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- Die ‚schöne Zigeunerin’ in der deutschen Literatur: Goethes Mignon als Musterbeispiel der Zigeunerfigur im 19. Jahrhundert
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 10.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 88
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Bis heute verbindet man mit dem Stichwort ,Zigeuner' jahrhundertealte stereotype Vorstellungen wie beispielsweise ein zwangloses, freien Nomadenleben oder Phantasiebilder von Wahrsagerei und schwarzer Magie. Dieses Buch befasst sich mit der ‚schönen Zigeunerin’ in der deutschen Literatur des 19. Jahrhunderts. Auffallend ist, dass die deutschen Autoren fast keine rein sinnlichen, verführerischen Zigeunerinnen geschaffen haben, wie das beispielsweise in der französischen Literatur der Fall ist. Von einigen Ausnahmen abgesehen handelt es sich bei den ‚schönen Zigeunerinnen’ der deutschen Literatur des 19. Jahrhunderts größtenteils um unerfahrene Zigeunerkinder, meist auf der Schwelle zum Erwachsenwerden. Das Buch konzentriert sich auf das Musterbeispiel für die Figur der ‚schönen Zigeunerin’ in der deutschen Literatur des 19. Jahrhunderts, Goethes Mignon, aber auch auf zwei durch sie angeregte Figuren, zum einen auf die Figur der Erwine aus Joseph von Eichendorffs Roman 'Ahnung und Gegenwart', zum anderen auf die spanische Tänzerin Emanuela aus E.T.A. Hoffmanns Erzählung 'Der Zusammenhang der Dinge'.
Textprobe: Kapitel I, Einleitung: 1., Die Zigeuner in der Literatur des 19. Jahrhunderts: Bis heute verbinden sich mit dem Stichwort ‚Zigeuner’ jahrhundertealte stereotype Vorstellungen. Hervorgerufen werden beispielsweise Bilder von einem zwanglosen, freien Nomadenleben sowie Phantasiebilder von Wahrsagerei und schwarzer Magie. Tatsache ist jedoch, dass es sich bei den ‚Zigeunerbildern’ der deutschen – und auch allgemein-europäischen – Kulturgeschichte stets um Fremdbilder handelt. Nicht die Zigeuner selbst sind die Urheber dieser Bilder, sondern die Mehrheitsbevölkerung hat sie geschaffen. Folglich stellen diese Bilder nicht das Volk der Zigeuner dar, sondern die Zigeuner so wie die Gesellschaft sie sieht, bzw. sie sehen will. Obwohl diese Vorstellungen nicht auf persönlichen Erfahrungen beruhen, sind sie dennoch auch nicht völlig aus der Luft gegriffen, da sie in gewissem Sinne zum kulturellen Erbe gehören. Die Klischeebilder und Vorurteile wurden seit dem 14. Jahrhundert, als die ersten Zigeuner in Europa aufgetaucht sind, von Generation zu Generation weitergegeben. Auch wenn sie im Laufe der Zeit etwas variiert wurden, so ist dennoch der negative Kern dieser Bilder stets erhalten geblieben. Da die Zigeuner seit dem 14. Jahrhundert Teil des öffentlichen Lebens in Europa sind, ist es nicht verwunderlich, dass sie nach und nach auch einen Platz in der Kunst erhalten. Vor allem in den letzten zweihundert Jahren stellen sie eines der großen Themen der Hochkunst dar. Man denke nur an Edouart Manets Zigeunerin mit einer Zigarette, Vincent van Goghs Zigeuner, Antonin Dvoraks Zigeunermelodien oder Johannes Brahms’ Zigeunerlieder. Was die Literatur dieser Zeit betrifft, so lässt sich feststellen, dass es in den meisten europäischen Ländern zahlreiche Beispiele von Zigeunerfiguren gibt. Nimmt man beispielsweise die französische Literatur, so finden sich gleich prominente Texte wie Prosper Mérimées Carmen oder Victor Hugos Notre Dame de Paris, und auch in der englischen Literatur gibt es mehrere Werke, in denen Zigeunerfiguren thematisiert werden , so beispielsweise Ralph Waldo Emersons The Romany Girl oder Charlotte Brontës Jane Eyre. Um 1800 gewinnt das Thema ‚Zigeuner’ auch in der deutschen Literatur sehr stark an Bedeutung. Es begegnet zwar schon im 16. Jahrhundert, doch auffallend ist, dass am Ende des 18. Jahrhunderts die Zahl der Werke, in denen Zigeunerinnen und Zigeuner eine Rolle spielen, schlagartig zunimmt. Das plötzliche Interesse der romantischen Dichter an den Zigeunern ist eine absolute Neuheit, sowohl in der Geschichte der Zigeuner als auch in der Literatur. Nach 1776 nimmt die Zahl der dargestellten Zigeunerfiguren in solchem Ausmaße zu, dass man diese Zeitspanne später als die ‚Zigeunerromantik’ bezeichnet. Neben der Tatsache, dass sich durch die fremdartigen Zigeunerfiguren eine neue Möglichkeit zur Zivilisationskritik bietet, werden die Zigeuner in der Romantik u.a. zu idealen Trägern der so genannten ‚Naturpoesie’ stilisiert. Da die klischeehaften Zigeunerfiguren eine sehr enge Verbindung zur Natur haben und ihr Verhalten sowie ihr künstlerisches Talent fast völlig ihren Instinkten entspringt, eignen sie sich besonders gut dazu, das Gegenteil der sog. gepflegten ‚Kunstpoesie’ zu verkörpern. Des Weiteren sind die Zigeunerdarstellungen in der Romantik meist idealisiert, so dass man sich in der Literaturwissenschaft größtenteils einig darüber ist, dass die Romantiker die schönsten Zigeunerbilder geschaffen haben. Während die dargestellten Zigeunerfiguren sich bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts fast ausschließlich durch negative Merkmale wie Faulheit, Verlogenheit, Betrug und Diebstahl charakterisieren, erhält dieses negative Bild in der Zigeunerromantik eine neue Prägung. Im Realismus heben sich die Zigeunerfiguren dann nicht mehr so stark von ihrer Umgebung ab. Dargestellt werden hautsächlich Lebensläufe oder Episoden von Zigeunern, die innerhalb der Gesellschaft oder aber am Rande leben. Etwas haben jedoch alle im 19. Jahrhundert dargestellten ‚Zigeuner’ gemeinsam, ob nun in Literatur, Musik, Film oder in der bildenden Kunst: Es handelt sich stets um Figuren, auf die die Sehnsüchte, Phantasien, Wünsche und auch die Ängste der Mehrheitsbevölkerung projiziert werden. Insbesondere die ‚Ursprünglichkeit’, die sich als solche nicht mehr in der bürgerlichen Gesellschaft findet, wird oft und gerne auf die Zigeuner übertragen. Weitere nachahmungswürdige Elemente, die die Autoren in der Existenz der Zigeuner gefunden haben, sind Merkmale wie ‚Nomadentum’, das ewige Wandern, sowie ‚Zauber’, ‚Magie’, hauptsächlich aber ihre große ‚Freiheit’, ihr Leben ohne Regeln und Vorschriften. Insbesondere die ‚schöne Zigeunerin’ zieht sich als Motiv durch die Literatur. Diese Figur verkörpert in gewissem Sinne‚ die ‚nicht domestizierte und darum leidenschaftliche Sinnlichkeit’. Sie gilt als ‚Repräsentantin der Natur’ und symbolisiert gleichzeitig die ‚natürliche Schönheit’. Durch diese Merkmale gefährdet sie u.a. den ‚Zivilisationsprozess’: Das Motiv der wachsenden Sehnsucht und der nichtbürgerlichen, bohèmehaften Exotik wird in ihr erfüllt, gespiegelt und zugleich der triebunterdrückenden Zivilisation entgegengestellt. Somit ermöglicht die Figur der ‚schönen Zigeunerin’ Verdrängungen und Unterdrückungen sichtbar zu machen und gleichzeitig zu kritisieren. Doch die ‚schöne Zigeunerin’ ist nicht nur Inbegriff weiblicher Verführungskunst und Sinnlichkeit, es lässt sich auch eine starke Verbindung zur Kunst, hauptsächlich zu Musik und Tanz beobachten, wie sie sonst nur noch – was die Zigeunerfiguren betrifft – beim zigeunerischen Geigenvirtuosen auftritt. Cervantes’ Preciosa beispielsweise zeichnet sich durch ihre besondere Begabung zum Gesang und Tanz aus, und auch Mérimées Carmen betört durch ihr musikalisches und tänzerisches Talent.
Sylvie Langehegermann, M.A., wurde 1983 in Luxemburg geboren. Ihr Studium der Germanistik und der Romanistik (Spanisch und Französisch) schloss die Autorin im Jahre 2007 mit dem akademischen Grad der Magistra Artium erfolgreich ab. Während ihres Studiums sammelte die Autorin umfassende praktische Erfahrungen im Bereich der Musik und das wiederholte Auftauchen der ‚Zigeunerthematik‘ in beiden Bereichen motivierte sie, das vorliegende Buch dieser Thematik zu widmen.
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