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- Die Lust am Risiko: Warum Extremsportler ihr Leben für den Sport riskieren
Kunst & Kultur
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Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 08.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 152
Abb.: 6
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Wir leben in einer Zeit, in der Menschen mit Spezialfallschirmen am Rücken von Hochhäusern springen, ohne jede Sicherung hunderte Meter hohe senkrechte Felswände erklettern, mit dem Hängegleiter Loopings in sechstausend Metern Höhe fliegen, mit dem Surfbrett Wellen von der Höhe mehrstöckiger Häuser abreiten, mit Schi oder Snowboard über 40 Meter hohe Felsen springen und sich mit Kajaks über riesige Wasserfälle stürzen. Die Athleten, die diese Sportarten ausüben, bewegen sich in einem Grenzbereich des Möglichen, in dem bereits kleine Fehler zum Tod führen können. Warum? Was ist es, das diese Menschen dazu bringt, sich freiwillig in Lebensgefahr zu begeben? Sind Risikosportarten der Ausbruch aus einem überzivilisierten Leben, in dem es ansonsten nichts mehr zu erleben gibt? Ist es der Kitzel der Gefahr, Besessenheit, Euphorie, Neugier oder gar Sucht, welche die Menschen an die Grenzbereiche der Existenz streben lässt, um die Todesnähe zu spüren? Dies sind die Fragen, denen Florian Orley, selbst weltbekannter Risikosportler, in dem vorliegenden Buch auf den Grund geht. Eigene Erfahrungen fließen dabei ebenso ein wie eine präzise Literaturanalyse und eine empirische Untersuchung in der Szene der Extremsnowboarder.
Textprobe: Kapitel 3.1.1, Faszination Freeriden: Für Weiß (1996, S. 126) bedeutet Freeriden auf dem Snowboard ‘Meditation in der Alpinen Winterwelt’. Ich habe diese Aussage angeführt, da das Gleiten mit dem Snowboard über jungfräuliche Tiefschneehänge in unberührter Bergwelt tatsächlich etwas Meditatives mit sich bringen kann. Die Glücksgefühle, die beim Geschwindigkeitsrausch im Einklang mit den Elementen zu erleben sind, stellen einen grundlegenden Faktor für die Lust an der Ausübung dieses Sports dar. Hier werden auch die Ursprünge des Snowboardens offensichtlich, das sich aus der kalifornischen Szene der Wellenreiter an Nordamerikas Westküste heraus entwickelte. Schon damals war es die Grundidee der Pioniere des Snowboardens, das schwerelose Gleiten (Surfen) in den Wellen auf das Surfen im Tiefschnee zu übertragen. Da zum Thema Freeriden im Allgemeinen und zum Extremsnowboarden im Speziellen kaum Fachliteratur existiert, werde ich dabei viel auf Eigenwissen zurückgreifen, das ich mir in meiner achtzehnjährigen Erfahrung als Snowboarder, davon fünf Jahre als Freeride-Profi, angeeignet habe. 3.1.2, Extremsnowboarden: Zusätzlich zum klassischen, vom Schifahren her bekannten Tiefschneefahren wird beim modernen Freeriden auf dem Snowboard das Gelände als solches in die Abfahrt eingebunden. Sprünge über Felsen, Wechten und Geländekanten von teilweise enormen Höhen und Weiten mit schwierigen Tricks wie mehrfachen Salti oder Schrauben sowie das Ausnützen verschiedener Geländeformen für bestimmte Schwungformen gehören genauso dazu wie der gekonnte Umgang mit dem im steilen Gelände mitfliessenden Schnee. Während der klassische Tiefschneefahrer offene, homogene Hänge sucht, um diese in weitgehend gleichbleibendem Rhythmus zu befahren, sucht der Extremsnowboarder möglichst abwechslungsreiches Gelände am Berg und sieht darin einen Spielplatz, in dem er sich je nach Könnensstufe bewegt. Steilste Hänge und schwierigste, dem Laien unbefahrbar erscheinende Abschnitte eines Berges werden als spezielle Abfahrtsvarianten angesehen. Je länger sich dabei der erfahrene Fahrer einen zu befahrenden Hang im vorhinein ansieht und je genauer er sich die von ihm gewählte Abfahrtsroute einprägt, umso perfekter kann er dann während des Befahrens seine Bewegungen ausführen, da er dann immer schon im vorhinein weiß, an welcher Stelle welcher Schwung oder Sprung geplant ist. Die Möglichkeiten, die sich bei entsprechender Schneelage in den Bergen bieten, sind schier endlos (Örley, 2004, S. 6). ‘Spielen am und mit dem Berg beschreibt das Wesen des Freeridens wohl am besten,’ erklärt dazu der Amerikaner Steve Klassen, der in dieser Sparte des Snowboardens mit seinen zahlreichen Siegen bei internationalen Freeridewettkämpfen als der wettkampfbezogen erfolgreichste Freerider der Welt gilt (Klassen, 2004, zitiert in: Örley, 2004, S. 6). Der Übergang vom klassischen Freeriden hin zum Risikosport des Extrem-Freeridens, der zur einfacheren Verständlichkeit auch als Extremsnowboarden bezeichnet wird, ist dabei fließend und definiert sich über die Höhe der gewählten Schwierigkeiten und der eingegangenen Risiken während der Abfahrt. Zur Verdeutlichung möchte ich hier eine seelenverwandte Sportart des Extremsnowboardens anführen, nämlich das ‘Big Wave Surfing’, welches die Königsdisziplin im Wellenreiten darstellt, von dem das Snowboarden, wie oben erwähnt, abstammt. Auch im Sport des Wellenreitens gibt es einen fließenden Übergang vom Surfen auf ‘normalen’, also kleinen bis mittelgroßen Wellen, das weltweit von einer sehr großen Zahl an Personen beherrscht und praktiziert wird, hin zum Reiten auf Monsterwellen von bis zu 15 Metern Höhe, das nur von relativ wenigen Personen ausgeübt wird. Nicht zuletzt aufgrund dieser Verwandtschaft wird in den USA nicht der Name ‘Extremsnowboarden’ verwendet, sondern der vom Surfen großer Wellen (Big Wave Surfing) abgeleitete Name ‘ Big Mountain Riding’. 3.2, Wettkämpfe: Freeridewettkämpfe sind Wettbewerbe, bei denen die Athleten auf ihren Snowboards einen Berg oder Hang, im Fachjargon auch das ‘Face’ genannt, auf möglichst spektakuläre Weise nach frei gewählten Routen, den ‘Lines’, befahren und dabei von Punkterichtern nach speziellen Kriterien bewertet werden, ohne dass dabei Zeit eine Rolle spielt. Es werden lediglich einer oder mehrere Startpunkte, meist direkt auf dem Gipfel des zu befahrenden Berges, sowie ein Ziel am Fuße desselben festgelegt. Die Fahrer steigen entweder zu Fuß zum Start auf oder werden mit dem Helikopter hinaufgeflogen. Den Teilnehmern steht somit der gesamte Bereich zwischen Start und Ziel zur Verfügung, um ihr Können zu zeigen. Das Face wird in der Regel schon Wochen vor dem Wettkampf abgesperrt, damit die Schneebedingungen optimal sind und um die bestmöglichen und fairsten Voraussetzungen für jeden Starter zu bieten (Örley, 2000, S. 9). Da jeder Starter sich seine Line frei wählt, hat er die Möglichkeit, den Schwierigkeitsgrad seiner Abfahrt (seines ‘Runs’) exakt an seine Fähigkeiten anzupassen. Damit kann er ein perfektes Gleichgewicht zwischen Anforderungen und Können herstellen, was nach Csikszenmihalyi eine der wichtigsten Voraussetzungen für das Erreichen eines Flow-Zustandes ist (Csikszenmihalyi, 2000, S. 15). Geschichte: Die ersten Wettkämpfe dieser Art fanden Anfang der Neunziger Jahre in Alaska, USA statt. Heute gelten die europäischen Alpen als das Herz der internationalen Freerideszene, wobei Frankreich, die Schweiz und Österreich die führenden Länder sind. Die zwei wichtigsten Contests mit Preisgeldern in der Höhe von vielen zehntausend Euro finden jedoch in der Schweiz statt und sind jedes Jahr ein Treffen aller Stars, die sonst den Großteil des Jahres für Film- und Fotoaufnahmen auf Reisen sind. Einen Weltcup gibt es nicht, und obwohl ein solcher für den Sport an sich sehr wichtig sein könnte und seit Jahren immer wieder Versuche in diese Richtung unternommen werden, sieht es im Augenblick nicht dazu aus, als ob in den nächsten Jahren ein solcher verwirklicht werden könnte (Bohatsch, 2004, in: Örley, 2004, S. 9). Wettkampfform: Die wichtigen und großen internationalen Freeridecontests sind ausschließlich Einladungsrennen, auch ‘Invitationals’ genannt. Dieser Vorgehensweise soll nicht nur die Könnensstufe, den ‘Level’ des Contests auf höchstem Niveau halten, sondern dient auch Sicherheit der Fahrer selbst, um emotionale Faktoren wie Selbstüberschätzung oder zu hohe Risikobereitschaft von vornherein auszuschließen. Die Auswahl der Starter soll weiters von vornherein sicherstellen, dass nur erfahrene Snowboarder teilnehmen, die sich mit den Risiken am Berg auch bereits über Jahre hinweg auseinandergesetzt haben und das entsprechende Vorwissen über diese mitbringen. Die Leistungen, die bei Planung und Ausführung von Abfahrten mit 2000 Metern Höhenunterschied, beim Springen über bis zu 40 Meter hohe Felsen oder Befahren 55 Grad steiler Tiefschneehänge erbrachte werden, sind dabei sowohl im körperlichen wie im mentalen Bereich enorm und können nur von erfahrenen Athleten erbrachte werden. Bewertungskriterien: Die Kriterien, um die Leistungen der Teilnehmer zu bewerten, wurden über die Jahre hinweg von Aktiven und Funktionären entwickelt und haben sich laufend den Veränderungen des Sports angepasst. Sie sind also nicht künstlich formuliert worden, sondern spiegeln das Wesen des Freeridens wider. Sie lassen sich in fünf Gruppen unterteilen: Schwierigkeit der gewählten Abfahrts - Linie: Steilheit, Exponiertheit, Originalität, Direktheit, Anzahl der Sprünge, ... Flüssigkeit der Abfahrt: Konstantes Fortbewegen, kein Stehen bleiben, wenig Traversieren, ... Aggressivität und Stil: Besondere Sprungfiguren und Schwünge, ... Sicherheit: Unsicherheiten, Stürze und Wiedererfangen nach solchen, Souveränität der Landungen von Sprüngen, ... Gesamteindruck: Die Bewertung wird von mehreren Punkterichtern durchgeführt, meist selbst erfahrenen Freeridern. Doch unabhängig davon, welches System angewendet wird - ein in Perfektion durchgeführter, flüssiger Run über eine spektakuläre Line ergibt für den Zuschauer ein Bild von spannungsgeladener Action und erstaunlicher Harmonie. Athleten: Snowboarder sind ‘...auf hohe Erlebniswerte zentriert, lieben Ungezwungenheit und Andersartigkeit. Sie zeichnen sich durch ‘Exklusivität’ im Sinne von verstärkten ästhetischen und sozialen Abgrenzungsbemühungen aus’ (Bachleitner, 1998, S. 41). Dies trifft sicherlich nicht nur auf den Hobbysnowboarder zu, sondern auch auf die im empirischen Teil dieser Untersuchung befragten Extremsnowboader. Etwa die Hälfte der Athleten bei den internationalen Freeridewettkämpfen sind Profis, die ausschließlich vom Snowboardsport leben, die andere Hälfte Amateure. Dabei handelt es sich generell um Sportler, die sehr viele verschieden Sportarten betreiben, was dem Typ des von Aufmuth (1996) im Kapitel zwei beschrieben ‘Crossover - Sportlers’ entspricht. 3.3, Risiken und Gefahren: Um die Gefahren, denen sich Extremsnowboarder am Berg aussetzten, besser verständlich zu machen, versuche ich im Folgenden eine Kategorisierung derselben. Diese kann keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, deckt jedoch alle mir bekannten Bereiche ab. Dabei möchte ich die Gefahren unterteilen in unvorhersehbare (Natur-) Ereignisse, die Opaschowski (2000) als ‘objektive Risiken’ bezeichnet, und Ereignisse als Folge von Kontrollverlust oder Fehleinschätzung. Dazu gebe ich die Häufigkeit des Auftretens, die Kalkulierbarkeit und die Verletzungsgefahr des jeweiligen Ereignisses an, wobei es sich hier nicht um empirisch nachgewiesene, sondern um Erfahrungswerte handelt. Der Wert ‘sehr hohes Verletzungsrisiko’ ist dabei gleichzusetzen mit absoluter Lebensgefahr. Eine Überprüfung dieser Kategorisierung und der entsprechenden Werte muss Gegenstand einer eigenen Untersuchung sein und würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen.
Florian Orley, geboren 1975 in Innsbruck, ist Magister des Sportmanagements und einer der bekanntesten Risikosportler Österreichs. Als Vizeweltmeister im Snowboard-Freeriden, Akrobatik-Drachenflugpilot, B.A.S.E. Jumper und Big Wave Surfer lebt er seit über zwei Jahrzehnten seine Leidenschaft für Extremsport in der Natur aus. Die Allgegenwart des Risikos bei seinen Tätigkeiten und das Überleben zahlreicher haarsträubender Situationen haben den zweifachen Familienvater dazu angeregt, in diesem Buch den Motiven auf den Grund zu gehen, die ihn und andere Risikosportler dazu bringen, für intensive Erlebnisse ihr Leben aufs Spiel zu setzen.
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