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- Beethoven als „grand Uomo“ seiner Sinfonie? Eine neue Interpretation der Sinfonie Eroica
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 07.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 112
Abb.: 15
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Beethovens Dritte Sinfonie, genannt Eroica, zählt unumstritten zu den bedeutendsten Werken des Komponisten. Sie beeinflusste die Gattung der Sinfonie im 19.Jahrhundert nachhaltig und leitete zugleich jene heroische Periode ein, in der Beethovens Schaffen seinen Höhepunkt erreichte. Was eine Deutung des Werkes angeht tun sich jedoch viele Autoren schwer, die zum Großteil widersprüchlichen biografischen Fakten und Überlieferungen miteinander in Einklang zu bringen. Ist das Werk eine Hommage an Napoleon Bonaparte, dem Beethoven das Werk zunächst widmete? Oder liegt der Schlüssel zum Werk im Prometheus-Mythos, dem Titanen, der den Göttern das Feuer stahl um die unvollkommenen Menschen zu bilden und zu befreien? Bekanntermaßen zerriss Beethoven das Titelblatt mit der ursprünglichen Widmung entzwei, als er 1804 von Napoleons Krönung zum selbsternannten Kaiser gehört hat. Ab 1806 trug die Sinfonie schließlich den Titel: Sinfonia Eroica. Composta per festeggiare il sovvenire di un grand Uomo. Wer ist mit diesem ‘grand Uomo’ gemeint? Könnte sich der Titel - im übertragenen Sinn - wohlmöglich auch auf Beethoven selbst beziehen? Der Komponist als eigentlicher heroischer Held seiner Sinfonie? Dieser Ansatz kursiert zwar ebenfalls bereits seit längerem in der Musikwissenschaft, in dieser Studie erfährt er innerhalb einer ausführlichen Wechselbeziehung von Biografie und Werk jedoch eine gänzlich neue Betrachtung.
Textprobe: Kapitel 3, Spekulation über möglichen Absichten der Eroica- Sinfonie: Nachfolgend sollen drei der bekanntesten Deutungen der Eroica-Sinfonie besprochen werden. Zunächst werden die Auffassungen, das Werk sei eine Hommage an Napoleon Bonaparte und eine Allegorie zum Prometheus-Mythos untersucht. Es soll abgewogen werden, wie plausibel sie erscheinen und mit der Ergänzung einer dritten Interpretation, nämlich dass das Werk eine Portraitierung Beethovens sei, meine eigene These ausformuliert werden. Die Triftigkeit der Deutungen wird dabei jedoch nicht mittels einer umfassenden Werkinterpretation ermittelt - dies würde den Rahmen dieser Untersuchung erheblich sprengen - sondern anhand der historischen Hintergründe und Begleitumstände im Leben Beethovens. 3.1, Das Werk als Hommage an Napoleon Bonaparte? Wie bereits erwähnt, ist die Widmung der Eroica an Beethoven von starken Widersprüchen geprägt. Ich möchte diese Gegensätze im nachfolgenden Abschnitt konkretisieren und dem Leser verständlich machen. Gleichzeitig soll ermittelt werden, welche Absichten und Haltung Beethoven ihn wohlmöglich dazu bewegt haben könnten, eine Sinfonie für Bonaparte zu schreiben. Nach der Veröffentlichung von Wegeler und Ries‘ Biographischen Notizen über Beethoven (1838) analysierten viele Kritiker das Werk programmatisch als Versinnbildlichung Napoleon Bonapartes, so beispielsweise Wilhelm von Lenz, Aléxandre Oulibicheff und A. B. Marx. Oulibicheff hört beispielsweise im neuen e-Moll Thema in der Durchführung des ersten Satzes eine ‘orientalische Note’ und deutet dies dahingehend, dass Napoleon in Gedanken zurückkehr an seine Kampagne in Ägypten. Falls Beethoven mit seiner Sinfonie wirklich Napoleon huldigen wollte, muss man sich jedoch auch nach seiner politischen Gesinnung fragen: In welchem Verhältnis stand Beethoven zu Bonaparte? Bewunderte er ihn? War er ein Anhänger der Französischen Revolution? Es gibt keine Hinweise darauf, dass sich Beethoven in revolutionären Kreisen aufhielt, aber seine Heimatstadt Bonn war eine von politischen und aufklärerischen Gedanken geprägte Umgebung. Die Universität Bonn unter der Leitung von Max Franz, in der 1789 auch Beethoven Seminare besuchte, war gegenüber der Revolution positiv gestimmt und Sitz der liberalen ‘Lese-Gesellschaft.’ Trotzdem verstand sich Beethoven letztlich im Dienste der Aristokraten. So schrieb er zum Tode von Kaiser Joseph II eine Kantate (Kantate auf den Tod Josephs II, WoO. 87). Joseph II galt als einer der Hohepriester der deutschen Aufklärung und hat sich stets durch antifeudale Reformen ausgezeichnet. Nach seinem Tod kam Kaiser Franz II an die Macht und regierte Österreich von 1792 bis 1835. Das liberal gesinnte Regime nahm von dahin einen Rückschritt und wieder totalitärere Formen an. Polizeiliche Aufsicht und Zensur prägten den Alltag, während gegen regimekritische Gruppen heftig vorgegangen wurden. Die gebildete Adelsschicht, zu denen auch Freunde Beethovens gehörten, blieb jedoch ihren aufklärerischen Prinzipien treu. Doch selbst dann zeugen Beethovens Kompositionen und Widmungen von einer pro-habsburgerische Einstellung. So schrieb er 1800, als die Konstitution das Ende der französischen Revolution ausrief, sein Septett, Op. 20, und widmete es der Kaiserin Maria Theresia. Im gleichen Jahr hielt er auch ein Benefizkonzert am kaiserlichen Hof. 1796 trat Beethoven als Leiter einer Regimentsmusik eines Freiwilligencorps bei, das Napoleon aus den ‘österreichischen’ Territorien Italiens vertreiben sollte. Dafür komponierte er politische Lieder, die gegen die Franken gerichtet waren: 1796 das Abschiedslied an Wiens Bürger, WoO. 121, sowie 1797 das Kriegslied der Österreicher, WoO. 122. Auch spätere Werke weisen anti-napoleonische Haltungen auf. So etwa sein sinfonisches Orchesterwerk Wellingtons Sieg, Op. 91, das den Sieg der Alliierten gegenüber Frankreich in der Schlacht von Victoria musikalisch nachstellt und bei den Feierlichkeiten des Wiener Kongresses von Kaisern und Königen begeistert aufgenommen wurde. Peter Schleuning beurteilt dieses Verhalten als Eigennutz Beethovens. Er sah in den Kompositionen die Möglichkeit, ‘um sich bei den neuen siegreichen Herren in Preußen und Österreich bekannt und beliebt zu machen, an den Höfen Einfluss zu gewinnen und vielleicht sogar eine Anstellung zu ergattern.’ Wie in der Entstehungsgeschichte aufgezeigt wurde, hielt Beethoven auch nach der Tilgung an Bonaparte als Titel seiner Sinfonie fest. Ein weiteres Ereignis lässt ebenfalls vermuten, dass Beethoven den Napoleon-Topos programmatisch in seiner Sinfonie auffasste. Nach einer Schilderung von Anton Schindler meinte Beethoven, dass er nach der Nachricht des Todes Bonapartes 1821 anmerkte, er hätte die Musik zu diesem traurigen Ereignis bereits vor 17 Jahren geschrieben. Eigentlich eine klare Aussage zu einem (versteckten) Programm der Sinfonie, doch auch hier gibt es wieder diskrepante Zeugnisse, die von Beethoven aus erster Hand stammen. So empfand der Komponist Bonaparte offensichtlich als Rivalen. 1806 äußerte er sich über die Schlacht von Jena und Auerstädt dahingehend: ‘Schade, dass ich die Kriegskunst nicht so verstehe wie die Tonkunst, ich würde ihn doch besiegen!’ Am 8. April 1802 äußerte Beethoven außerdem harsche Kritik gegenüber einem Angebot des Leipziger Verlegers Anton Hoffmeisters eine Sonate in Ehrung der Revolution und Bonapartes zu schreiben: ‘Reit euch denn der Teufel insgesammt meine Herren? - Mir vorzuschlagen eine solche Sonate zu machen? Zur Zeit des Revolutionsfiebers - nun da - wäre das so etwas gewesen aber jetzt - da sich alles wieder ins alte Geleis zu schieden sucht, Bonaparte mit dem Pabste das Concordat geschlossen - so eine Sonate? Wärs noch eine Missa pro sancta Maria à tre voci oder eine Vesper u.s.w. - nun da wollt ich gleich den Pinsel in die Hand nehmen - und mit großen Pfundnoten ein Credo in unum hinschreiben - aber du lieber Gott, eine solche Sonate - zu diesen neuangehenden christlichen Zeiten - hoho! - da laßt mich aus, da wird nichts daraus.’ Beethoven war offensichtlich empört darüber, dass Napoleon die Revolution betrogen hat als er ein im Juli 1801 ein Konkordat mit dem Paust geschlossen hat. Weshalb hätte Beethoven also nur wenige Monate später eine Sinfonie ‘geschrieben auf Bonaparte’ komponieren sollen? Beethoven hegte um diese Zeit Pläne nach Paris zu ziehen. Thoma Sipe und Maynard Solomon vermuten, dass das Sympathisieren mit Napoleon wohlmöglich erneut aus eigennützlichen Motiven geschah. Mit einer Sinfonia Bonaparte im Gepäck erhöhe es wohl die Chancen ungemein, um sich als Komponist in Frankreich einen Namen zu machen. Die Entfernung des Titels deutet Dahlhaus dahingehend, dass es ab 1805 mit dem Ausbruch des französisch-österreichischen Krieges unmöglich gewesen sei, sich mit einem Werktitel öffentlich zu Bonaparte zu bekennen. Deshalb hätte Beethoven den Titel später auch nur noch ‘im Privaten’ genannt. Was lassen sich aus diesen Beobachtungen für Rückschlüsse auf die Triftigkeit einer programmatischen Napoleon-Deutung ziehen? Sicher ist, dass die widersprüchlichen Aussagen Beethovens und seine pro-habsburgische Einstellung nicht den Rückschluss zulassen, dass es sich bei der Sinfonie primär um eine Hommage an Napoleon gehandelt haben könnte. Dass er seine bahnbrechende Sinfonie nur aus eigennützigen Interessen Bonaparte zueignete, scheint mir ebenfalls zu kurz gedacht. Eine inhaltliche Verbindung der Musik zu Napoleon ist jedoch letztlich auch nicht von der Hand zu weisen. Wenn man Beethovens Vergangenheit und seine Berührungspunkte mit der Aufklärung in Betracht zieht, scheint es plausibler, dass Beethoven beim Konzipieren seines Werkes an die Ideale dachte, die Bonaparte verkörperte, und weniger an das programmatische Bild eines vom Krieg gezeichneten Feldherrns. Dies unterstreicht jedenfalls auch ein Brief, in dem Beethoven sein Unbehagen gegenüber der Habsburger Politik zum Ausdruck bringt: ‘hier ist es sehr heiß die Wiener sind bangem sie werden bald kein gefrorenes mehr haben können, da der winter so wenig kalt war, so ist das Eiß rar. Hier hat man verschiedene Leute von Bedeutung eingezogen, man sagt, es hätte eine Revolution ausbrechen sollen - aber ich glaube, solange der österreicher noch Braun’s Bier und würstel hat, revoltiert er nicht. Es heißt, die Thore zu den vorstädten sollen nachts um 10 uhr gesperrt werden. Die Soldaten haben scharf geladen. Man darf nicht zu laut sprechen hier, sonst giebt die Polizei einem quartier.’ Eine ähnliche Auffassung vertretet auch Carl Dahlhaus: Laut ihm sei es der Mythos Napoleons, der in Eroica zur ästhetischen Gestalt werde. Eine Musik, die den ‘Geist des Helden’ aufbewahre.
Andrea Roman Würth, B.A., wurde 1988 in Basel geboren. Sein Studium der Musik- und Medienwissenschaft an der Universität Basel schloss der Autor im Jahre 2012 mit dem akademischen Grad insigni cum laude erfolgreich ab. Seit Herbst 2012 absolviert er einen Master of Arts in Kultur und Management in Dresden. Fasziniert von der Wiener Klassik und dem Leben und Werk Ludwig van Beethovens verbrachte der Autor 2011 ein Auslandssemester an der Universität Wien. Ein Seminar in dem hiesigen Institut für Musikwissenschaft über neue Deutungsmodelle im Schaffen Beethovens motivierte ihn, sich intensiv der Thematik der vorliegenden Forschungsarbeit zu widmen.
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