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  • Bildung und Schule zwischen Anspruch und Realität: Die Schul- und Bildungsvorstellungen Hartmut von Hentigs auf dem Prüfstand

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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 09.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 120
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Im vorliegenden Buch setzt der Autor sich mit dem großen Thema ‘Bildung’ und den Schul- und Bildungsvorstellungen des renommierten Pädagogen Hartmut von Hentig auseinander. Dabei geht er der Frage nach, wie sich diese Ideen und Konzepte in den schulischen Alltag integrieren lassen und in welcher Weise sie dort wirksam werden, aber auch welche Probleme es bei der Umsetzung dieser Idealvorstellungen gibt. Dazu untersucht er exemplarisch die Bielefelder Laborschule, die nach den Ideen von Hentigs gegründet wurde und bis heute als Reformschule die Bildungslandschaft zu Diskussionen über die richtigen Wege der Erziehung und Bildung von Heranwachsenden in der Schule anregt. Anhand eines Experteninterviews mit einer Lehrerin und Forscherin, die viele Jahre an der Laborschule arbeitete, Frau Dr. Annemarie von der Groeben, geht der Autor einer Reihe von Forschungsfragen zur Umsetzung der Schul- und Bildungsvorstellungen nach. Bei seinen Nachforschungen greift der Verfasser auf eine Reihe von wissenschaftlichen Studien zurück, die sich bereits mit der Evaluation spezifischer Aspekte der Laborschule befasst haben. Besonders überzeugend gelingt dem Autor dabei die Kombination von Theorie und Empirie, indem er die Bildungstheorie Hartmut von Hentigs historisch einordnet, daraufhin empirisch anhand der Laborschule und ihres pädagogischen Alltags untersucht und zum Schluss die Befunde kritisch reflektiert. Hierbei zeichnet er die zentralen wissenschaftlichen Diskussionen nach und bettet die eigene Studie in diesen Kontext ein.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 4, Von Hentigs Schule als ‘Lebens- und Erfahrungsraum’ oder ‘Die Schule als Polis’: Wie bereits verdeutlicht steht Hartmut von Hentig der Bildungsinstitution Schule kritisch gegenüber. Für ihn sind zwar Änderungen ‘an und mit der Schule’ (von Hentig 2003, 6) durchgeführt worden, jedoch wurde die Schule nicht neu gedacht. Vielmehr ist die Grundfunktion der Schule nach wie vor darin zu sehen, Kinder und Jugendliche mit den Fähigkeiten und Kenntnissen zu versehen, welche die Gesellschaft am ‘Laufen halten’. ‘Auch heute sind unsere Schulen nicht ein Lebens- und Erfahrungsraum, nicht a place for kids to grow up in, nicht die polis, an deren Idealen, Aufgaben und Problemen die jungen Menschen lernen und sich bewähren, sondern Bewahranstalt […] oder Sortieranstalt oder Startmaschine oder Nachwuchsproduzent oder Sozialstation oder alles auf einmal’ (von Hentig 2003, 9). Hartmut von Hentig lehnt es ab, die Schule lediglich auf den Unterricht oder Belehrung zu reduzieren. Vielmehr fordert er eine Schule als Lebens- und Erfahrungsraum, in der Bildung und Erziehung zusammengebracht werden. Seine Vorstellungen von Schule beschreibt er in seinem Werk ‘Die Schule neu denken’ im Anschluss an eine Aufzählung von fünf überlieferten Grundfiguren von Schule: Dabei wird deutlich, dass er die vorhandenen Regelschulen nicht grundsätzlich ablehnt. Vielmehr versucht er aufzuzeigen, dass keine dieser fünf Grundvorstellungen von Schule in reiner Form vorkommen und ihre Zielvorstellungen prinzipiell unvereinbar sind (vgl. von der Groeben 1991, 9). Er charakterisiert die heutigen Schulen als eine ‘pragmatische Mischung’ (Hentig 2003, 88) dieser fünf Ansätze. Seine Vorstellung von Schule fasst von Hentig in einem sechsten Punkt zusammen, in dem er die ‘Schule als Lebens- und Erfahrungsraum’ bzw. als ‘polis’ beschreibt (vgl. von Hentig 2003, 189ff.). Diese Grundvorstellung verdeutlicht er mit sechs Merkmalen, bzw. Thesen der ‘neu gedachten Schule’. Seine Thesen betreffen nicht nur den Lebensraum Schule, sondern beschreiben auch Erfahrungen, die dort gesammelt werden können, und bestimmen gleichzeitig das Zusammenwirken von Unterricht und Erziehung auf dem schulischen Sektor. Im Verlauf dieser Arbeit wird versucht herauszustellen, auf welche Weise von Hentigs Grundvorstellungen von Schule und seine damit verbundenen Vorstellungen von Bildung an der Bielefelder Laborschule praktisch umgesetzt werden und ob seine Denkfiguren überhaupt umsetzbar sind. Daher erachte ich es als sinnvoll, seine Thesen, die er unter der Bezeichnung ‘minima paedagogica’ (von Hentig 2003, 214) veröffentlicht hat, näher zu betrachten. 4.1, Das Leben zulassen: Von Hentigs erste These befasst sich mit der Schule als Lebensraum. Er fordert darin, dass der ‘Aufenthaltsort’ Schule zum Lebensort werden soll, an dem lebensnotwendige Erfahrungen ermöglicht werden. Zu diesen grundlegenden Erfahrungen zählt er vor allem alltägliche Lebensvorgänge, wie z.B. zuhören, gemeinsam spielen und kochen, zärtlich miteinander sein, seiner Neugier nachgehen etc., welche jedoch der Wissensvermittlung nicht geopfert bzw. untergeordnet werden dürfen. Von Hentig verdeutlicht, dass es ihm nicht darum geht, die Kinder einfach machen zu lassen (laissez-aller) oder durch mehr Aktivität zu stärken (vgl. von Hentig 2003, 216f.). Seiner Auffassung nach gibt es genug Schulen, ‘die die Kinder in der Nichtigkeit ihrer Selbstbeschäftigung verhungern lassen, […] die ihnen die Besinnung nehmen mit den pausenlos Spaß machenden [und] gemeinschaftsfördernden […] Projekten’ (von Hentig 2003, 217). Vielmehr sollen die Lebensvorgänge der Schülerinnen und Schüler lebendig in die Schule hineinreichen und nicht durch Unterrichtsordnung und ‘Belehrungswut’ verhindert werden. Herumlaufende und schwätzende Kinder sollen beispielsweise nicht zwangsläufig als unterrichtsstörender Faktor angesehen werden, vielmehr sollten sich Bedingungen finden lassen, in denen Herumlaufen und Schwätzen erlaubt sind. Die Schüler erleben dabei, dass ihre Auffassungen und Lebensvorgänge wichtig sind und es nicht nur um die Unterrichtsordnung geht (vgl. von Hentig 2003, 217f.). 4.2, Mit Unterschieden leben: Die zweite These befasst sich mit den Unterschieden zwischen den Schülerinnen und Schülern innerhalb unserer Gesellschaft. In der neuen Schule erfahren sie, ‘die wichtigsten Merkmale unserer Gesellschaft’ (von Hentig 2003, 219), die tatsächlichen und die gewünschten. Die Schule soll die Unterschiede zwischen den Schülerinnen und Schülern bewusst bejahen und gleichzeitig das Ziel verfolgen, die Freiheit des Einzelnen zu schützen sowie die Kinder zur geistigen und moralischen Selbständigkeit zu erziehen. In einer pluralistischen Gesellschaft ist es unabdingbar, die Vielfältigkeit und Unterschiedlichkeit wahrnehmen und respektieren zu lernen. Dass diese Unterschiede zwischen Menschen etwas Natürliches sind und die Bejahung der Vielfältigkeit jedem zugute kommt, ist am besten in heterogenen Gruppen erfahrbar. So sollen in der neuen Schule Lerngruppen nahezu unabhängig von Alter, Begabung und Interessen gemischt werden. Hierfür eignen sich am besten die Schuleingangsstufe und Wahlkurse (vgl. von Hentig 2003, 219ff.). ‘Sind die Kinder in den ersten Jahren unterschiedlich alt, nehmen sie auch die Leistungsunterschiede als etwas Natürliches wahr und hin’ (von Hentig 2003, 222). Auch soll es in der neuen Schule keine äußere Leistungsdifferenzierung geben. Vielmehr soll eine innere Differenzierung vorgenommen werden, die auf den individuellen Entwicklungsprozess der Kinder zugeschnitten ist und dementsprechende Lernangebote bietet (vgl. von Hentig 2003, 222). In der neuen Schule soll sich sozusagen eine weitgehende Individualisierung des Unterrichts entwickeln: ‘Jedes Kind hat seine Aufgabe und sucht den Lehrer auf, wenn es Hilfe braucht, oder der Lehrer geht zu ihm. Zur Verselbständigung wie zum Unterschiede-machen-und-bejahen gehört, daß man seine Aufgabe aus einem wohlbedachten Angebot von Aufgaben selber wählt, wenigstens mitbestimmt, wann man was erledigt. Darüber darf der Zusammenhang mit der Gruppe nicht verloren gehen. [...] Die Gruppe bleibt zusammen: eine Gemeinschaft von Individuen, kein Kollektiv’ (von Hentig 2003, 221). 4.3, Leben in der Gemeinschaft: Von Hentigs dritte These knüpft an die vorherige These an. Er fordert darin eine ‘Erziehung’ zur Politik. ‘Man muß die Schule - die einzige Einrichtung, die der Gesellschaft dafür zur Verfügung steht - zur polis machen, in der man im kleinen die Versprechungen und Schwierigkeiten der res publica erfährt, sich und seine Ideen erprobt und die wichtigsten Tätigkeiten übt’ (von Hentig 1996, 128). In der ‘neuen’ Schule sollen Probleme und Interessen der Schülerinnen und Schüler definiert und öffentlich verhandelt, Entscheidungen und Vereinbarungen getroffen und Konflikte verhandelt werden. Anders ausgedrückt, sollen die Kinder und Jugendliche in der polis der Schule das Leben in der Gemeinschaft erfahren. Nur wer im kleinen Gemeinwesen die Gesetze der Demokratie erlebt und verstanden hat, kann laut Hentig diese Gesetze auch in der großen Gemeinschaft wahrnehmen und verfolgen (vgl. von Hentig 2003, 191). Er sieht den Auftrag einer demokratischen Schule nicht darin begründet, Kinder zu Gelehrten oder Facharbeitern auszubilden, die lediglich mit spezifischem Fachwissen ausgestattet sind. Vielmehr sollen Kinder und Jugendliche zu politikfähigen und verantwortungsbewussten Bürgern heranreifen, damit sie ihre erworbenen und erfahrenen Kulturgüter an die folgende Generation weiter geben können (vgl. von Hentig 2003, 17). Wird die Schule als Gesellschaft in einem verkleinerten Rahmen wahrgenommen, kann sie sozusagen als Modell dienen, die Grundbedingungen dieser Gesellschaft kennen zu lernen. Die Verhaltensweisen, die von mündigen Bürgern erwartet werden, sollen im schulischen Alltag erlernt werden: Dazu gehören das vernünftige und friedliche Regeln gemeinsamer Angelegenheiten im gleichen Maße wie das Aushandeln von Vereinbarungen und das Übernehmen von Verantwortung. Von Hentig plädiert dafür, dass Schülerinnen und Schüler die Regeln für das Zusammenleben in ihren Klassen selbst bestimmen und somit für ihre ‘Gruppeninnenpolitik’ selbst verantwortlich sind, während das Verhältnis zu anderen Gruppen, sprich die ‘Außenpolitik’, durch Verhandlungen geregelt werden soll. Um die Einhaltung der demokratischen Prozesse zu gewährleisten, ist dazu ein Art ‘Schiedsinstanz’ zu installieren, welche aus Schülerinnen und Schülern und einer gewählten Lehrkraft besteht. Von Hentig weist darauf hin, dass jedoch ausschließlich die Lehrpersonen den Unterricht bestimmen (vgl. von Hentig 2003, 225f.). Er schreibt dazu: ‘Schule als Lebens- und Erfahrungsraum muß Sache aller sein: sie ist die polis der Schüler. Der Unterrichtsauftrag der Schule ist Sache der polis der Bürger, die diese eingerichtet haben. Hier darf die Politik nicht durch die Pädagogik unterlaufen werden - nur so lernt man die wirkliche Politik’ (von Hentig 2003, 226).

Über den Autor

Sebastian Schmidt wurde 1978 in Saarbrücken geboren. Sein Studium der Sozialpädagogik an der Fachhochschule Wiesbaden schloss er erfolgreich ab. Bereits während des Erststudiums sammelte der Autor erste Erfahrungen in der deutschen Bildungslandschaft und entschloss sich zu einem Zweitstudium für das Lehramt für die Primarstufe und Sekundarstufe I, welches er 2008 erfolgreich abschloss. Heute arbeitet der Verfasser des vorliegenden Buches als Grundschullehrer an einer saarländischen Schule und ist neben seiner Lehrtätigkeit auch in der Erwachsenenbildung tätig.

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