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- Das Böse in der phantastischen Literatur der Gegenwart
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 08.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 96
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Im alltäglichen Leben folgt uns das Böse auf Schritt und Tritt. Sieht, liest oder hört man Nachrichten und wird dort von einem Gewaltverbrechen gesprochen, verursacht dies Mitleid mit dem Opfer. Geschieht das gleiche Verbrechen allerdings in einem literarischen Werk, bewirkt es eine andere Reaktion und ruft Faszination im Leser hervor. Das in der realen Welt verpönte Böse erstrahlt in der fiktionalen Welt plötzlich in einem völlig anderen Licht. In der vorliegenden Arbeit wird untersucht, woher das Böse stammt und was darunter zu verstehen ist. Es werden verschiedene Thesen diesbezüglich und deren Einfluss auf die Darstellung des Bösen in der Literatur behandelt Es werden Symbolik und Arten des Bösen in Die Stadt der Träumenden Bücher von Walter Moers, in Das Buch von Wolfgang und Heike Hohlbein und in Tintenherz von Cornelia Funke betrachtet. Untersucht wird dabei, wie das Böse sich in den jeweiligen Werken darstellt und die Anziehungskraft, die von ebendiesem Bösen ausgeht. Darüber hinaus wird der Einfluss des Bösen auf die Figuren innerhalb der Texte und auf den Leser ergründet.
Textprobe: Kapitel 4.1.1, Gefährliche Bücher in der Fremde: Husch, husch, verschwindet, ihr Kamillenteetrinker und Heulsusen, ihr Waschlappen und Schmiegehäschen, hier handelt es sich um eine Geschichte über einen Ort, an dem das Lesen noch ein echtes Abenteuer ist (Moers 2007, 9)! Der Leser wird bereits in der Einleitung des Romans Die Stadt der Träumenden Bücher darauf hingewiesen, dass es sich hierbei um Lektüre handelt, die sich nicht für schwache Gemüter empfiehlt, da sich in ihr Gefahren verbergen, die diese erschaudern ließen. Wer sich diesem Abenteuer dennoch anschließt und das Buch nicht zur Seite legt, muss mit der Gefahr, die auf ihn zukommt, leben, denn es ist [e]ine waghalsige Unternehmung aus Gründen des Forscherdrangs oder des Übermuts mit lebensbedrohlichen Aspekten, unberechenbaren Gefahren und manchmal fatalem Ausgang. (Moers 2007, 9) Schon eingangs wird erläutert, dass es sich um eine Geschichte handelt, in welcher der Protagonist Hildegunst von Mythennetz in den Besitz des Blutigen Buches gelangt ist. Allein diese Tatsache lässt schon erahnen, dass es sich keineswegs um ein einfaches Unterfangen handelt, sondern dass der Weg mit Gefahren und Bedrohungen gespickt ist. Der Leser dieses phantastischen Romans wird von vorneherein in eine Welt des Übernatürlichen gestürzt, in der nicht nur der imaginäre Lindwurm Hildegunst eingeführt wird, dessen Abenteuer in diesem Buch beschrieben werden soll, sondern gleichzeitig darauf verwiesen wird, dass es einen Ort gibt, an dem Lesen ein Wagnis ist. An diesem Ort können Bücher verletzen, vergiften, ja, sogar töten und man muss sein Leben aufs Spiel setzen, um an der Geschichte teilzuhaben , aber alles andere wäre auch ein sterbenslangweiliges Dasein (Moers 2007, 9). Hildegunst von Mythennetz verweist einführend also gleich auf die Faszination, die von der Gefahr ausgeht. Trotz dieser offenbaren Gefährlichkeit macht er sich auf die wagnisreiche Reise nach Buchhaim, dem Ort an dem eben diese Gefahr lauern soll. Angetrieben durch diese Begeisterung für das Abenteuer und der Anregung eines geheimnisvollen Manuskripts, das er von seinem gerade verstorbenen Dichtpaten Danzelot von Silbendrechsler erhielt, macht Hildegunst sich auf diesen riskanten Ausflug, ebenso wie die Leser des Romans. Es geht ein langes Stück des Weges auf felsigem, unebenem Grund, dann durch eintöniges Grasland, in dem die Halme dicht, hüfthoch und messerscharf stehen. (Moers 2007, 9) Ein nicht ungefährlicher Weg in eine nicht weniger ungefährliche Stadt namens Buchhaim, um die Welt kennen zu lernen und ein Stück aus seiner Alltagswelt auszubrechen. Das ominöse Manuskript ist ein weiterer Grund diese Reise anzutreten, da es ein Geheimnis verbirgt, welches Hildegunst zu lüften erhofft. Seine Neugier wird dadurch unterstützt, dass der Dichtpate ihn in Unwissenheit darüber lässt, wer dieses Manuskript verfasst habe und was mit ihm geschah, sondern nur äußert: Ich habe diesem jungen Genie einen Brief geschrieben, in dem ich ihm empfahl, sich mit dem Manuskript nach Buchhaim zu begeben, um sich dort einen Verleger zu suchen. [...] Ich schicke ihn nach Buchhaim, in die Höhle des Löwen, eine Stadt voller Leute, die mit Literatur ihr Geld machen, Pfennigfuchser und Aasgeier. Eine Stadt voller Verleger! Ich hätte ihn genauso gut in einen Wald voller Werwölfe schicken können, mit einer Glocke um den Hals (Moers 2007, 19f.)! Dieser Ort ist eine Ansiedlung von Buchliebhabern und Dichtern, aber auch von denen, die sich durch den Verkauf lediglich einen finanziellen Gewinn erhoffen und in ihrer Profitgier selbst über Leichen gehen. Ein Ort der Hoffnung für angehende Schriftsteller sich dort eine Existenz durch ihre Schreibkunst aufzubauen, aber gleichzeitig auch ein Ort in dem das Böse lauert und nur darauf wartet sie auszusaugen und für ihre Macht zu missbrauchen. Die Giftige Gasse ist einer der obskuren Teile Buchhaims, in dem selbsternannte Literaturkritiker ihr Unwesen treiben und dort ihre Verrisse vertreiben, mit welchen sie Schriftsteller in den Ruin treiben können, während auf dem Friedhof der Vergessenen gescheiterte Dichter versuchen mit Hilfe einiger selbstverfasster Verse zu überleben. Hier werden die Gefahren geschildert, welche der Literaturbetrieb, im übertragenen Sinne, auch in der realen Welt, mit sich bringt. Nicht weniger gefährlich sind die Bücher, die das Wesen Buchhaims und dessen unterirdischen Labyrinths ausmachen. Aber bereits das erwähnte Manuskript des Genies birgt Gefahren in sich, da es von unglaublicher Anziehungskraft ist und die Schönheit des Schreibens im Ganzen präsentiert. Danzelot warnt seinen Schützling noch vor seinem Tod: Aber laß dich nicht verschrecken! Der Schock, den du dabei erfahren wirst, wird fürchterlich sein! Jede Hoffnung wird von dir abfallen, du wirst versucht sein, deine schriftstellerische Karriere aufzugeben. Vielleicht wirst du daran denken, dich zu töten (Moers 2007, 20). Hier wird die außerordentliche Wirkung eines Textes auf einen Leser verdeutlicht, welche diesen derart beeinflussen kann, dass er sich das Leben nehmen würde. Trotz der Gefahr, die von dem Text ausgeht, bestärkt Danzelot von Silbendrechsler Hildegunst diesen zu lesen, da sich der Schock [...] in Inspiration [umwandeln] (Moers 2007, 20) wird. Der Konflikt von Anziehung und Abstoßung hinterlässt bei dem Künstler eine Quelle der Inspiration und auch wenn zunächst tatsächlich Zweifel an den eigenen schriftstellerischen Leistungen hervorgerufen werden, aktiviert der Text Hildegunst aufzubrechen, nicht nur nach Buchhaim, sondern auch in eine selbstgelenkte Zukunft, die in kreativer Arbeit, dem Schreiben, mündet. In und unter Buchhaim begegnet der Protagonist neben dem geheimnisvollen Manuskript anderen gefährlichen Bücher oder auch solchen, denen es nur nachgesagt wird. Sein Weg führt ihn an einem schwarzen Haus vorbei, welches durch seine Farbmetaphorik gerade dazu prädestiniert ist, dass von dort aus etwas Böses lauert – es ist das Kabinett der Gefährlichen Bücher . Hier werden Bücher aufbewahrt, die einem nach dem Leben trachten und es wird bereits vor der Tür gewarnt: Rechnen Sie mit dem Schlimmsten! [...] Giftige, würgende und fliegende Bücher! (Moers 2007, 38) Obwohl diese Bücher scheinbar tatsächlich töten, denn es werden lakenbedeckte Körper auf Bahren herausgetragen (Moers 2007, 38), strömen immer mehr Neugierige hinein in das Kabinett. Auch wenn es sich nur um eine Täuschung handelt, durch welche raffgierige Geschäftsleute Neuankömmlinge um ihr Geld bringen wollen, wird deutlich, dass die Faszination der Gefahr die Vernunft außer Kraft setzen kann. In den zwielichtigen Vierteln Buchhaims werden auf dem Schwarzmarkt Bücher von der Goldenen Liste und andere Raritäten unter der Hand angeboten. Um Bücher, die auf dieser Liste stehen, ranken sich Legenden über ihre Gefährlichkeit und Macht, deshalb werden sie auch von Bücherjägern in den Katakomben Buchhaims gesucht, um dann mit ihnen Geschäfte zu machen. Auf dieser Liste stehen unter anderem das bereits genannte Blutige Buch , aber auch Die Dämonenflüche des Nokimo Norken oder Handbuch der gefährlichen Gesten - und noch ein paar hundert Titel mehr. (Moers 2007 56) Gefährlich sind diese Bücher nicht nur auf Grund ihres Inhaltes, welchen die daraufhindeutenden Titel implizieren, sondern vor allen Dingen auch durch ihren Wert. Die Bücherjäger, die sich auf die Suche nach den wertvollen Schätzen in dem dunklen Labyrinth unterhalb Buchhaims machen, erliegen nicht selten ihrer Raffsucht und sterben durch die dort unten lauernden Gefahren. Auch sie selbst verbreiten Angst und Schrecken, denn kaum einer von ihnen schreckt davor zurück, andere zu schädigen, solange sie ihren Vorteil daraus ziehen können. Aber diese düsteren Gesellen sollen zu einem späteren Zeitpunkt in der Abhandlung noch näher bestimmt werden. Die Schreckse Inazea Anazazi hat sich in ihrem Bücherantiquariat auf Schrecksenliteratur und Verwünschungsformeln spezialisiert. Diese Schrecksenliteratur, so genannt auf Grund ihrer Urheber, nämlich der Schrecksen, aber auch angesichts der Vergleichbarkeit mit dem Wort Schrecken, übt eine Faszination auf Hildegunst aus, denn [m]it wohligem Schaudern drückt[...] [er] die Klinke (Moers 2007, 91) und tritt ein. Es sind Werke, die er aus seiner Kindheit kennt, die ihm schon damals Alpträume bereiteten, dennoch kann er ihnen auch im Laufe der Geschichte nicht widerstehen, da sie in ihm etwas wecken, was in ihm ansonsten nur im Verborgenen schlummert. Ähnlich wie die Schrecksenliteratur fungieren die Haarsträuberbücher, diese rufen ebenso Albträume hervor und sind so wirkungsvoll, so gruselig und angsteinflößend, daß ihre Leser sie oft mitten in der Lektüre schreiend in die Ecke warfen und sich hinter Möbel versteckten, weil es anders nicht mehr auszuhalten (Moers 2007, 331) ist. Schon ihre Titel und die Namen ihrer Autoren weisen auf ihren schaurigen Inhalt hin, so heißen sie: Skelette im Schilf von Haluzenia Hallfrid. Die zwölf Gehängten am Mitternachtsbaum von Goriam Groggo. Das gefrorene Gespenst von Friggnar von Nebelheim. Das Lachen im Keller von Agu Frosst. Im Verlies der Glühenden Augen von den Schwestern zu Grottenklamm. Wo die Mumie singt von Omir Bem Shokker (Moers 2007, 330). Auch der Inhalt der Bücher ist durch eine große Auswahl von schaurigen Wörtern bestückt. So nutzen Autoren derartiger Literatur besonders häufig diese Wörter: klamm, beinern, düster, vielbeinig, fröstelnd, schaurig, Grabesstimme, Geisterstunde und madenzerfressen. (Moers 2007, 332) Außerdem sind diese Bücher mit Duftstoffen versehen, die halluzinierende Wirkung auf den Leser haben, welche Angstsymptome und das pure Grauen hervorrufen können. Gerade, dass diese Bücher in den Wahnsinn treiben können, fasziniert die Leser. Dies ist deshalb der Fall, da sie während der Lektüre ihre Nerven und Leben in sich spüren, verursacht durch die Diskrepanzen von Anziehung und Abstoßung gleichermaßen.
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