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  • Der Siegeszug der Spektakularität und mittendrin ein Steppenwolf? Hesses Roman durch die Brillengläser Guy Debords

Kunst & Kultur


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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 01.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 100
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Warum Hermann Hesse und Guy Ernest Debord, der ‚Steppenwolf‘ und die ‚Gesellschaft des Spektakels‘? Die Beziehung der beiden Schriften oder besser ihre In-Bezug-Setzung erscheint keinesfalls in einer schreienden Offensichtlichkeit und doch wird sich im Laufe der Studie ihre Evidenz zu erkennen geben. Die Möglichkeit zu einer konzentrierten Anwendung von Debords Thesen auf einen, ihm vermutlich unbekannten, literarischen Text ergibt sich zunächst einmal aus [s]einen passagenhaften Formulierungen, [die] nicht nur die offene, ausfransend-rhizomhafte Form der Gedankengänge [unterstreichen], sondern auch den Wunsch, eine Vielzahl von Zugängen zu diesem Gedankenwerk offen zu halten. Die immense öffentliche Rezeption der beiden Schriften hat mitunter dazu geführt, dass ihnen mittlerweile eine Art (ungewollter) Kultstatus anhaftet, der sie zu ideellen Symbolen der Moderne erhebt, und – so wird hier vermutet – den Blick für tiefergehende Aspekte verstellt, insofern der populäre Deutungskonsens individuelle Reflexionen und Interpretationen überdeckt oder gar verhindert.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 4.1.3, Von Angesicht zu Umsicht: Vergleich der beiden Textverfahren: Während Hesses Anti-Held Harry Haller größtenteils monologisch sich selbst reflektiert und nur dann einen Blick auf seine Umwelt wirft, wenn dies für den Prozess der eigenen Persönlichkeitsentwicklung fruchtbar erscheint , konzentrieren sich Debords umsichtige, aber subjektlos-sprechenden Thesen auf ein imaginäres ‚ihr‘, welchem der Realzustand des unlebendigen Elends aufgezeigt werden soll, um daraus eine Aufforderung für die längst überfällige Revolution gegen die Überflussgesellschaft zu artikulieren. Dies permanente Insistieren auf der Notwendigkeit, aktiv zu werden, sich der eigenen wie gemeinschaftlichen Kräfte wieder zu bemächtigen und dadurch das Leben endlich zu revitalisieren, vollzieht sich in Die Gesellschaft des Spektakels über eine latent dialogische Struktur, die den Leser ins Visier nimmt, um ihn aus seiner passiven Zuschauerrolle herauszulösen. Hesses Steppenwolf bedient, im Gegensatz dazu, die untätige Konsumtionshaltung der Rezipienten, insofern die Darstellungen, sprich die Ausstellung des spektakularisierten Protagonisten und seiner Weltsicht, zwar dem ein oder anderen als ‘gefährliches Wirrnis’ ‘mitten durch den Lebensnerv gehen muß’ , jedoch eben nicht zwingend zum Aufruhr der lesenden Masse führt. Diese intentionale Diskrepanz der beiden Texte wurzelt zum einen in der grundlegenden Opposition literarischer und theoretischer Formprägung , zum anderen in dem damit einhergehenden wirtschaftsrealen Umstand einer wesentlichen ‚Zielgruppen-Divergenz‘. Während der (mehr oder minder angesehene) Dichter Hermann Hesse sich einfach damit abfinden muss, dass seine Fiktionen auch jene ‘hochachtbaren Busen von Damen der Gesellschaft, von Rechtsanwälten und Industriellen’ nach schneller Lektüre kurz erbeben lassen, kann sich der Theoretiker und ausgewiesene Kritiker Guy Debord eines selektierteren Publikums sicher sein . Was beide Autoren an diesem Punkt jedoch wieder eint, ist der manifeste Wunsch einer Singularität, die sich auch in der Rezeption ihrer Werke spiegelt. Popularität wird nicht gänzlich abgelehnt, aber die Veröffentlichungen sollten denn doch nur erlesene, kompetente Geister treffen. Der Gefahr (naiver, aber auch absichtlicher) Fehlauslegung der eigenen Worte, sind sich sowohl Hesse als auch Debord durchaus bewusst und so versuchen beide, diese obstinat durch möglichst klare Formulierungen und dezidierte Konstruktionen zu bannen. Im Steppenwolf drückt sich jener Aspekt dergestalt aus, dass ‘die intersubjektive Gültigkeit der Erfahrungen und Einsichten häufig in Sentenzen vermittelt wird, die den paradigmatischen Charakter einer Aussage betonen.’ Sobald sich im Geiste des zur Schau gestellten Wüstentiers eine neue Erkenntnis ankündigt, was sich häufig als essentielle Konsequenz der relativ sporadischen Dialogsituationen darbietet, ist ein Wechsel im sprachlichen Duktus zu bemerken, der den Fokus vom rein Individuellen auf die Allgemeinheit umlenkt, aber nur, um die subjektiven Ideen und Emotionen als humanitäre Mindestausstattung oder humanistisches Musterbild zu lobpreisen. Dieser Wechsel zwischen pathetischer Übertragung und trivialer Egozentrik manifestiert sich besonders drastisch in den folgenden Worten Hermines: Sind denn Ideale zum Erreichen da? Leben wir denn, wir Menschen, um den Tod abzuschaffen? Nein, wir leben, um ihn zu fürchten und dann wieder zu lieben, und gerade seinetwegen glüht das bißchen Leben manchmal eine Stunde lang so schön. […] Ich werde mich heut nicht mehr um den Krieg und die Zeitungen kümmern. Dass das Inventar der Gesellschaft des Spektakels auf absolute Tatsachenfeststellung rekurriert, ist evident, verfestigt sich zudem in der Beobachtung, dass die Frage zur Mangelware verkommt und expliziert sich in Selbstbewertungen wie: ‘Irgendetwas maßlos Übertriebenes hat [dieses Buch] nie gesagt.’ Während Debord offensiv die Verbilderung der Welt, das ‚Entweichen des unmittelbar Erlebten in Vorstellungen‘ kritisiert, arbeitet Hesse in seinem Roman bewusst mit solch tautologischen Akkumulationen, wie ‘Bildhäufungen, die die verlorene Intensität des einzelnen Bildes kompensieren sollen.’ Statt die Problematik des geplünderten Wortschatzes mit einer bewussten Reduktion und daraus resultierender Sinnaufwertung des Singulären anzugehen, unterwirft er sich so dem zur Überproduktion tendierenden Kalkulationswahn und verschleudert geradezu exklamatorisch gleichsinnige Begriffe. ‘Differenzierende Nuancierung’ und ‘Intensivierung des Gefühlseindrucks’ erscheinen hier, kritisch betrachtet, eher als Nebenprodukte eines Schreibens, das sich der ‘Grenzen der eigenen dichterischen Sprache’ allzu bewusst geworden ist, jedoch keinen erfolgsversprechenden Ausweg findet und sich immer wieder an den signitiven Mauern stößt. [E]inmal Wirklichkeit mit zu gestalten, einmal ernsthaft und verantwortlich tätig zu sein, statt immer bloß Ästhetik zu treiben und geistiges Kunstgewerbe. Es endete aber immer mit der Resignation, mit der Ergebung ins Verhängnis.

Über den Autor

Carolin Hildebrandt, M.A. wurde 1990 in Schmalkalden geboren. Ihr Studium der Germanistik, Kunstgeschichte und Philosophie an der Justus-Liebig-Universität Gießen schloss die Autorin im Jahre 2011 mit dem akademischen Grad des Bachelor of Arts ab. Ein Anschlussstudium der Literaturwissenschaft an der Universität Erfurt absolvierte Carolin Hildebrandt 2013 mit dem akademischen Grad des Master of Arts. Fasziniert von medienanalytischen Tendenzen und interdisziplinären Schnittstellen, konzentrierte sich die Autorin in ihren Arbeiten und Projekten stets auf solche Problemstellungen, die einen gesellschaftskritischen Ansatz verfolgten. Die Literatur auf ihre subtilen Themen zu untersuchen, das war und ist das Ziel der Autorin, auch in dieser Studie.

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