellen Nutzbarkeit. Es geht nicht mehr um wirkliches Musikhören, sondern darum, zu jeder Zeit die Möglichkeit des Musikhörens zu haben. Die Technologie schränkt heute also nicht mehr die tatsächliche, sondern nur noch die potenzielle Nutzung ein. Ein qualitativer Verlust bei der Verwendung von auditiven Daten wäre also angesichts der technologischen Gegebenheiten umgänglich. Aber es scheint, als läge den Konsumenten mehr an der Verfügbarkeit von Musiktiteln als an einer qualitativ hochwertigen Musikrezeption. Trotzdem kann man davon ausgehen, dass in absehbarer Zeit der qualitative Verlust wegfallen wird, vor allem auch deshalb, weil sich die Komprimierungstechnologien letztlich ebenfalls verbessern. Mit der digitalen Reproduktionstechnologie kam eine Reduktion des für Reproduktionspraktiken unvermeidlichen Kostenaufwandes. Die für die digitale Reproduktion notwendigen Datenträger und Geräte sind wesentlich kostengünstiger als diejenigen für die analoge Reproduktion. Die Kostenreduktion ist der wahrscheinlich wichtigste Grund dafür, dass die Reproduktionspraxis mit der digitalen Technologie explosionsartig zunahm und die Reproduktionskette sich beträchtlich verlängerte. Das Ende einer Reproduktionskette hängt nun nicht mehr von einem qualitativen Verlust oder einer finanziellen Einschränkung ab, sondern nur noch von der Entscheidung eines Individuums. Sozusagen von einem Mausklick. Kapitel II.2, Die legale Kopie: Nun ist Reproduktion nicht gleich Reproduktion. Denn nur weil etwas machbar ist, ist es noch lange nicht erlaubt. So kann auch die Herstellung einer Kopie erlaubt oder verboten sein. Das Urheber- und das Lizenzrecht schränken bekanntlich die Form und die Menge einer Reproduktion in vielen Aspekten ein. Hier soll jedoch allein aus deskriptiven Zwecken in die Kategorien legal und illegal getrennt werden. Ein moralischer oder juristischer Exkurs soll bewusst vermieden werden, weil es für das Thema nicht relevant ist, ob eine Reproduktion juristisch oder moralisch richtig oder falsch ist. Relevant ist nur, ob es getan wird oder ob nicht. Dabei ist zuerst die legale Kopie von Interesse, denn diese betrifft glücklicherweise den größeren Teil der Gesellschaft. Die legale Kopie ermöglichte nämlich die Loslösung der TV-Serie aus ihrem klassischen Hauptwiedergabemedium (dem Fernsehen) und eröffnete den Produzenten und Vertreibern ungeahnte und immense Absatzmärkte. Die legale Reproduktion lässt sich ihrerseits wieder in zwei weitere Kategorien teilen, und zwar in die legale physische und in die legale virtuelle Reproduktion. Kapitel II.2.1, Physische Reproduktion: Das erste massentaugliche, digitale Produkt audiovisueller Medien war die DVD. Audiovisuelle Medien waren nun nicht mehr an sperrige und teuer herzustellende Videokassetten gebunden, sondern konnten über flache, mit enormer Kapazität ausgestattete DVDs (oder CDs) vertrieben werden. Damit war es zum ersten Mal möglich, ganze Staffeln von TV-Serien in handlichen und kostengünstigen DVD-Sets anzubieten, die im Vergleich zu den VHS-Sets wesentlich kompakter waren. Die erste Staffel von Sex and the City benötigt zum Beispiel drei VHS Kassetten. Jeder, der sich noch an die Dimension einer VHS-Kassette erinnert, kann sich vorstellen, wie viel Platz diese Box im Regal einnahm, verglichen mit dem wenigen Platzbedarf einer Dreifach-DVD-Box. Nun ist allerdings nicht allein der Platz im Regal der Verbraucher entscheidend. Entscheidend wird der Platz im Regal des Handels. Dazu ein einfaches Rechenbeispiel: Eine DVD Hülle, die drei DVDs aufnehmen kann, ist 2 cm breit. 3 VHS-Kassetten dagegen sind 9 cm breit. Das ist also ein Faktor von 1:4,5. Mit der Umstellung auf DVD hatte der Handel auf einmal praktisch das Vierfache an Lagerkapazitäten übrig, die darüber hinaus keine zusätzlichen Kosten verursachen. Und da auch die Herstellungskosten einer DVD bei weitem unter den Herstellungskosten einer VHS-Kassette liegen, war es möglich, ja geradezu unumgänglich, die Palette von multimedialen Produkten zu erweitern. Auffällig hohe Absätze erzielten plötzlich vor allem TV-Serien und dabei nicht nur die zeitgenössischen. Gerade klassische Serien erlebten eine Renaissance durch den DVD-Handel. Da es im Fernsehen für klassische Serien nicht ausreichend Sendeplätze gibt und der Handel sich vorher nicht rentierte, füllte die DVD letztlich nur eine klaffende Marktlücke. Da jedoch auch der Handel in der Regel nur auf Nachfragen reagiert, muss man auch fragen, warum die Nachfrage an TV-Serien vorher so gering war? Der Platzvorteil ist ein Grund, aber er allein scheint mir nicht ausreichend. Der Vorteil einer DVD gegenüber einer VHS-Kassette, was Meinungsumfragen auch bestätigten, ist deren ausgiebiges Bonusmaterial. Während eine VHS-Kassette üblicherweise nur den Spielfilm enthält (und diverse Werbetrailer zu Beginn), beinhaltet eine DVD sehr häufig entfallene Szenen, Kommentare, Making-Ofs, Hinter-den-Kulissen - Dokumentationen, etc. Eine DVD bietet nicht nur den Hauptfilm , sondern auch darüber hinaus gehende Unterhaltung, die man bei der TV-Ausstrahlung nicht hat. Obligatorisch ist mittlerweile die sprachliche Originalfassung. Zwar gab es auch vor der Einführung der DVD VHS-Angebote mit einem Zweikanalton, doch war dieser immer mit einer qualitativ schlechteren Mono-Tonwiedergabe verbunden. Auch war nicht jeder VHS-Player oder Fernseher früher in der Lage, den Ton zu trennen. Ohne diese Trennung war der Konsum einer VHS-Kassette dieser Art sinnlos. Bei einer DVD kann jedoch jede Tonspur im Raumklang-Verfahren angeboten und von jedem Player abgespielt werden. Neben den Zusatzangeboten gibt es natürlich noch andere Gründe, warum Konsumenten bestimmte Produkte kaufen, etwa die emotionale Bindung an eine TV-Serie oder deren Figuren, allerdings ist die Kaufmotivation der Konsumenten für diese Arbeit weniger von Bedeutung, sondern vielmehr die Tatsache, dass mit der Reproduktionstechnologie der DVD nun nicht mehr allein die deutschsprachigen Synchronfassungen von TV-Serien in den Regalen der Zuschauer stehen, sondern in den allermeisten Fällen gleichzeitig auch die originalsprachigen Fassungen von TV-Serien.
Michael Scheyer, geboren 1980, freischaffender Filmemacher. Absolvierte das Magisterstudium mit den Fächern Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft, Philosophie und Soziologie an der Universität zu Köln im Sommer 2009. Neben dem Studium produzierte Michael Scheyer über 20 Kurzspielfilme, Musikvideos und Werbeclips. Sein Kurzfilm EX wurde auf den Konstanzer KurzFilmSpielen 2004 mit dem ersten Preis der Jury ausgezeichnet.
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