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  • Die Knopp-Show bei Wilhelm Busch: Funktionsweisen der Komik in Wilhelm Buschs Knopp-Trilogie

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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 03.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 100
Abb.: 21
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Warum schmunzeln wir, wenn der Erzähler in der Knopp-Trilogie resümiert: Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr ? Wie viel Identifikationspotential darf das Komische enthalten, um zum Lachen anzuregen? Wie steht es auf der anderen Seite mit der Forderung nach Distanz? Wann ist die Bedingung der Überraschung von Bedeutung, und wer darf was wissen beziehungsweise nicht wissen? Den Fragen nach der Beschaffenheit des Komischen geht diese Studie anhand der Analyse von Wilhelm Buschs Knopp-Trilogie nach. Hierzu wird im ersten Teil der Untersuchung zunächst ein historischer Überblick über diverse Komiktheorien geboten. Da die Komposition aus Bild und Text ein elementares Merkmal der Trilogie darstellt, steht zu Beginn der Analyse der Knopp-Trilogie die Frage nach dem Zusammenwirken beider Darstellungsarten. Sie generieren eine dem Theater ähnliche Atmosphäre, die sowohl der Bildproduktion als auch dem Sprachstil des Erzählers geschuldet ist. Mit einem Blick auf einzelne Szenen werden nun die verschiedenen Funktionsweisen des Komischen analysiert. Dabei wird den oben genannten Fragen unter Zuhilfenahme der im historischen Überblick herausgestellten Theorien nachgegangen.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3.1, Die Bühnenshow: Ein elementares Merkmal der Trilogie ist die Synchronizität von Text und Bild. Die Kooperation dieser beiden Darstellungsmittel ist oftmals ausschlaggebend für das Entstehen von Komik. Der Rezipient erhält während des Lesens und Betrachtens den Eindruck, sich vor einer Theaterbühne eingefunden zu haben. Mit welchen Mitteln dieser Eindruck generiert wird und was das für die Komik bedeutet, wird in diesem Kapitel dargelegt. Die Zeichnungen vermitteln den Eindruck einer Bühnenbetrachtung, da sie wie bei einer dramatischen Aufführung über das Sehen direkt erfasst werden können. Sie benötigen nicht wie ein Text die Übersetzung der Buchstaben in Bilder mit Hilfe der Imagination. Zwar fehlt den Zeichnungen der Knopp-Trilogie im Vergleich zur Bühne die durchgängige Bewegungsdarstellung, denn die Bilderfolgen präsentieren sich sprunghaft, unter Auslassung einzelner Bewegungsabläufe, doch teilen sie die Anschaulichkeit mit der dramatischen Aufführung. Auffallend sind zudem die Buchausgänge: es wird jedes Mal ein Bühnenvorhang zugezogen. Im Unterschied zur Bühne handelt es sich in ihrer Überzogenheit um karikaturenhafte Zeichnungen, die aufgrund ihres Gezeichnetseins und unter Hervorhebung der Linie einen Realitätsverlust aufweisen, die aber dadurch nicht ihre Anschaulichkeit einbüßen. Die Überzeichnung hingegen schafft Komik aus sich selbst heraus, da nach Bergson ein übertrieben gezeichneter Körper vom Seelischen, Lebendigen ablenkt hin zu einem steifen Mechanismus beziehungsweise nach Jünger die Norm des Schönen verletzt. Die Zeichnungen enthalten Groteskes und Marionettenhaftes, sodass es vorkommt, dass Kleidungsstücke den Bewegungen der Figur steif hinterherhinken. Sie sind reduziert auf das Wesentliche, vermitteln ‘gestische Dynamik und den Konturenverlauf.’ Dadurch vermitteln sie, wie der Text, zum einen Schwung und Heiterkeit und erhöhen andererseits durch ihre Konzentration auf das Wesentliche die Aufmerksamkeit des Betrachters auf das aussagekräftige Detail, wie zum Beispiel der Ringelschwanz an Knopps Frack oder die blutige, tropfende Regenschirmspitze. Diese Realitätsferne steht nicht dem direkten, dramengleichen Erfassen entgegen und gebiert gleichzeitig Komik aus sich selbst heraus. Laut Schury hat Busch selbst seine Werke mit einem ‘Papiertheater’ verglichen. Das bedeutet: die Figuren sind konstruierte Kunstfiguren, doch die Darstellungsart ist die des Theaters. Im Gegensatz zur Bühne kann der Betrachter der Trilogie autonom darüber entscheiden, wie schnell er die Geschichte passieren lässt und wie genau er die Bilder nach Zusatzinformationen durchsucht. Diese teilweise nicht sofort ersichtlichen Hinweise sind – wie noch zu zeigen sein wird – nicht ohne Bedeutung für die Komik in der Knopp-Trilogie. Trotz des generell statischen Moments einer Zeichnung gelingt es Busch, die Statik des einzelnen Bildes teilweise zu durchbrechen. Der präzise Augenblick, der auf einem Bild festgehalten wird, wird in vielen Zeichnungen der Knopp-Trilogie um einen kurzen zeitlichen Moment verlängert. Mit Hilfe von senkrechten Linien zeichnet Busch den Weg ein, den Flüssigkeiten aus umkippenden Gefäßen nehmen. Schräg gezeichnete Gegenstände und Personen animieren den Betrachter, das angedeutete Fallen in seiner Fantasie zu einem vollendeten zu Ende zu denken. Das zeichnerische Andeuten von folgenden Momenten ist nicht das einzige Mittel, mit dem Busch einen Bewegungsfluss darstellt. Auch die aus zeitlich eng beieinander liegenden Handlungsabschnitten erstellte Bilderfolge unterstützt dies, da sie einen relativ durchgängigen Bewegungsablauf innerhalb dieser Bildsequenz suggeriert. Nicht nur die Anschaulichkeit und die Übertragung des transitorischen Mittels auf die Zeichnungen rückt diese in die Nähe der dramatischen Aufführung. Ebenso trägt die Perspektive, aus der die Zeichnungen betrachtet werden, dazu bei, dass der Betrachter sich im Zuschauerraum eines Theaters zu wähnen glaubt. So sind die Zeichnungen aus einer meist gleich bleibenden Perspektive dargestellt, die zwar variabel in ihrer Weiten- und Tiefeneinstellung ist, und die oftmals ein Detail herausgreift, doch bleibt die Sicht fast immer eine frontale. Es findet kein nennenswerter Wechsel zu Froschperspektive oder Vogelperspektive statt. Es ist die Perspektive, die der Betrachter eines Bühnenstücks einnimmt. Auf dieser Bühne der Knopp-Trilogie agieren Figuren, die ihrerseits nicht in Kontakt mit dem Betrachter treten. Das heißt, dass sie so gut wie keinen Blick in Richtung ‘Zuschauer’ werfen, dafür aber umso häufiger mit dem Rücken zum Betrachter handeln. Sie agieren nach der Vorschrift von Diderots ‘Vierter Wand’ , das heißt, sie handeln als sei kein Zuschauer in der Nähe. Dadurch gerät der Betrachter in eine voyeuristische Position. Diese Haltung aus einer versteckten – da ungesehenen – Position heraus bietet die Basis für Neugierde und Spannung, mit der das Geschehen verfolgt wird. Während Bilder, die eine fortschreitende Handlung zeigen, aufgrund der visuellen Anschaulichkeit generell Nähe zum Theater suggerieren, so steht ein vermittelnder Erzähler der Imagination einer Bühnenpräsenz entgegen, da er im epischen Verfahren ein Geschehen im Nachhinein vermittelt. Das Unmittelbare und zeitlich Direkte der Bühne wird gestört. Andererseits kann es ebenfalls auf der Bühne vermittelnde Instanzen geben. Diese dienen mittels Verfremdungseffekten der Fiktionsdurchbrechung bei komödiantischen Darstellungen, wie dies beim Epischen Theater von Brecht der Fall ist. Doch auch bei einem verfremdeten Drama wird Unmittelbarkeit trotz Erzählinstanz erreicht, da der Verfremdende direkt sichtbar im Augenblick des Wahrnehmens handelt. Ebenso erweckt der Text der Knopp-Trilogie den Eindruck einer Unmittelbarkeit, die an eine dramatische Aufführung erinnert. Der Erzähler selbst scheint im Zuschauerraum zu sitzen und sich die Knopp-Trilogie zusammen mit dem Betrachter anzuschauen. Dadurch treten Betrachter, Erzähler und Figur in ein enges Verhältnis zueinander. Dieses enge räumliche und zeitliche Verhältnis des Erzählers und des Betrachters zum Geschehen wird ausgelöst durch die Kommentare des Erzählers. Das Possessivpronomen ‘unser/e’ und das Personalpronomen ‘wir’ machen sehr deutlich, in welchem Verhältnis der Erzähler sich und den Betrachter zum Geschehen sieht. Der Erzähler nimmt den Betrachter gleichsam an die Hand und kommentiert die ‘Bühnenshow’. Gegen die Gleichzeitigkeit von Erzählen und Geschehen ließe sich einwenden, dass die Kommentare des Erzählers nicht immer die gerade zu betrachtende Handlung betreffen. Doch dadurch, dass der Erzähler immer wieder seine Präsenz vor der Bühne demonstriert, indem er auf das Bühnengeschehen verweist, wirken seine Analepsen wie nebenbei eingeworfene Erläuterungen für den Betrachter, damit dieser das Geschehen mit ausreichendem Wissen verfolgen kann. So gibt der Erzähler zum Beispiel zu Beginn eines jeden Kapitels von Knopps Reise in den ‘Abenteuern’ eine kurze Erklärung bezüglich der zu besuchenden Person, oder er fasst Wiederholungen mithilfe des Zeitadverbs ‘[m]anchmal’ zusammen. Das sprachliche Entfernen vom aktuellen Geschehen ist stets nur von kurzer Dauer, und der Betrachter wird durch die Zeichnungen an die Handlungspräsenz gebunden. Der Erzähler befindet sich trotz einiger inhaltlicher Abschweifungen durchgängig direkt vor der Bühne. Die Abschweifungen des Text-Erzählers machen deutlich, dass es zwar um die Präsentation einer Geschichte geht, dass diese Geschichte jedoch von zwei verschiedenen Instanzen präsentiert wird. Da die Komik der Knopp-Trilogie sich aus dem Aufbau eines Geschehens aus zwei mit unterschiedlichen Aussageschwerpunkten zusammengesetzten Sichtweisen generiert, wird für die weitere Untersuchung in Bild- und Text-Erzähler unterteilt. Der Text-Erzähler ist dadurch, dass er sich permanent einbringt, als Figur fassbar, während die Bildpräsentation sich unaufdringlicher Mittel bedient, um das Geschehen darzustellen. So ist es zum Beispiel das in den Vordergrund gerückte Detail, dem mehr Bedeutung zugemessen wird. Im Vergleich zum Text-Erzähler ist der Bild-Erzähler subtiler und als Figur nicht fassbar wie der Text-Erzähler. Bereits gezeigt wurde, dass der Erzähler den Betrachter mit Hilfe von Personal- und Possessivpronomen einbindet. Zudem wird die räumliche und zeitliche Nähe des Erzählers zum Geschehen auf den Bildern an zahlreichen Deiktika wie den Adverbien ‘Hier’, ‘da’, ‘jetzt’ oder Pronomen wie ‘dies/er/es’ ausgemacht. Der Erzähler zeigt genau auf ‘dieses’ Geschehen, das ‘hier und jetzt’ vor ihnen abläuft. Weiterhin zeugen die häufig gebrauchten Imperativformen der Verben davon, dass der Text-Erzähler nicht nur die vor ihm ablaufenden Handlungen näher heranholen möchte, sondern dass er den Betrachter konkret mit einzubeziehen bemüht ist. Aufmerksamkeit generierende Imperative wie ‘Sieh,’ ‘Horch,’ ‘Schau,’ ‘Oha!’ ‘Ei schau!’, ‘und siehe!’, ‘Seht,’ sprechen den Leser direkt an und beziehen ihn in das Hier und Jetzt des Geschehens mit ein. Diesen Imperativformen und weiteren lautmalenden Interjektionen attestiert auch Kleemann eine Nähe zur Bühne, da sie der gesprochenen Alltagssprache nahe stehen. Das enge Verhältnis dient vor allen Dingen der Komik, die durch einen Umschlag zum Tragen kommt, wie in Kapitel 3.3.1 ‘Der Umschlag’ gezeigt werden wird. Doch dient das Nähe schaffende Verhalten des Erzählers ebenso dazu, eine Vertrauensbasis zwischen ihm und dem Leser aufzubauen. Er bietet sich dem unwissenden Leser als erklärender und auf wichtige Details aufmerksam machender Freund an. Mit Hilfe seiner Leitungsfunktion möchte sich der Erzähler als kompetent und Vertrauen erweckend darstellen, was gerade dann scheitert, wenn von einer anderen Instanz (den Bildern) seine Aussagen revidiert werden. Sein ersuchter Führungsanspruch scheitert stets, sodass es nicht nur zu einem Verlachen der Figuren kommt, sondern zusätzlich zu einem Verlachen des Erzählers. Dies unterstreicht auch Willems, indem er ausführt, dass aufgrund der Bilddarstellung dem Erzähler das ‘Deutungsmonopol entzogen’ wird. Die Nähe und Vertrauensbasis, die der Erzähler schafft, bilden die Grundlage für die Atmosphäre des Voyeurismus. Diderots These der ‘Vierten Wand’ lässt keine Verbindung von Figur zum Betrachter zu, sodass der Betrachter unentdeckt aus nächster Nähe mit Spannung dem Geschehen folgen kann. Unterschieden werden soll zwischen räumlicher / zeitlicher Nähe zum Geschehen und der Nähe zur Emotionslage der Figuren. Die Deiktika und Imperativformen generieren räumliche und zeitliche Nähe zum Geschehen, doch wird damit nicht zwingend die Identifikation mit den Gefühlen der Figur erreicht. Diese Aufgabe kommt den Präsentationsformen der zitierten Rede zu. Die Deiktika verweisen auf ein zeitgleiches und raumnahes Dreierverhältnis bestehend aus Figur, Leser und Erzähler, wobei die Relation zwischen Figur und Erzähler / Leser eindimensional nur von Erzähler / Leser zu Figur verläuft und nicht umgekehrt. Die Figur hat kein Wissen von der Existenz des Lesers. Sie wird beobachtet, und das Geschehen wird im Augenblick der Beobachtung vom Erzähler erklärt und kommentiert. So spricht auch Ueding von einem ‘zuschauenden und berichtenden Beobachter[…]’ . Folglich ist der Erzähler in diesem Stück weniger ein Vermittler einer Geschichte, die passiert ist, als vielmehr ein Kommentator eines direkt übertragenen Ereignisses. Der Leser ist sozusagen live dabei – das garantiert Spannung, und er ist andererseits emotional nur so weit involviert, dass das Geschehen für ihn Unernst und Folgenlosigkeit bedeutet. Über die Folgenlosigkeit der Handlungen wird an späterer Stelle noch ausführlicher gesprochen werden. Einerseits ist das Geschehen innerhalb einer fiktionalen Geschichte generell für den Leser folgenlos, andererseits kann durch Identifikation ein Hineinversetzen in die Lage der betreffenden Figur möglich gemacht werden, sodass die Folgen eines Geschehens nicht nur die Figur betreffen, sondern auch den Leser betroffen machen. Festzuhalten bleibt: Sowohl Bilddarstellung als auch die Präsentationsform des Textes inszenieren eine Bühnenshow. Der Betrachter wird durch die Art der Darstellung in eine voyeuristische Position gebracht, die ihn das Geschehen mit Spannung verfolgen lässt. Der Text-Erzähler bringt sich dabei aufdringlich als Figur zur Geltung, der den Leser eng an sich binden möchte, während der Bild-Erzähler mit subtileren Mitteln arbeitet. Deren unterschiedliche Sichtweisen und Verhaltensmerkmale bildet die Basis für diverse komische Situationen, die in den folgenden Kapiteln untersucht werden. Da dem Text-Erzähler eine besondere Rolle beim Aufbau der Komik zukommt, soll zunächst noch detailliert auf seinen Sprachstil eingegangen werden.

Über den Autor

Petra Brüning, M.A. wurde 1968 in Ibbenbüren geboren. Ihr Studium der Literaturwissenschaft, Geschichte und Psychologie an der FernUniversität in Hagen schloss sie 2012 mit dem akademischen Grad der Magistra Artium erfolgreich ab. Ihr Interessenschwerpunkt liegt in der vergleichenden Untersuchung verschiedener Funktionsweisen von Texten, Zeichnungen und Filmen. Zusätzlich widmet sie sich dem kreativen Schreiben und dem Illustrieren. Sie ist als Dozentin und Autorin tätig.

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