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  • Die Großstadt in der skandinavischen Literatur: Analysiert anhand der Romane Hærværk, Rand, Röda Rummet, Sult und Stuk

Kunst & Kultur


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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 06.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 116
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Die skandinavische Großstadt erscheint im Vergleich zu anderen europäischen Metropolen eher klein und unbedeutend. Doch auch hier ereignen sich zum Teil tragische menschliche Schicksale, die in der Literatur eine große Rolle spielen. Anhand der skandinavischen Romane Hærværk, Rand, Röda Rummet, Stuk und Sult ermittelt diese Studie, wie sich das Leben in der Großstadt auf die jeweiligen Protagonisten auswirkt und wie genau die Literatur diese Großstadt abbildet. Die Helden der Werke werden dabei individuell untersucht und in ihrem jeweiligen Kontext in der Großstadtkulisse betrachtet. In vielen Punkten ergibt sich dabei die Möglichkeit zum direkten Vergleich. Hierbei werden besonders die Anonymität, Unzulänglichkeit und Nervosität der kleinen Leute herausgearbeitet und analysiert. Ferner ist auch die Stadt an sich von gewichtiger Bedeutung, lässt sie sich doch teilweise selbst als Protagonist verstehen. Für die verschiedenen Bewohner ist sie von unterschiedlichen Belangen, die ebenfalls herausgestellt werden. Abschließend werden einige Gegensätze, wie etwa ein Vergleich mit dem Landleben oder der Kontrast von Helligkeit und Dunkelheit, beschrieben. Auf diese Weise wird das Bild der Großstadt abgerundet.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 5.1, Die Stadt als Kulisse: Der Großstadtroman spielt sich in der Kulisse der Stadt ab. Das Werk ist im Aufbau und Stil von der Stadt geprägt. Der moderne Großstadtroman entstand zu Beginn des 20. Jahrhunderts und stellt die Stadt als Ganzes dar. Die Metropole wird in erster Linie nicht als ein topographisches, also räumliches Objekt betrachtet, sondern vielmehr in moralische Kategorien unterteilt. Einzelne Bilder gewähren einen Blick in ein bestimmtes Milieu, wodurch ein Bild der Stadt entworfen wird. Dieses Bild wird auf verschiedene Arten realisiert. Es wird z.B. von Rahmenschau oder vom Guckkasten gesprochen, wenn ein gewisser Ausschnitt präsentiert wird, der dem Leser durch einen imaginären Rahmen geschildert wird, z.B. der Blick aus dem Fenster als Betrachtung des Universums. Allerdings ist es schwierig, die moderne Großstadt in einen Rahmen zu pressen, da ihre Grenzen verbleichen. Diesen Blick aus dem Fenster liefert beispielsweise Hamsun auf der ersten Seite von Sult. Der Held schaut hinaus und verschafft dem Leser dadurch einen Eindruck von der Welt, in der er lebt. ‘Jeg åpnet vinduet og så ut. Der hvor jeg stod hadde jeg utsigt til ein kledesnor og en åpen mark langt ute lå gruven tilbake av en nedbrændt smie hvor nogen arbeidere var i færd med å rydde op.” Es zeigt sich von Beginn an, dass der Hauptprotagonist nicht in einem Idyll lebt, sondern in einer schmutzigen Stadt, in der die Arbeiter sich abmühen müssen. Gegen Ende des Romans wird ein weiteres Mal ein Blick durch einen Guckkasten gewährt, an der Stelle, an der der Held durch ein Schlüsselloch dem erotischen Treiben seiner Wirtin mit einem Seemann zusieht. Durch diesen kleinen abgezäunten Blick wird die moralische Verkommenheit geschildert. Es besteht zudem die Möglichkeit, die Stadt in Form eines Tableaus darzustellen, als literarisches Gemälde. Bei dieser Technik werden u.a. Topographie, historische Ereignisse, sozialtypologische Erscheinungen usw. aufgenommen. Das Gesamtbild ergibt sich aus einer Reihe von Beobachtungen, die jeweils in einzelne Texte gefasst und zufällig angeordnet werden und damit die Heterogenität verdeutlichen sollen. Von einer Art Tableau ist eingangs in Stuk die Rede. Om man dog havde en Harlekinsstav og slog med den en Tryllekreds om den hele By og bandt den til ét Billede ... Berg tav lidt, og med en Bevægelse med Hænderne, som sønderbrød han den tænkte Stav, sagde han med et utaalmodigt Suk: - saa vilde det være et Tornerosetableau, det hele Billede. Hier wird davon gesprochen, die ganze Stadt auf ein Bild zu bringen, jedoch hat dies einen negativen Anklang. Berg würde die Menschen darin gewissermaßen festhalten und zum Schlafen bringen, um dem Gewimmel für eine Weile Einhalt zu gebieten. Im Prinzip ist das ganze Werk ein Tableau. Im Zentrum des Gemäldes steht das Victoria-Theater und darum herum versammeln sich die Menschen. Das Tableau zeigt häufig dasselbe: eine Ansammlung von Personen und deren Verknüpfungen. Durch ein unsichtbares Band sind sie miteinander verbunden, gefangen in einem Netz von Sympathie und Antipathie, was in vielen kleinen, teilweise belanglos wirkenden Szenen dargestellt wird. Weiterhin bewirken verschiedene Blickwinkel in den Werken einen Perspektivenreichtum. Zu Beginn des Romans Röda Rummet wird laut Kapitelname aus der Vogelperspektive berichtet, am Ende wird hingegen aus dem Jenseits gesprochen, was eine deutliche Verschlechterung in Bezug auf den Raum darstellt. Der Text erscheint in defekter Form. Dies ist das Konzept, welches das Thema Großstadt aufgreift. Das Auf und Ab in der Handlung lässt sich wirkungsvoll und kontrastreich illustrieren. Ein Beispiel hierzu liefert Stuk. An einer Stelle befindet sich die Person Berg auf einem Gerüst im leeren Raum über einem Abgrund, zwischen Himmel und Erde. Dieser Standpunkt ermöglicht ein Hinauf- und Hinunterblicken. ‘Berg blev svimmel, naar han saa’ derned, hvor Stilladserne groede op af Mørket paa svære Ben og spredte sig i hele Rummet, lige op til Kuplen, hvor Lugrne lo mod Dagen - èn Kæmpekrop, hvor alting sang og virkede...” Tief unten wirkt es bedrohlich und dunkel, oben hell und freundlich. Die Situation ist ähnlich der Handlung. Zu Beginn befindet sich die allgemeine Stimmung weit oben, um dann im Laufe der Zeit ganz nach unten in eine trübe Zukunft zu sinken. Alles bricht wie ein schlecht befestigtes Baugerüst zu sinken. Doch die Stimmung schwankt schon vorher, wie das Gerüst, auf dem Berg sich befindet. Der Blick in die Tiefe ist hier der ungewisse Blick in die dunkle Zukunft. Ein typisches Bild der Großstadt ist die überfüllte, belebte Straße. Ihre Beschreibung ist der Versuch, die gesamte Stadt zu erfassen. So verhält es sich mitunter zu Beginn des Werkes Stuk. Alles ist im Fluss, Hektik und Leben herrschen in den Straßen. Die Stadt wirkt dadurch lebendig. Es handelt sich hier um ein aufstrebendes, fröhliches und buntes Kopenhagen, welches am Anfang direkt mit der Schilderung einer Straße zu Feierabend beschrieben wird. Von vornherein ist ein großes Tempo sowohl in der Handlung als auch im Stil erkennbar. Das Tempo ist schneller als bei Röda Rummet und es gibt eine Sonderform des Sekundenstils. Demnach wird mit der in-medias-res-Technik gearbeitet. Die Handlung beginnt unmittelbar im Stau des Feierabendverkehrs. Es herrscht heure-bleue Stimmung, der Tag neigt sich dem Ende, es wird langsam dunkel und auf der Straße geht ein emsiges Streben vor sich. Diese Stimmung wird auch bei Strindberg oftmals verbreitet, allerdings werden hier mehr die Straßen als Orte aufgeführt und das Straßenleben beschrieben und nicht wie bei Röda Rummet die einzelnen Stadtteile. Das Straßennetz dient dem Transport von Zeichen, es ist sozusagen der äußere Bestandteil der Stadt. Es herrscht Hektik und Termindruck. Jeder versucht irgendwo hin zu gelangen, alle sind unterwegs. Die Fortbewegungsmöglichkeiten, die gegeben sind, das Gehen einerseits und das Fahren andererseits, unterteilen die Passanten gleich in ihre unterschiedlichen sozialen Klassen. Das Proletariat ist als Fußgänger unterwegs zu seinen Mietskasernen, während sich das Bürgertum zu den Orten des kulturellen Vergnügens fahren lässt. ‘Lig en hel Armé strømmede Arbejderne langs Fortovene ud ad Broen - som en taktfast Marsch lød det mod Stenene og midt ad Gaden, paa Sporet, klemtede de oplyste Teatervogne frem, tre i Rad, propfulde, med glade, hætteklædte Damer, [...].’ Zudem gibt es im Großstadtroman einen Kontrast zwischen dem Straßenleben, der Öffentlichkeit mit all ihrem Trubel, und dem kleinen Leben im Inneren, in der Wohnung. Hier werden äußere Beobachtungen neben innere Verhältnisse gestellt. In der häuslichen Umgebung verhalten sich die Protagonisten anders als außerhalb. Die Straße ist gewissermaßen die äußere Schale der Stadt und der Blick in ein Haus ist ein Blick ins innerste der Stadt. In den privaten Gemächern kommen die Darsteller zur Ruhe und können der Überforderung durch die Stadt für einen gewissen Zeitraum entgehen. Bei Sult wird die Stadt in einzelnen Stücken geschildert. Der Held ist abgesondert von der arbeitenden Bevölkerung sein Tag beginnt sogar um zwei Stunden verschoben vom Rest der Stadt. Der Weg, den der Darsteller bei seiner Wanderung durch die Stadt zurücklegt, dient gewissermaßen als Verbindung zwischen den einzelnen Stationen seiner Handlung. Er erreicht im Laufe der Geschichte bei seinen vier Runden durch die Stadt insgesamt etwa 40-50 Stationen. Dabei erlebt er eine ewige Wiederkehr des Gleichen. Er vollführt einen Wechsel zwischen Zielstrebigkeit und einer Form des Sich-Treiben-Lassens. Im gesamten Text gibt es kein genaues Ziel, auf welches die Handlung hinausläuft. Nach seinen vier Umläufen entkommt der Held diesem engen Gebiet der Stadt jedoch und verschafft sich einen größeren Umkreis. Der gesamte Text erweist sich im Grunde als ein rasantes ‘Auf-der-Stelle-Treten’. Es passiert kaum etwas bzw. immer wieder das Gleiche und doch ist der Held permanent in Aktion. In Rand wird der städtische Schauplatz überführt vom topographischen Ort zu einem Ort der Texte. Im Laufe der Handlung werden mehrere Menschen ermordet und die jeweiligen Orte des Geschehens ausführlich beschrieben. So findet der erste Mord beispielsweise in der Nähe einer Bibliothek statt, welche in gewisser Weise ein Ort der Texte ist. Hier wird ein Architekt getötet, der wiederum durch seine Arbeit am Bild der Stadt beteiligt ist. Nach dieser Gesamtübersicht über die Kulisse der Großstadt wird im Folgenden auf zwei spezielle Kulissen gesondert eingegangen.

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