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- Das wiederkehrende Motiv des Bösen in phantastischer Kinder- und Jugendliteratur
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 10.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 120
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Es wird schwer zu bestreiten sein, dass das Böse in der Welt existiert und deshalb auch in der Literatur thematisiert worden ist und wird. Das Böse wird niemand in Worte fassen können, denn es ist nicht greifbar. Die phantastische Kinder- und Jugendliteratur spielt, von den Märchen der Gebrüder Grimm bin hin zu J.K. Rowlings Harry-Potter-Zyklus, eine wichtige Rolle in der Literaturgeschichte. Die Präsenz des Bösen ist hierbei ein immer wiederkehrendes Motiv. Im Zentrum der meisten Erzählungen steht stets der Kampf zwischen Gut und Böse. In dieser Studie untersucht der Autor die Charakteristika phantastischer Kinder- und Jugendliteratur und erforscht, warum diese auch erwachsene Leser begeistert. Anhand detaillierter Analysen klassischer phantastischer Werke gewährt das Buch einen Einblick in die Darstellung des Bösen und vermittelt dem Leser einen Eindruck der Faszination, die das Böse seit Jahrhunderten auf das Lesepublikum ausübt.
Kapitel II., Das Böse: Es wird schwer zu bestreiten sein, dass das Böse in der Welt existiert und deshalb auch in der Literatur thematisiert worden ist und wird. Der Kampf zwischen dem Guten und Bösen nimmt einen zentralen Platz in der phantastischen Kinder- und Jugendliteratur ein. Das Böse wird niemand in Worte fassen können, denn es ist nicht greifbar. Nach klaren Definitionen wird man vergebens suchen. Die Definition aufstellen zu wollen wäre utopisch, denn jedes Individuum hat subjektive Vorstellungen des Bösen ein Konsens ist unmöglich. Jeder Mensch bewertet das Böse subjektiv und legt für sich selbst fest, was das Böse ist. Auch Lacroix stellt fest, dass die Kategorien von Gut und Böse je nach Epochen, Orten und Individuen veränderlich sind (Lacroix 1998, S. 108). Dabei ist der nie festlegbare Kern des Bösen (Häring 2003, S. 101) nicht zu unterschätzen. 1., Was ist das Böse? – Ein Definitionsversuch: Das Böse wird oft in einem Atemzug mit dem Guten erwähnt, weshalb sich viele Definitionsversuche des Guten bedienen, um von ihm ausgehend das Böse einzugrenzen. So sieht man in der klassischen Definition des Bösen vor allem die Abwesenheit des Bösen. Lacroix (1998, S. 59f) bestätigt dies: Traditionell sieht man [...] [in der klassischen Definition] einen ‚Mangel’, ein ‚Fehlen’ oder ‚Verfehlen’, eine ‚Unvollkommenheit’, ein ‚Nichtvorhandensein’ oder ein ‚Weniger’ . Sich bei dieser Definition lediglich auf einen Mangel, ein Fehlen des Guten zu beziehen ist jedoch nicht ausreichend. Was assoziiert man nun mit dem Begriff des Bösen? Als das wirklich Böse gilt stets etwas, von dem man unbedingt überzeugt ist, dass es nicht sein sollte, das ‚man’ auf keinen Fall will (Simonis 1999, S. 210). Ein Mensch kann sich böse oder boshaft verhalten, das personifizierte Böse aber ist real nicht existent. Trotz oder gerade wegen seiner Unbestimmtheit ist der Begriff des Bösen polymorph. Safranski (1997, S. 17) hält dagegen, dass das Böse kein Begriff sei, sondern lediglich ein Name. Das Böse kann dabei sowohl [...] in einem abstrakten Sinn gemeint [sein] oder, besser gesagt, der Glaube, dass es das Böse an sich gibt, als auch das ganz konkrete Böse in verschiedenen Handlungen der Menschen – von der gemeinen Lüge und Intrige über Beschädigung fremden Eigentums, Diebstahl und Raub bis zu Brandstiftung, Vergewaltigung und Mord. (Wuketits 1999, S. 41). Das Böse steht sowohl für bösartige Krebstumore, bezeichnet aber auch die aus-beuterische Skrupellosigkeit weißer Geschäftsleute in Afrika oder Südamerika, die Korruption, die Verbrechen der Nationalsozialisten im III. Reich, den Hass jugendlicher Amokläufer an Schulen, den Terrorismus, den Missbrauch von Schutzbefohlenen oder Kriegsverbrechen. Auch Wuketits (1999, S. 41) bestätigt die Vielfalt des Bösen: Die[..] Palette ist sehr breit es gibt kaum etwas, was Menschen anderen Menschen noch nicht angetan haben . Das Böse ist überall und omnipräsent. Es begegnet uns tagtäglich in den Medien, sei es die Nachricht über den Selbstmordattentäter im Irak, der 50 Menschen mit in den Tod riss, Bilder von verhungerten Kindern im Internet oder Fernsehserien wie CSI (Crime Scene Investigation), in denen das detaillierte Obduzieren von Leichen zum Alltagsgeschäft gehört. Das Drama des World Trade Centers in New York am 11. September 2001 führte zur Definition einer ‚axis of evil’ [Achse des Bösen] durch den amerikanischen Präsidenten und zum Kampf gegen das Böse in der ganzen Welt (Ritter, Schlumberger 2003, S. XI). Der Philosoph Lacroix (1998, S. 7) unterscheidet zwischen dem Unausweichlichen und dem Unakzeptablen – also zwischen dem, was schicksalhaft ist, und dem, was der Absicht entspringt, anderen zu schaden . In der Theologie und der Philosophie wird das physische Übel/Böse, das der Mensch erleidet, dem moralischen Übel/Bösen, das der Mensch begeht, gegenübergestellt. Damit rückt man im ersten Falle in die Position des Objekts, im zweiten in die Position des Subjekts. Da Täter jedoch fast immer auch einmal Opfer waren, erweist sich eine solche Unterscheidung schnell als unpraktikabel und macht eine Trennung von erlittenem und begangenem Übel daher nutzlos, diese Auffassung vertritt auch Lacroix (1998, S. 8f). Es gilt also zu erforschen, was die gemeinsame Wurzel der Sünde (des begangenen Bösen) und des Leids (des erlittenen Bösen) ausmacht (Ricœur zitiert nach Lacroix 1998, S. 9). 2., Warum gibt es das Böse? – Die Dichotomie von Gut und Böse: In der phantastischen Kinder- und Jugendliteratur kann das Gute und das Böse klar voneinander getrennt werden, doch was wäre das Gute ohne das Böse? Böses lässt sich nur dann erkennen, wenn man eine Vorstellung vom Guten hat. Das Gute existierte ohne das Böse nicht, denn ebenso wenig wie sich das Helle ohne Zuhilfenahme des Dunklen beschreiben ließe, so wenig ließe sich das Gute unter Ausschluss des Bösen beschreiben. Gut und Böse bedingen sich gegenseitig, ähn-lich wie Yin und Yang im Taoismus: Um das Gute in der Welt zu haben, bedarf es demnach des Bösen. Das Böse muss also existieren, ist unbedingt notwendig, denn [e]ine Welt, in der alles in gleicher Weise gut ist, wäre unvollkommen (Lacroix 1998, S. 28). Eine solche Welt wäre zu vollkommen und könnte nicht lange, wenn überhaupt, bestehen. Man wird sich nicht der Utopie hingeben können, dass es jemals eine ausschließlich gute Welt geben wird, denn woran sollte man das Gute dann noch erkennen können? Haas und Klingberg stellen fest, dass sich [n]icht zuletzt [...] die mythische Bild-lichkeit der Phantastik in vielerlei Hinsicht als Vorform oder Parallele zu einem entwickelten, argumentativen religiösen Denken [erweist] (Haas, Klingberg 1984, S. 283). Eine wichtige Antriebskraft des christlichen Glaubens ist die Idee einer besseren Welt, und besser kann die Welt nur werden, wenn im Widerstreit zwischen Gute und Böse das Gute siegt und das Böse unterliegt. Bräuchte man in einer paradiesisch guten Welt überhaupt noch einen Glauben an Gott? Die Menschheit muss sich mit dem Bestehen des Bösen abfinden und arrangieren. Dies bestätigt auch Simonis (1999, S. 11): Im christlichen Glauben, im Welt- und Menschenbild der Kirche spielt die[...] Überzeugung [der Existenz des Bösen] eine zentrale Rolle. ‚Und erlöse uns von dem Bösen’ lautet die letzte Bitte des Vaterunser . Der Glaube an Gott und die Bitte um Erlösung, kann aus der Sicht von Häring (2003, S. 111) Gott jedoch auch überfordern: Er stellt fest, dass Religionen ihrem Gott (oder ihren Göttern) definitionsgemäß mehr zu[trauen], als er vermag . Christen flehen ihren Gott an, sie von dem Bösen zu erlösen, zu befreien, denn sie selber sind ihm nicht gewachsen. Sie glauben an Gott und seine Allmächtigkeit, Simonis (1999, S. 13) betont, dass wir [a]ber an Gott [...] nur glauben [können], um das Böse [hingegen] wissen wir . Um das Böse zu wissen, ihm aber ohnmächtig gegenüberzustehen, da es nicht greifbar ist, treibt den Menschen in die Verzweiflung: Um der Verzweiflung zu entgehen und um sich mit der Welt wieder auszusöhnen, sucht der Mensch in den Übeln, die ihn heimsuchen, nach einer Bedeutung. [...] Gedankliche Systeme bieten den Vorteil, dass sie das schockierende Ausmaß des Bösen abmildern, indem sie ihm einen sicheren Ort in einer totalisierenden und vernünftigen Weltanschauung zuweisen. Sie exorzieren das Böse mittels gedanklicher Arbeit, integrieren es in die Ordnung der Vorstellung [...]. Dadurch geben sie dem Menschen einen gewissen Halt. (Lacroix 1998, S, 9f) An Gott zu glauben und darin einen Halt zu finden heißt, an einen guten Gott zu glauben, der die Menschheit geschaffen hat und fortan ihr Geschick lenkt. Kann man Gott überhaupt einfach mit einem so simplen Wort wie gut darstellen? Wenn Gott gut ist, warum gibt es dann das Böse in der Welt?, so lautet der Titel eines Buches von Staguhn . Simonis’ Arbeit trägt den Titel: Woher kommt das Böse? ...wenn Gott gut ist. Gott als einen guten Gott hinzustellen, kann auch als Versuch ausgelegt werden, ihn auf die Ebene des Menschlichen zu stellen. Das Göttliche ist einfach nur und entzieht sich damit jeglicher Wertung. Auf den Menschen lassen sich die Begriffe gut und böse jedoch anwenden, denn beide Begriffe sind vom Menschen erschaffen, und erschein[en] zunächst einmal in menschlicher Sprache (Simonis 1999, S. 210). Im Vergleich zu Gottes Allwissenheit ist der menschliche Verstand beschränkt. Auch wenn wir von der Tatsache ausgehen, dass etwas böse ist, so können wir, ungleich Gott, nicht wissen, welchem Zweck es letztlich dienen soll. Gottes Vorsehung reicht so weit, dass Böses auch dem Guten dienen kann. Lacroix postuliert, dass sich Gott [...] des Bösen in jedem Falle in guter Art und Weise (Lacroix 1998, S. 19) bedient. Weiter führt Lacroix aus, dass Gott auch eine sinnreiche Vorsehung aus[übt], dank der sich das Böse zum Guten wandelt (Lacroix 1998, S. 20). Das Böse ist auch hier unabdingbar: Für die Christen muss der Wiederkehr Christi sogar das Erscheinen des Anti-christen vorausgehen, der Verkörperung des Bösen. Es ist also, als würde das absolut Gute eine vorausgehende Zuspitzung des Bösen verlangen. (Lacroix 1998, S. 22). Für Häring (2003, S. 111) lautet die eigentliche religiöse Frage allerdings nicht: Wie kann es angesichts eines gütigen und allmächtigen Gottes Übel und Böses geben? Sie lautet ursprünglich: Wer kann uns aus diesem Elend und vor dem Bösen retten? Gott wird sich dem Bösen stellen und die Menschheit vor ihm beschützen. Doch ist dem wirklich so? Folgende Thesen eröffnen Potential zu weiteren Diskussionen: Wäre es für Gott nicht einfacher gewesen, statt mühsam das Böse zum Guten zu wenden, wenn er kurzerhand eine Welt ohne das Böse geschaffen hätte? Dann würde das Böse einfach nicht existieren. Aber Gott handelte anders. Fehlte es ihm etwa an Güte? Nein, seine Güte ist doch unendlich. Vielleicht konnte er keine Welt schaffen, die frei ist vom Bösen. Ist er auf ein böses Prinzip gestoßen, das ihn daran hinderte? In diesem Falle wäre seine Macht begrenzt... (Lacroix 1998, S. 23) Je intensiver man sich mit dem Vorhandensein des Bösen beschäftigt, desto größer werden die Zweifel an Gott, bis hin zu Zweifeln an dessen Existenz. Um diesen Schwierigkeiten zu begegnen, hat sich an der Grenze von Theologie und Philosophie eine Form spekulativen Denkens herausgebildet, die Theodizee genannt wird (Lacroix 1998, S. 23).
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