Suche

» erweiterte Suche » Sitemap

  • Sie befinden sich:
  • Fachbücher
  • »
  • Kunst & Kultur
  • »
  • Das Böse in One Flew Over the Cuckoo’s Nest: Eine philosophische Betrachtung des Romans, des Dramas und des Films

Kunst & Kultur


» Bild vergrößern
» Blick ins Buch
» weitere Bücher zum Thema


» Buch empfehlen
» Buch bewerten
Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 08.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 104
Abb.: 20
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Das Ringen um Verständnis für das Phänomen des Bösen begleitet den Menschen seit Anbeginn seiner Existenz. Ken Keseys ‚One Flew Over the Cuckoo's Nest‘ ist eine jener Geschichten, die von menschlichen Schicksalen als Opfer und Täter erzählen. Dem Leser des Romans begegnen dabei vielfältigste Formen willentlich zugefügten Leids. Dieses Buch unternimmt nun auf theoretischer Basis philosophischer Erkenntnisse den Versuch, die Elemente des Bösen im Roman zu analysieren und deren Ursprung einer Interpretation zuzuführen. In der Folge werden jene Aspekte des Bösen mit der Darstellung derselbigen in der gleichnamigen Theateradaptation (Dale Wassermann) und dem Film (Miloš Forman) verglichen. Die Studie untersucht hierbei Parallelen und Unterschiede in der Umsetzung der verschiedenen Personifikationen und Manifestationen des Bösen. Hinsichtlich der gewonnen Erkenntnisse gibt dieses Buch dem Leser Angebote möglicher Sinndeutungen.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3.2.1, Darstellung im Roman und Drama – Sadismus und Vergeltung: Stellt man sich die Aspekte des Bösen in Cuckoo’s Nest als ein hierarchisches Konstrukt vor, so müssten man die Wärter der Station als direkte Befehlsempfänger der Big Nurse auf der untersten Ebene dieses Gedankenmodells verorten. Neben den Nachtwachen Geever und Turkle, denen in Keseys Roman eine andere, noch zu diskutierende Rolle zugeordnet wird, sind es die orderlies Washington, Warren und Williams, denen eine nicht unerhebliche Aufgabe im System der Kontrolle zugewiesen wird. Die Funktion der bereits im dritten Satz des Romans als ‘sulky and hating everything’ beschriebenen Wärter kann als direkter, physischer Schnittpunkt zwischen der Befehlsinstanz Ratched und den ihr untergebenen Patienten bezeichnet werden. In dieser Position wirken sie als vollziehende Exekutivgewalt, sollte einer der Befehlsempfänger einer Anordnung zuwiderhandeln oder die Ausführung jener Handlung lediglich verzögern. Die Wärter sind hierbei allerdings selbst nicht befugt, eigene Entscheidungen zu treffen, sondern wirken ausschließlich als ‘Sicherheitspolizei’ der ihnen übergeordneten Instanz. Die Sterilität dieser Aufgabe drückt sich nicht zuletzt im gemeinsamen Anfangsbuchstaben ihrer Familiennamen aus, der sie gleichzeitig ein Stück weit anonymisiert und ersetzbar scheinen lässt. Michael M. Boardman weist darauf hin, dass die Figuren der Wärter auch dahingehend eine wichtige Rolle in der Geschichte erfüllen, da sie die Präsenz der von nurse Ratched ausgehenden kalten Gewalt in heiße umzusetzen vermögen: ‘They [die Patienten] must be watched, pushed around, even sexually abused …. Many of these activities the nurse could not plausibly engange in. The attendants, furthermore, must have sufficient motivation to commit such acts, against men who are not only pitiful but largely helpless.” Um diese ‘Charaktereigenschaften” glaubwürdig vermitteln zu können, bedient sich Kesey einer von Bromden erzählten Anekdote, die wohl generisch für alle drei Wärter ihre Gültigkeit hat. In der einzigen Passage, in welcher über die Vergangenheit der drei Wärter berichtet wird, schildert Bromden Folgendes : ‘His mother was raped in Georgia while his papa stood by tied to the hot iron stove with plow traces, blood streaming into his shoes. The boy watched from a closet, five years old and squinting his eye to peep out the crack between the door and the jamb, and he never grew an inch after”. Kierkegaard sieht in einem solchen Erlebnis der ‘Angst, den psychologischen Zustand, welcher der Sünde vorausgeht’. Kesey portraitiert den Ursprung des sadistischen Verhaltens der Wärter also als persönlichen Rachefeldzug. Hierbei macht er aber auch deutlich, dass das Objekt dieses Hasses nicht einmal ersatzweise jene trifft, die im entferntesten Sinne mit den Urhebern jenes Verbrechens assoziiert werden könnten. Obschon die orderlies Ratched – jene Figur, die ebenfalls Kontrolle über sie ausübt – über die Maßen verabscheuen (‘hating her and her chalk doll whiteness’ ), kanalisieren sie ihre Rachegefühle jedoch auf die Patienten und somit auf die Subjekte eben jener Hilflosigkeit, die sie ebenfalls teilten und teilen. Kesey lässt den Sadismus dieses unmittelbaren, physischen Bösen der Wärter in mehreren Anekdoten deutlich werden. Hierbei insinuiert der Autor nicht selten das Rachemotiv ihrer Grausamkeit. Wenn Bromden erzählt, wie der hier wiederum anonymisierte ‘black boy’ den chronic Pete an seinem Arm ergreift, als wären es ‘reins on a plow horse to turn him’, so kann dies als direkter Bezug zum Kindheitserlebnis der Vergewaltigung seiner Mutter (‘plow traces’) interpretiert werden. Auch die Tatsache, dass der Wärter den erwachsenen Pete wiederholt mit ‘boy’ apostrophiert, könnte als Indiz dafür gewertet werden, dass dieser diese pejorative, rassistische Bezeichnung selbst erleiden musste und nun in seiner Vergeltung sich dieser Situationen erinnert. Diese Reflexion des Hasses wird deutlicher an einer weiteren Stelle. Nach dem McMurphy sich nicht davon abhalten lässt, singend seine Zähne mit Seifenpulver zu putzen, wendet sich einer der Aufseher dem unbeteiligten Bromden zu und befiehlt diesem, ihm seine Arbeit abzunehmen: ‘There! Damn you, right there! That’s where I want you workin‘, not gawkin‘around like some big useless cow! There! There!” Die Unmittelbarkeit dieser Reaktion zeigt die Hilflosigkeit der Wärter, sich ihrer Aggressoren erwehren zu können. Auch der Umstand, dass sich die Wut der orderlies nicht nur gegen Schwächere, sondern über die Maßen gegen Bromden und somit gegen ein Mitglied einer weiteren US-amerikanischen Minderheit richtet, offenbart die Bewusstlosigkeit ihres Fehlverhaltens. Der sexuelle Gewaltakt gegen die generische Mutter der Wärter findet ebenfalls seine Wiederaufnahme im Roman. Auch wenn die Vergewaltigung nicht expressis verbis von Weißen begangen wurde, so reiht sich der Bericht doch lückenlos in die rassistischen Übergriffe in den US-amerikanischen Südstaaten der 30er Jahre ein. Wenn einer der Wärter nun zu Hardings Frau in dessen Gegenwart ‘don’t you forget now, you hear?’ sagt und jene dieser Aufforderung mit einem Luftkuss begegnet, so erreicht dies natürlich noch lange nicht die Qualität des zuvor geschilderten Verbrechens. Es eröffnet dem sich seiner Sexualität ohnehin unsicheren Harding jedoch die Vorstellung eines baldigen Geschlechtsaktes seiner promiskuitiven Frau mit einem anderen, ihn sowieso schon unterdrückenden Mann. Als eine weitere Analogie hierzu kann die Frage des ‘dwarf black boy’ an den chronic Ruckly, welcher infolge einer Lobotomie sein Dasein mit dem Betrachten eines alten Fotos seiner Frau fristet, betrachtet werden, wenn dieser ihn fragt: ‘Say, Ruckly, what you figure your little wife is doing in town tonight?’ In beiden Fällen ist es weniger das sexual-maskuline Machtgebaren, das die Wärter zu solchen Tat veranlasst, sondern vielmehr ein weiterer Aspekt der Rache und Wiederholung der ihnen angetanen Greul. In Wassermans Adaptation findet sich keine Kindheitspassage, die das Verhalten der Wärter erklären könnte. Das Drama beginnt mit einem Soliloquium Bromdens, das durch die Ankunft der nunmehr auf zwei Individuen (Warren und Williams) reduzierten Aufseher unterbrochen wird. Wasserman lässt seinem Publikum die menschenverachtenden Tendenzen der orderlies gleich zu Beginn deutlich werden. Unter Gelächter und wiederkehrenden Bezeichnungen wie ‘loony’, ‘baby’ oder ‘damn redskin’ wird Bromden, ähnlich wie im Roman, gezwungen, den Gang der Station zu fegen. Aber auch Wasserman insinuiert zunächst, dass der Groll der Wärter seinen Ursprung im diskriminierenden Verhalten der ihnen Übergeordneten haben könnte. Denn auch die Ratched des Dramas spricht die ihr Untergebenen mit ‘boys’ an, worauf diese lediglich mit einem servilen ‘Yeah, Miz Ratched’ zu antworten befugt zu sein scheinen. Wenig später wird die Abneigung Warrens und Williams ihrer Vorgesetzten gegenüber offenkund: ‘Haw! Why’n’ we jus‘ beat her back?... First we slug ‘er with this can. … Prize open ‘er mouth. Stuff this whole damn mess inside! Ram it to the bottom with a mop”! Vergleicht man die Passagen des Buches, die zur Charakterprägung der Wärterfiguren beitragen, so wird auffällig, dass sich auch Wasserman der Zahnbürsten-Szene nahezu unverändert bedient, um dem Publikum die Vergeltungssucht der Aufseher bewusst werden zu lassen. Die Anwendung physischer Gewalt beschränkt sich im Drama lediglich auf das Festzurren Bromdens, bevor dieser rasiert werden soll. Neben diesen wenigen Ausnahmen lassen sich aber keine Parallele zwischen dem Roman und der Tragödie feststellen. Es kommt auch nicht zur körperlichen und kaum zu verbalen Auseinandersetzungen zwischen den Wärtern und McMurphy, was sowohl im Roman als auch im Film des Öfteren der Fall ist. Die gebotenen Kürzungen des Gegenstandes bei einer Theateradaptation berücksichtigend kommt der Betrachter beider Werke dennoch nicht umhin zu bemerken, dass die Wärter bei Wasserman eine eher geringe Rolle einnehmen. Da es sich jedoch bei beiden Darstellungen um flat character handelt, scheint die verminderte Präsenz der Wärter im Drama weniger ins Gewicht zu fallen – ihr Sadismus wird dem Publikum trotz alledem vor Augen geführt. Im Zuge der Untersuchungen der Wärter stellt sich natürlich auch die Frage, warum in Keseys Roman selbige allesamt Farbige sind. Der Umstand ihrer sadistischen Neigungen, die unzähligen, rassistischen Bezeichnungen wie ‘boy’, ‘Sam’, oder gar ‘nigger’ , und der Fakt, dass es sich bei ihre Opfern, mit Ausnahme Bromdens, ausschließlich um angehörige der europäisch-stämmigen Ethnie handelt, brachte Kesey von vielen Kritikern den Vorwurf ein, in dieser Hinsicht äußerst unsensibel vorgegangen zu sein. In der Tat scheint es auf den ersten Blick legitim zu hinterfragen, ‘why are the attendants black?’ Als Antwort scheint sich Keseys Entschluss aufzudrängen, dem Hass der Aufseher mithilfe der Vergewaltigung der Mutter (durch Weiße?) und ihrer marginalisierten, weil der ständigen, gesellschaftlichen Diskriminierung ausgesetzten Lage, einen plausiblen Ursprung geben zu wollen. Darüber hinaus finden sich im Roman mehrere subtile Passage, die in ihrer Gesamtheit oben genannten Vorwurf entkräften: Zum einen bemerkt Bromden zu Beginn seiner Erzählung, dass Ratched schon Tausende vor Washington, Warren und Williams für sich hat arbeiten lassen, um jene mit dem größten Potential an Verbitterung für ihre Station akquirieren zu können. Ferner begegnet dem Leser in einer von Bromdens retrospektiven Anekdoten, die auch seine Aberration des illusorischen Nebels näher erläutert, ein afroamerikanische Arbeiterin in einer Baumwollmühle. Kesey schildert die Hilflosigkeit des Mädchens und ihren verzweifelten Appell an Bromden. Das Mitgefühl, das der Leser zwangsläufig mit dieser Randfigur entwickeln muss, steht im krassen Gegensatz zu der mit den Wärtern assoziierten Antipathie. Auch das Wohlwollen, welches die Nachtwachen Turkle und Geever nicht nur einmal ihren Patienten gegenüber demonstrieren, belegt, dass Kesey keinesfalls eine Gleichung ‘farbig gleich böse’ aufzumachen beabsichtigte. Das Opferbild der weißen Patienten gerät ebenso ins Schwanken, eingedenk der Tatsache, dass Bromdens retrospektive Digressionen als Parabel des weißen Rassismus gegen die indigene Bevölkerung verstanden werden müssen. Die aus heutiger Sicht als verbale Entgleisungen zu beurteilenden Apostrophierungen der farbigen Aufseher könnten als Elemente der verisimilitude und in globalerer Perspektive vielleicht als ‘Huckleberry-Finn-Phänomen’ interpretiert werden. Auch wenn es schwer fällt, die fortwährenden, abfälligen Bezeichnungen zum Wohle der Wirklichkeitsnähe des Romans zu akzeptieren, so muss eben verstanden werden, dass selbige in den USA der frühen 60er Jahre, besonders bei interethnischen Auseinandersetzungen, keine Seltenheit waren. Außerdem kann angenommen werden, dass sich der Leser aufgrund dieser Beleidigungen nicht allzu leicht von einem einseitigen Täterbild der Wärter einvernehmen lässt und stattdessen die Ambivalenz ihrer Situation zu überdenken gefordert ist.

Über den Autor

Toni Friedrich wurde 1983 in Borna geboren. Sein Studium an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg schloss der Autor im Jahre 2012 mit der Ersten Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien mit Auszeichnung ab. Beeinflusst von verschiedenen universitären Angeboten und seinem Auslandsaufenthalt in New York, entwickelte sich beim Autor während des Studiums eine Faszination für das Metier der amerikanischen Literatur sowie die Motivation sich der Thematik des vorliegenden Buches zu widmen.

weitere Bücher zum Thema

Bewerten und kommentieren

Bitte füllen Sie alle mit * gekennzeichenten Felder aus.