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  • Ästhetik des Pornographischen im zeitgenössischen Film. Eine vergleichende Studie zu Steve McQueens Shame (2011) und Lars von Triers Nymph()maniac (2013)

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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 07.2016
AuflagenNr.: 1
Seiten: 64
Abb.: 6
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Das vorliegende Buch befasst sich mit dem Phänomen der Pornographie ausgehend von den beiden Spielfilmen Shame (2011) und Nymph()maniac (2013). In diesen Anschauungswerken zeigt sich die Sexsucht oder Nymphomanie als ein komplexes Thema, welches in der bisherigen Filmgeschichte wenig ernsthafte Beachtung fand. Doch gerade in einer Zeit, in der die Pornographie in all ihren Facetten permanent abrufbar ist, liefern solche Werke einen Einblick in die Beziehungen zwischen Mensch, Körper und Medien in der modernen Gesellschaft. In der Analyse wird sowohl die filminhärente Ästhetik als auch der von ihr eröffnete Diskurs näher betrachtet. Ferner wird die Position der filmischen Werke in der Mediengeschichte analysiert und eine Definition einer Pornographischen Ästhetik eingeführt und erläutert.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 5.3.2 Analyse: Exemplarisch für das Werk analysiert diese Szene systematisch Joe's Nymphomanie. Ihr Lustempfinden besteht demnach aus drei Komponenten, die jeweils als pars pro toto eingeführt werden. Nicht der individuelle Charakter der Personen rückt hierbei in den Vordergrund, sondern ihre jeweilige Aufgabe als Teil eines Ganzen. Auf visueller Ebene wird immer wieder explizites pornographisches Bildmaterial verwendet, das prominent in den Vordergrund gestellt wird. Die einzelnen Close-Ups der fragmentierten Körperteile spiegeln dabei die Komposition der Szene aus einzelnen Versatzstücken und Split-Screens wider. In der Vollendung der Komposition offenbart sich das dramatische Ende in Joe's Verlust ihrer sexuellen Erregung. Jerôme, respektive die Liebe, kann in ihrer Geschichte die Funktion nicht erfüllen, denn obwohl er ihre Bitte Fill all my holes bildlich und sinnbildlich erfüllt, bleibt Joe unbefriedigt und bricht in sich zusammen. Viele Teile ergeben kein Ganzes. Ihre Lust kann fortan nur noch gewaltsam entfacht werden. Dieser Abschnitt zeigt die Tragik in Joe's Leben und führt zugleich zur pessimistischen These des Werks. Wenn selbst die vollendete Sexualität mitsamt der Liebe für keine Erfüllung sorgen kann, bleibt der Mensch in sich unvollständig. Bereits der Titel Nymph()maniac, der nicht nur als Icon für eine Vulva gelesen werden kann, deutet auf diese Leerstelle hin, die assoziativ mit Sexualität besetzt werden will. Doch immer wieder schweift der Film von dieser Sexualität ab und versucht in der Figur von Seligman jedes mögliche Erklärungsmodell anzuführen, um dieses Fehlen zu erklären oder anderweitig auszufüllen. Joe repräsentiert kein persönliches Schicksal, sondern eine allgemeine Situation, die als existenzielles Problem des Menschen erscheint was ihr fehlt, vermisst somit der Mensch in der heutigen Gesellschaft. Die Pornographie, die bildlich gesehen nicht anderes abbildet als eine Besetzung von (Körper-)Öffnungen, erscheint auf diese Weise im übertragenen Sinne als Modell für Joe’s Situation. Die Interaktion zwischen den Gesprächspartnern offenbart in diesem Abschnitt deutlich den theoretisierenden Aspekt in Joe's Erzählmuster. Hier wird evident, dass sie ihre persönlichen Erfahrungen auf einen abstrakten Wert reduziert. Diesen beschreibt sie selbst als Summe ihrer Liebhaber ( sum of my lovers ). So ist auch Jerôme nicht als individuelle Person zu verstehen, sondern als Synonym für die Liebe und alles, was mit ihr verbunden wird. Mit ihm erlebt sie die erste Liebe, die Eifersucht, die Familie und die Trennung, den Beginn, den Verlust und das Ende ihrer Sexualität. So ist der märchenhaft inszenierte Zufall, der Joe und Jerôme immer wieder zusammenführt, nur sekundär ein ironischer Kommentar auf das Füreinander-bestimmt-sein -Klischee in der phantastischen Spielfilmwelt. Vielmehr eröffnet er den Raum für die Frage nach einem allgemein gültigen Funktionsmuster zwischen Lust und Liebe. In Nymph()maniac regiert die Lust über die Liebe, und eine Beziehung ohne Lust ist für eine Nymphomanin zwangsläufig zum Scheitern verurteilt. Gerade die Erkenntnis, dass sie Lust und Liebe nicht miteinander vereinen kann, führt zu Joe’s Zusammenbruch. Das repetitive Zusammentreffen mit Jerôme hat in diesem Abschnitt des Films noch eine weitere Funktion, denn der Authentizitätsanspruch der Geschichte wird nun auch innerhalb der Erzählung durch Seligman in Frage gestellt. Joe antwortet auf sein ungläubiges Nachfragen, indem sie erklärt, dass er selbst entscheiden müsse, ob er ihren Äußerungen glauben möchte oder mehr davon hätte, sie zu hinterfragen. Seligmans Situation ist hier übereinstimmend mit derjenigen des Filmbetrachters, an den Joe's Worte gleichermaßen gerichtet sind. Der Film reflektiert und kritisiert sich somit selbst, und nebenbei verweist von Trier auf den Kampf um die Diskurshoheit, indem er die Erzählung durchbricht und auf ihre Erzähltheit hinweist. Der Hinweis auf die Fiktion in einem fiktiven Medium erinnert daran, dass die Bilder aus Joe's Nacherzählung nicht nur Erinnerungen sind, sondern Argumente in einem philosophisch-logischen Disput. So wie Körper und Bewusstsein miteinander kämpfen, kämpfen auch Bilder mit Worten. Die Bilder, das ist Lars von Triers selbstreflexives Nebenthema, sind genau so wenig ‚wahr’, wie es die Worte sind. Seligman, das Bewusstsein, antwortet demzufolge nicht nur auf die Provokation der Bilder, sondern genau so reagiert das Bildermachen, der Körper, auf die Provokation des Bewusstseins .

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