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  • "Der Stellvertreter" und seine Umsetzung in Theater und Film: Das Politische in Rolf Hochhuths Drama, Erwin Piscators Bühneninszenierung und Constantin Costa-Gavras' Film

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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 08.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 108
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Dieses Buch behandelt Rolf Hochhuths Drama Der Stellvertreter und dessen Realisierungen in Theater und Film. Da Der Stellvertreter als politisch engagiertes Stück gilt, legt diese Untersuchung ihren Fokus auf Aspekte des Politischen. Als Umsetzungen in Theater und Film werden die Stellvertreter -Realisierungen von Erwin Piscator und Constantin Costa-Gavras untersucht, weil beide Arbeiten von jeher politisch motiviert sind und sie jeweils die ersten ihres Fachs waren, die den Stellvertreter umsetzten: Piscator auf der Theaterbühne (Uraufführung 1963), Costa-Gavras im Film (Premiere 2002). Diese Untersuchung beleuchtet die Frage, inwiefern Hochhuths Drama und besagte Umsetzungen als ‚politisch‘ bezeichnet werden können bzw. inwieweit Hochhuth, Piscator und Costa-Gavras die Versprechen ihrer ‚politischen Programme‘ in ihren Werken auch einlösen. Dazu liefert diese Studie jeweils eine Einführung zur Werkgeschichte und zu den Intentionen, die Hochhuth, Piscator und Costa-Gavras mit ihren Arbeiten verfolgen und bietet schließlich eine Dramen-, eine Aufführungs- sowie eine Filmanalyse des Stellvertreters .

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3., Rolf Hochhuths Drama «Der Stellvertreter»: 3.1, Problematik der literarischen Zuordnung: Im Vorwort zur Buchausgabe des «Stellvertreters» schrieb Erwin Piscator über Hochhuths Drama: ‘Ein episches Stück, episch-wissenschaftlich, episch-dokumentarisch ein Stück für ein episches, «politisches» Theater, für das ich seit mehr als dreißig Jahren kämpfe: ein «totales» Stück für ein «totales» Theater.’ Nur wenige Zeilen zuvor jedoch war da etwas ganz anderes zu lesen: Dieses Stück ist ein Geschichts-Drama im Schillerschen Sinne. Es sieht, wie das Drama Schillers, den Menschen als Handelnden, der im Handeln «Stellvertreter» einer Idee ist: frei in der Erfüllung dieser Idee, frei in der Einsicht in die Notwendigkeit «kategorischen», das heißt: sittlichen, menschenwürdigen Handelns. Piscator benannte damit zwei unterschiedliche literarische Tendenzen des Stücks, ohne dass ihm die Verschiedenartigkeit der von ihm genannten literarischen Ausprägungen aufzufallen schien. Seine Worte weisen auf ein grundsätzliches Problem des «Stellvertreters» hin: Das Stück vereinigt Stilprinzipien der verschiedensten Theaterformen in sich. Konzentrierte sich die öffentliche Diskussion um Hochhuths Stück fast ausnehmend auf die Frage nach der historischen Beweislast gegen Papst Pius XII., so bemühte sich der Literaturbetrieb vor allem darum, die ästhetische und literarische Zugehörigkeit des Textes zu klären. Verschiedentlich wurde der Frage nachgegangen, welcher Theaterform man den «Stellvertreter» am ehesten zurechnen könne: der des Dokumentartheaters (als dessen Vorläufer das Stück bis heute gilt), der des epischen Theaters, der des politischen Theaters, des klassischen Geschichtsdramas oder aber der des Moralitätentheaters? Eine eindeutige literarische Zuordnung des «Stellvertreters» ist bis heute nicht gelungen. Jan Berg schreibt zu den Versuchen der literarischen Klassifikation: Solch gattungspoetisches Vergleichen des Neuen mit dem Vertrauten läuft Gefahr, nur sein Interesse, überall formale Ähnlichkeit zu finden, zu befriedigen. Die Inhalte, denen solche Theatermittel gelten, werden dann nur noch als abgeleitete Problematik behandelt. Tatsächlich ergab sich im Umgang mit dem «Stellvertreter» das Problem des schablonenartigen Vergleichens. In unterschiedlichen Publikationen wurde Hochhuths Drama – nicht selten rein assoziativ und bar jeder Methode – als Werk einer bestimmten Theater- oder Literaturästhetik dargestellt und das Hochhuthsche Werk sodann mit dem entsprechenden Theoriegerüst in Vergleich gesetzt bzw. der Anteil des Fremden so lange mit Bekanntem verglichen, bis nichts Fremdes mehr übrig blieb. Dabei wurde manches Mal ignoriert, inwieweit ein solcher Vergleich überhaupt sinnvoll sein, geschweige denn sich mit den Werken des Autors tatsächlich decken kann. Eine eindeutige Zuordnung lässt «Der Stellvertreter» nicht zu. Der Widerspruch liegt im Werk selbst. Es finden sich Wesensmerkmale mehrerer, vollkommen andersartiger Gattungen. Rechnet man den «Stellvertreter» einer Richtung eindeutig zu, muss man gleichzeitig Charakteristika anderer ausblenden. Ein literarischer Vergleich des Stücks mit bekannten Literatur- und Theatervorbildern ist selbstverständlich sinnvoll, aber nur dann, wenn damit Stärken und Schwächen des Stücks aufgezeigt werden sollen, nicht aber um der bloßen schematischen Klassifikation willen. Diese Arbeit wird von dem Versuch einer eindeutigen literarischen Zuordnung des «Stellvertreters» absehen, sondern vielmehr aufzeigen, welche ästhetischen und ideologischen Überzeugungen Hochhuths Werk zugrunde liegen und welche Wirkunsabsicht der Autor – im späteren dann auch Piscator und Costa-Gavras – mit dem «Stellvertreter» verfolgt. 3.2, Ansichten eines Autors: Hochhuths Selbstverständnis und sein Bild vom Theater: 3.2.1, Hochhuths Glaube in das Individuum: ‘Das ist doch die wesentliche Aufgabe des Dramas: darauf zu bestehen, daß der Mensch ein verantwortliches Wesen ist,’ postulierte Hochhuth in einer Umfrage, die 1963 von der Theaterzeitschrift «Theater heute» unter zeitgenössischen Dramatikern in Auftrag gegeben worden war. Hochhuth selbst sieht sich nicht in erster Linie als politischen Autor, sondern sagt von sich: ‘Ich bin Humanist. Mit anderen Worten, ich glaube immer noch an die Autonomie des Individuums und daran, daß das Individuum eine Wirkung auf die Welt ausübt.’ Wenig verwunderlich ist deshalb, dass Friedrich Schiller Hochhuths größtes literarisches Vorbild ist. Wie Schiller betrachtet er das Theater als moralische Anstalt. In den «Historischen Streiflichtern», die er der Buchausgabe des «Stellvertreters» nachstellte, schrieb er in den Worten Schillers, dass das Werk eines Dramatikers ‘in allen seinen Teilen ideel sein muß, wenn es als ein Ganzes Realität haben soll.’ (ST 381) Hochhuths Stücke sind Tendenzstücke, und sein Anspruch an das Theater ist ein aufklärerisch-erzieherischer. Der «Stellvertreter» trägt den Untertitel «Ein christliches Trauerspiel». Und das ist es auch, worauf Hochhuths Tendenz zuvorderst abzielt: eine Revolution des Gewissens, genauer noch: des christlichen Gewissens. Im «Stellvertreter» drohen christlicher Glaube und christliche Liebe an den Verbrechen der Nazi-Zeit zu zerbrechen. Genau dies bedingt die tragische Ambivalenz, den unlösbaren Konflikt, dem Hochhuths Hauptfiguren wie klassische Helden zum Opfer fallen müssen. Sie scheitern, doch ihr Scheitern ist nicht sinnlos, denn nur so bestätigt sich die Existenz des christlichen Glaubens und der christlichen Liebe. Hochhuth ist ein ‘theologisierender Moralist, der trotz des deprimierenden Anblicks der geschichtlichen Wirklichkeit an der Verantwortlichkeit des Einzelmenschen festhält und diesen Einzelmenschen als eine vorausgesetzte und unverzichtbare Größe versteht.’ 3.2.2, Hochhuth gegen das Theater seiner Zeit: In seinem unerschütterlichen Glauben an das Individuum und seinem Menschenbild fußen die wesentlichen Unterschiede Hochhuths zu den bedeutendsten Dramatikern seiner Zeit. Mit Brecht hat er allenfalls das politische Engagement gemein. Ansonsten lassen sich wenig Ähnlichkeiten zwischen beiden nachweisen: der eine eher konservativer Traditionalist, der andere dem marxistisch-sozialistischen Gedankengut verbunden. Bertolt Brecht betrachtete den Menschen als Produkt der Verhältnisse, in denen er lebt. Hochhuth dagegen meint: Menschen machen Geschichte, nicht die Geschichte den Menschen. Mit dieser Auffassung bezog Hochhuth in den 1960ern auch eindeutig Stellung gegen die – ihm geradezu verhassten – Vertreter des Absurden Theaters. Autoren wie Samuel Beckett oder Eugène Ionesco führten die Einsamkeit und Ohnmacht des Menschen in der sinnentleerten Wirklichkeit der Nachkriegszeit modellhaft vor. Sie bedienten sich der Mittel von Groteske und Parodie und verzichteten auf realistisch-psychologische Charakterzeichnungen oder einen herkömmlichen Handlungsablauf. Mit der Entfremdung des Menschen aus der Welt, die er selbst geschaffen hat, befasste sich auch Theodor W. Adorno, der von Hochhuth mindestens genauso missbilligt wurde wie die Vertreter des Absurden Theaters.

Über den Autor

Nadine Wickert, M. A., wurde 1978 in Kirn/Deutschland geboren. Ihr Studium der Germanistik, Soziologie und Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft schloss die Autorin 2004 mit dem akademischen Grad der Magistra Artium erfolgreich ab. Anschließend zog sie von Köln nach Wien und arbeitete dort zunächst als Online-Redakteurin für verschiedene Medien- und Wirtschaftsunternehmen. Ihre Ausbildung zur Psychotherapeutin begann sie 2009. Seit 2013 arbeitet sie als ‚Psychotherapeutin in Ausbildung unter Supervision‘ in freier Praxis in Wien.

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