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- Buchkultur und digitaler Text: Zum Diskurs der Mediennutzung und Medienökonomie
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 04.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 84
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Das Buch als Medium hat nicht nur wesentlich zu der Art und Weise beigetragen, wie wir heute denken und fühlen. Ohne Erfindungen wie den Buchdruck wäre auch die technologische Entwicklung undenkbar gewesen, die paradoxerweise zum gänzlichen Verschwinden des Buches führen könnte: Die moderne Informationstechnologie und der digitale Code. Vertreter einer klassisch orientierten Buchkultur gehen auf die Barrikaden. Doch woher stammt dieses Konfliktverhältnis? Und was soll das überhaupt sein, eine Buchkultur ? Worin unterscheiden sich Buch und digitaler Text und was bedeutet das für eine Gesellschaft, die sich auf dem Buch gründet, in der der digitale Text jedoch immer mehr an Relevanz gewinnt? Diese Studie analysiert die gegenwärtige Lage des Papierbuches, des elektronischen Buches sowie seiner Ausgabegeräte und stellt die Frage nach dem Lesen innerhalb dieser Medien. Zudem liefert sie einen Einblick in die Debatte um das Thema Buch und Lesen angesichts des digitalen Wandels unter besonderer Berücksichtigung des Buchmarktes und seiner Teilnehmer. Abschließend beantwortet die Studie die Frage, ob es eine Deutungshoheit des Digitialen gibt und wie digitaler Text kulturell in das bestehende System integriert werden kann.
Textprobe: Kapitel 3.3.2., Buchkultur angesichts des digitalen Wandels: Ganz grundsätzlich gibt es heute aus Sicht derer, die sich auf der Seite des Buches sehen, eine Konkurrenz zwischen Buch und den Medien des digitalen Textes, wie man zum Beispiel in Peter Vorderers Thesen zur Konkurrenz von Buch und Medien nachlesen kann: Worin besteht die Argumentation derer, welche die Buchkultur von den neuen Bildschirmmedien bedroht sehen? Meines Erachtens lassen sich aus den unterschiedlichen Aussagen zwei Argumente herausdestillieren: 1. Es gibt eine zeitliche Konkurrenz zwischen der Nutzung des Buches und der von neuen Medien: Je mehr Zeit Menschen mit neuen Medien verbringen (dürfen, müssen etc.), desto weniger Zeit bleibt ihnen für die Lektüre eines Buches. 2. Es gibt eine Konkurrenz im Hinblick auf die Attraktivität der Medien: Die neuen Medien werden für ihre Nutzer immer attraktiver, reziprok dazu sinkt die Attraktivität des Buches (Vorderer 1998, 181). Auch wenn oder vielleicht gerade weil Vorderers Medienbegriff extrem unscharf ist, lässt sich auf diesem auf einer Tagung der Stiftung Lesen gehaltenen Vortrag die diffuse Angst der Büchermenschen erkennen. Obwohl, wie Andreas Schröder in seiner empirischen Untersuchung zum Leseverhalten von E-Books und Büchern feststellt, um Zeit und Aufmerksamkeit der Nutzer konkurrierende neue Medien die alten i.A. nicht verdrängen, sondern ergänzen , bringen sie doch eine Individualisierung der Wahlmöglichkeiten (Schröder 2006, 8f) und damit individuelle Änderungen im Mediennutzungsverhalten mit sich. Dem ist nicht mit normativen Forderungen, was und wie gelesen werden solle, beizukommen, was nicht heißt, dass diese Forderungen nicht bestehen. Es werden aber auch andere Argumente bemüht, wenn es darum geht, das Buch als Lesemedium zu verteidigen. Dazu Michael Krüger, Verleger im Carl Hanser Verlag: Verleger sind prinzipiell und immer der Meinung, dass die falschen Bücher gelesen werden. Dazu kann man sagen: Gott sei Dank! […] Mit anderen Worten, was die Gegenwart betrifft, so sehe ich darin eine fatale Neigung dazu, dass die ganze Welt eigentlich dasselbe Buch lesen will. […] Diese Unifizierung des Geschmacks ist natürlich das Gegenteil von Literatur. Wenn wir als Verleger, Schriftsteller, Kritiker irgendetwas tun können, ist es doch das, diese eigentümliche Barriere, diese Schranke, diese riesige Wand der Unifizierung aufzubrechen. Wenn wir sehen, mit welcher Geschwindigkeit sich die unendlich vielfältigen Computerwelten entwickeln, dann sind wir die großen Verlangsamer. Diese Verlangsamung ist eines unserer ganz großen Güter. Das Lesen von Büchern ist eine interessante Verlangsamung des Lebens (in: Altenhein et al. 2002, 134). Interessant ist hierbei, wie die Forderung nach einer vielfältigen und qualitativ anspruchsvollen Literaturlandschaft bzw. die Feststellung, dass diese bedroht sei, im nächsten Satz mit den Computerwelten zusammengebracht werden. Auch wenn Krüger mit der Aussage, dass die ganze Welt dasselbe Buch lesen wolle, nicht den grand hypertext im Sinne Nelsons, also quasi ein textliches Abbild der Welt, gemeint hat, ist die Vorstellung, dass es seine Aufgabe und die jedes Buchmenschen sein solle, eigenständige (sowohl strukturell begrenzte als auch inhaltlich distinguierte) Texte in Umlauf zu bringen, eine dem alles verknüpfenden Hypertext gegenläufige Tendenz. Hieraus spricht die Angst vor Ununterscheidbarkeit und vor dem Verlust von Kriterien. Dies ist auf vielen Ebenen eine Angst vor dem Verschwinden – das Verschwinden der Kritik als Basis und Voraussetzung für gute Literatur , letztlich aber auch das ganz reale Aufhören der Existenz von Buchverlagen, die den klassischen Verleger brauchen. Mit dem Wandels des Berufsbildes verbindet sich die existenzielle Angst, in der veränderten Medienlandschaft nicht mehr gebraucht zu werden. Die zweite Angst, die auch mit digitalem Text und seinen Technologien in Verbindung gebracht wird, ist die vor zu hoher Geschwindigkeit, davor, von der technologischen Entwicklung überholt zu werden. Krüger spricht an anderer Stelle davon, einen E-Book-Reader gar nicht bedienen zu können (Zeh/Krüger/Malchow 2012, 16) – er muss davon ausgehen, dass andere seine Angst teilen und dass das Buch als durch sequentielles, tiefes Lesen Langsamkeit versprechendes Medium (noch dazu als technologisch ausgereiftes, also sich kaum weiterentwickelndes Objekt) Linderung verschaffen kann. Den Verlust von Kriterien für die Bestimmung des Wertes eines Kunstwerkes sieht Mario Vargas Llosa (2013, 61f) schon geschehen, am wenigsten dabei noch in der Literatur, so dass man den Preis eines Kunstwerkes mit seinem Wert zu verwechseln begann (ebd. 36). Die Unterscheidung zwischen Preis und Wert hat sich verflüchtigt, beides ist jetzt eins, wobei hier das eine das andere absorbiert und außer Kraft setzt (Vargas Llosa 2013, 29). Für Vargas Llosa hängt dies mit einem qualitativen Sprung im Verständnis von Kultur zusammen: Der Kulturbegriff wird derart weit gefasst, dass die Kultur sich verflüchtig hat. Sie ist zu einem ungreifbaren Phantom geworden, einer bloßen Metapher. Denn kein Mensch ist mehr gebildet, wenn alle es zu sein glauben, oder wenn der Inhalt dessen, was wir Kultur nennen, so verwässert ist, dass alle mit gutem Recht davon ausgehen können, dass sie gebildet sind (2013, 66). Hier wird schon klar, dass für Vargas Llosa Kultur nicht in einer Praxis besteht, die jeder Mensch in gewisser Weise ausübt oder besitzt, sondern um eine autonome Wirklichkeit (ebd. 23). Diese ist insofern elitär , als dass nur ein kleiner Teil der Menschheit an ihr aktiv teilhaben kann. Vargas Llosa beruft sich hier auf T.S. Eliots Beiträge zum Begriff der Kultur , nach denen die Grenzen dieser Kulturelite nicht deckungsgleich mit Standesgrenzen und dergleichen und außerdem durchlässig sind. Doch: Wir wollten mit den Eliten aufräumen, denn das Privilegierte, Abwertende, Diskriminierende, das uns mit unseren egalitären Idealen allein schon aus diesem Begriff entgegenhallte, war uns moralisch zuwider […]. Aber was wir erreicht haben, war ein Pyrrhussieg, ein Heilmittel, das schlimmer ist als die Krankheit: zu leben in einer verwirrten Welt, in der paradoxerweise, weil niemand mehr weiß, was sie eigentlich bedeutet, Kultur nun alles ist und nichts (ebd. 69f). All dies hier polemisch dargebrachte zeugt von einem tiefgreifendem Bedürfnis nach einer geordneten Welt, einer Hierarchie unter dem Primat des Buches (als Ausdruck humanistischer Bildung). Und für diese seine Kultur stellt Vargas Llosa einen Verlust gesellschaftlicher Bedeutung fest: Die ‚Buchkultur‘ […] büßt ihre Vorrangstellung ein und wird marginalisiert. Sie existiert also nur noch am Rande der heutigen Kultur, die fast völlig mit der klassischen humanistischen Bildung gebrochen hat (ebd. 20). Die Medien des digitalen Texts, wie sie hier dargestellt wurden bieten diese Form der Hierarchie nicht, da ihre Ordnung zirkulär und fluide ist. Die für sie grundlegende Auffassung, daß die Welt und wir selbst für sinnlos (absurd) gehalten werden und daß man die Welt und uns selbst in Körner zerpicken kann, um diese Körner zu etwas Sinnvollen zusammenzusetzen (Flusser 2002, 83) steht im Konflikt mit diesem Verständnis von Kultur und Buchkultur. Vargas Llosa beharrt in Ablehnung der postmodernen Theorie nach Derrida darauf, dass es eine sprachlich abbildbare Wirklichkeit gebe (vgl. 2013, 90f) und dass der Mensch auch angesichts des Wandels der Kommunikationsmedien in dieser Wirklichkeit wirksam (d.h. nonkonform) handeln kann (vgl. ebd. 80f sowie 91f). Dafür allerdings braucht es wie gesagt das Buch als hierarchisierendes, feststellendes Leitmedium.
Lukas Weidenbach (M.A.), geboren 1983, absolvierte eine Ausbildung zum Buchhändler und studierte danach Medien- und Kulturwissenschaften an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf studiert. Den persönlichen Schwerpunkt innerhalb dieses interdisziplinär angelegten Studiengangs bildete das Feld der Diskursanalyse. Seit dem Studium ist er als Lektor, freier Autor und Übersetzer tätig.
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