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- Berliner Mauer und Deutsche Frage im bundesrepublikanischen Spielfilm 1982-2007
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 08.2009
AuflagenNr.: 1
Seiten: 182
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Die Lage unserer Nation spiegelt sich im Schicksal der Stadt Berlin. Diese Bemerkung von Helmut Kohl im Juni 1983 ist nur eine von unzähligen Bemerkungen aus Politik, Wissenschaft und Publizistik, die eine Verbindung zwischen der Stadt Berlin, seiner Mauer und der Deutschen Frage herstellen. Nach 1945 bezeichnete sie die Frage der Teilung Deutschlands und ihrer Überwindung, die Fragen zu wem und wohin die Deutschen gehören und wie sie ihre eigene kollektive Identität mit der Gestaltung Europas verbinden. Berlin spiegelt als Schaufenster der Systemkonkurrenz die Entwicklung in Deutschland, Europa und der Welt nach 1945 wider. Berlin war der Ort, an dem die deutsche Teilung für alle sichtbar war, der wie kein zweiter durch seine bloße Existenz die ungelöste Deutsche Frage symbolisierte. So wurde Berlin in der Literatur der Nachkriegszeit, vor allem aber seit dem Mauerbau vom 13. August 1961 zu dem Ort, um sich mit der deutschen Teilung zu beschäftigen. Auch nach der Öffnung der Grenze am 9. November 1989 musste die Stadt als Projektionsfläche für jedermann herhalten. Sie wurde zur 'Werkstatt der Einheit', zur 'Drehscheibe zwischen Ost und West', zum Energiezentrum einer nach ihr benannten Republik. Daher konzentrieren sich ebenfalls die gesellschaftliche und wissenschaftliche Aufarbeitung von NS- und DDR-Geschichte auf die neue (alte) Hauptstadt. Auch dem deutschen Film diente die Stadt seit der Weimarer Republik zur Herausbildung zahlreicher Topoi, und heute ist sie wieder Deutschlands filmreifste Kulisse. Das hilft erklären, warum auch die bundesdeutschen Grenzfilme nur selten an der 'grünen' innerdeutschen Grenze, weit häufiger aber in Berlin und an seiner Mauer spielen. Die Berliner Mauer: das war die in mehreren so genannten 'Generationen' um die drei alliierten Westsektoren der Stadt gebaute Grenzbefestigung. Nach über 28 Jahren und zwei Monaten fiel sie infolge ihrer Öffnung dem Abriss und der Musealisierung anheim. Weit wichtiger als ihre technischen Daten und ihre Geschichte erscheint aber ihre symbolische Bedeutung als innerstädtische, nationale und globale Scheidelinie zwischen West und Ost, Kapitalismus und Sozialismus, Freund und Feind. Aus der Perspektive europäischer Politiker war sie ein Symbol der Teilung Deutschlands und Europas, in globaler Sichtweise die zu Beton erstarrte Frontlinie des Kalten Krieges. Hergeleitet aus dieser welthistorischen Bedeutung der Deutschen Frage und der Berliner Mauer analysiert die vorliegende Studie ihre symbolische Verbindung im bundesrepublikanischen Spielfilm von 1982 bis 2008. Konkret heißt dies zu fragen: Welche Nationsverständnisse verknüpfen die Filme mit der Mauer? Wird eine gesamtdeutsche Nation oder werden mehrere Teilnationen ausgedrückt und welche Lehren ziehen die Filme daraus? Werden in synchroner und diachroner Perspektive Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen ihnen deutlich? In welchem Verhältnis stehen die Filmdarstellungen zu den damaligen politisch-kulturellen Vorstellungen und wissenschaftlichen Erkenntnissen und welche Gründe sind für etwaige Abweichungen zu suchen?
Textprobe: Kapitel 4.2.3.1, Verdrängung der Mauer vs. Offenhaltung der Deutschen Frage: In Sonnenallee bekennen sich die Figuren entgegen den anderen Filmen zur DDR und grenzen sich durch ein eigenes kommunikatives Gedächtnis von den Westdeutschen, nicht von den Bundesbürgern, ab. Wie in der durch den Systemgegensatz gekennzeichneten Position des Grenzers, findet die Staats- und Parteiposition der DDR vor allem in undifferenzierten Propagandaformeln ihren Ausdruck. Für Sabines zeitweiligen SED-Freund Georg kommt Heinz aus dem ‘imperialistischen Ausland’, was eine offizielle Bezeichnung der Bundesrepublik war. Ähnelt dies den Phrasen aus Meier und dem Versprechen, wurde der Begriff in der Bevölkerung nur von weniger als einem Drittel geteilt. Zudem hatte man in der DDR-Verfassung vom 7. Oktober 1974 sämtliche Bezüge zur deutschen Nation getilgt, um ‘für immer und unwiderruflich (…) untrennbarer Bestandteil der sozialistischen Staaten-gemeinschaft’ zu sein. So waren die innerdeutschen Beziehungen aus Sicht der DDR-Führung Teil des Klassenkampfes, der Auseinandersetzung zwischen Sozialismus und Kapitalismus. Auch die jungen Pioniere des Films ‚lernen’ in der Schule, den Menschen gehe es vor allem in den kapitalistischen Ländern wie den USA, Frankreich und Skandinavien schlecht. Schulleiterin Nitzold fragt bezüglich der Anwesenheit des ‚Scheichs von Berlin’– für Michael schlicht der ‘Westler’: ‘Wer hat den Klassenfeind in unsere Schule gelassen?’ Gemäß dieser ideologischen Position hebt sie, als Mario und Michael auf die Mauer uriniert haben, die Bedeutung der Mauer für das Selbstverständnis der DDR hervor: ‘Sie urinieren auf den antifaschistischen Schutzwall? Sie urinieren auf unseren Staat? Dafür sind Ernst Thälmann und Tausende seiner Genossen hingerichtet worden. Und Sie urinieren auf ihre Gräber? Auf die Gräber derer, denen Sie ihre kostenlose Ausbilung und ein Leben in Frieden und Wohlstand verdanken’. In dieser Kopplung von Mauer und Staatswesen DDR kommt erstens die u. a. auf Ernst Thälmann beruhende antifaschistische Gründungslegende, oder besser: ‘Geburtslüge’ der DDR zum Ausdruck. Zweitens wird die in den vorigen Filmen nicht erwähnte Formel des ,antifaschistischen Schutzwalls’ aufgegriffen. Beides zusammen verweist auf die Selbststilisierung der DDR als ein von Nazis ‚gesäuberter’ Staat, der für Frieden und Wohlstand aller sorgt. Durch diesen ‚verordneten Antifaschismus’ bemühte man sich um die moralische Basis, im Kampf gegen die Nazis die größten Opfer gebracht zu haben. In Abgrenzung von Parteispitze und Westdeutschland bei gleichzeitiger Verdrängung der Deutschen Frage leben nun die Bewohner der Sonnenallee in ständigem Kontakt zur Mauer: ‘Hinter dieser Wand steht die Mauer. Sie teilt Berlin in Ost und West. Der goldene Westen liegt nur einen Steinwurf entfernt. Ich wohne in einer Straße, deren längeres Ende im Westen und deren kürzeres Ende im Osten liegt… in der Sonnenallee’. Daran anschließend rechtfertigt der Film, im Gegensatz zum Mann auf der Mauer und dem Versprechen, das Leben der Ostdeutschen, die sich wie in Meier klug und humorvoll von der Partei distanzieren können. So kritisiert Otto Parteimitglied Georg gegenüber direkt die Ideale der SED ebenso wie die DDR-Produkte, und fordert, den Schwarzen Kanal, ‘die Hetze’ auszumachen. Für ihn bleibt noch ein gesamtdeutsches Gefühl maßgebend, indem er seinem Schwager zustimmt, da Bürger aus West und Ost ‘alle Deutsche’ sind. Dennoch überwiegen ihre Meinungsverschiedenheiten bei Weitem, und so wird auch bei Otto die nationale Frage vom globalen Systemgegensatz überdeckt. Daher ist Heinz, demzufolge man in Moskau nur mit einer ‘MP in der Faust oder der Kugel am Bein’ studiere, für Otto ein ‘Revanchist und Scharfmacher’ sowie ein ‘alter Kommunistenjäger’. Noch distanzierter, aber nicht mehr gesamtdeutsch denkend wie Otto ist die jüngere Generation im Film. Als Michael zur ‘Ehre’ wie Miriam ‘einen selbstkritischen Beitrag leisten’ muss, überzeichnen beide die Ideale von sozialistischer Treue, Theoriebildung und Parteiideologie und finden so in der Distanz zur Partei erste Gemeinsamkeiten. Später schreibt er in sein eigens für Miriam verfasstes Tagebuch, er ‘warte und warte auf etwas, das nicht passiert’. Was das genau ist, bleibt ebenso unklar wie die Pläne im Freundeskreis, ‘eine aktive Widerstandsgruppe’ zu gründen. Diese Distanzierung entspricht zunächst bloß der üblichen Unterscheidung der Filme zwischen positiv gezeichneten Figuren und der Parteiführung. Neu ist aber eine Verdrängung der Mauer durch die Figuren, die der Wahrnehmung von Olaf aus Dresden widerspricht, wonach das Leben im Grenzgebiet ‘doch gefährlich’ sei. Dazu bemerkt Drehbuchautor Thomas Brussig: ‘Das merkwürdige an der Mauer war, daß die, die dort wohnten, die Mauer gar nicht als außergewöhnlich empfanden. Sie gehörte so sehr zu ihrem Alltag, daß sie sie kaum bemerkten, und wenn in aller Heimlichkeit die Mauer geöffnet worden wäre, hätten die, die dort wohnten, es als allerletzte bemerkt’. Diese Verharmlosung und Verdrängung der Mauer steht der These der Forschung gegenüber, wonach Überwachung, Eingesperrtsein und Bedrohung zu einer enormen Belastung der Bewohner des Grenzgebiets führte. Solche Beschönigungen der Mauer führten zu einer später zurückgezogenen Strafanzeige gegen Sonnenallee durch die Organisation Help, und sind Zielscheibe heutiger Befürchtungen, das Verschwinden dieser Grenze führe zu einem Verlust der Erinnerungsmöglichkeiten, wobei die ‘Vergoldung der DDR-Vergangenheit (…) ohne das Anschauungsmaterial Mauer besser voran (komme)’. Dabei steht nun im Film dieser Verdrängung der Mauer und der Distanzierung von der Partei in der ostdeutschen Erinnerung eine erfundene Offenhaltung der Deutschen Frage durch die Westdeutschen gegenüber. Gegenüber der breiten Diskussion der Mauer auf Ost-Berliner Seite sind bundesdeutsche Stellungnahmen zur nationalen Frage nur über Westbesucher zu erschließen. In ihren Einstellungen zeigt sich aber nicht wie in den Filmen der 80er-Jahre eine realistisch dargestellte Interesselosigkeit an der DDR und eine Gewöhnung an Mauer und Teilung. Ganz im Gegenteil besteht, wie das vorige Kapitel deutlich machte, ein breites, auch touristisches Interesse am Leben der DDR-Bürger, woraus, wie in den anderen Filmen, aus Abgrenzung von der DDR ein übersteigertes Selbstwertgefühl als Bundesbürger resultiert. Der einzige Westdeutsche, der im Film explizit zur Deutschen Frage Stellung bezieht, ist Onkel Heinz. Anschließend an seine durchgängige Kritik an der DDR, reagiert er empört auf Georgs These vom ‘imperialistischen Ausland’: ‘Wie bitte, Ausland? Ausland? Aus Deutschland! (…) Wir sind ja alle Deutsche. Es gibt solche und solche, aber nur Deutsche.’ (16) Entschieden artikuliert er gegen das Abgrenzungsbestreben der DDR eine vom bundesrepublikanischen Verfassungsverständnis und von vielen Bundesbürgern vertretene gesamtdeutsche Position, die die DDR nicht als Ausland ansieht und die Deutsche Frage offen hält. Diese Position kennt keinen ‚Dritten Weg’ und hebt vor allem die Reise- und Wahlfreiheit, Universitäten und Wohlstand ‘der freien Welt’hervor. Zusammengefasst wird also wie im Versprechen die Gewöhnung der Bundesbürger an Mauer und Teilung aus dem aktiven Gedächtnis verdrängt und ein gesamtdeutsches Nationalgefühl auf die Vergangenheit, hier die 70er-Jahre, zurück projiziert, das in Sonnenallee aber der ostdeutschen Erfindung der ,DDR-Identität’ gegenübersteht.
Benjamin Magofsky, M.A., geb. 1981. Magister-Studium der Neueren und Neuesten Geschichte sowie Lehramtsstudium Geschichte und Geographie für die Sekundarstufen II/I an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (2002-2008). Erweiterungsstudium Deutsch für die Sekundarstufen II/I und Philosophie für die Sekundarstufe II. Ab Sommer 2009 im Vorbereitungsdienst tätig.
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