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- Akkulturationsstrategien und kulturelle Identität der tschechischen Migranten in Deutschland: Kulturelle Unterschiede zwischen Tschechien und Deutschland
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 07.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 140
Abb.: 8
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Dieses Buch untersucht eine Gruppe der Migranten und Migrantinnen, über deren Situation in Deutschland bislang nur wenig bzw. gar nichts bekannt ist, nämlich die Gruppe der Hochqualifizierten tschechischer Herkunft. Die Forschung über Einwanderer/innen gehobenen Bildungsniveaus aus Mittelosteuropa bzw. der Tschechischen Republik wurde in Deutschland bislang vernachlässigt, da der Großteil des Forschungsinteresses nach wie vor auf die hauptsächlich in den 50-er und 60-er Jahren angeworbenen Arbeitermigranten/innen aus der Türkei oder dem ehemaligen Jugoslawien bzw. deren zweite Generation sowie auf die Hochqualifizierten vorwiegend aus den Ländern der Dritten Welt und der ehemaligen Sowjetunion (Aussiedler bzw. Spätaussiedler) gerichtet wird. Das vorliegende Buch füllt diese Lücken in der gegenwärtigen Migrationsforschung.
Textprobe: Kapitel 2.4.3, Kulturelle Identität: Im Zusammenhang mit der Migration wird die Problematik sowohl des Kulturwechsels als auch das Thema der Identitätsentwicklung zentral. Der Fokus liegt dabei bei der Entwicklung einer kulturellen Identität, die als Teil des Selbstkonzeptes definiert wird, welcher sich in der weitgehende Bewahrung der Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe und der Identifikation mit deren Mitgliedern zeigt. Identität ist nicht als beharrende Substanz, sondern als fließendes Gleichgewicht aufzufassen, das sich in lebenslangen Erfahrungs- und Lernprozessen ausbildet und fortdauernd vom Individuum durch Selbstwahrnehmung und Selbstdefinition aufrecht erhalten werden muss. Die Soziologie unterscheidet zwischen zwei Ebenen der Identität: 1. soziale Identität als Selbstzuordnung zu bestimmten Gruppen und Lebensformen bzw. die Abgrenzung von anderer Gruppenzuschreibung. 2. personale Identität als Folge der Individualisierung und eigenständige Verarbeitung sozialer Identifikationsoptionen. Die Identität stellt einen Zusammenhang zwischen Individuen und sozialen Gruppen bzw. der Gesellschaft her. Laut Hall gibt es folgende Identitätsproduktion: Im traditionellen ‘naturalistischen’ Sinn wird ein wesenhafter Inhalt oder Kern von Identität angenommen, der durch einen gemeinsamen Ursprung und/oder gemeinsame Eigenschaften bzw. eine gemeinsame Erfahrungsstruktur mit einer Gruppe definiert ist, wobei diese Gemeinsamkeit als Basis für Solidarität und das Gefühl der Zusammengehörigkeit dient. Dieser Prozess der Suche nach Identität ist niemals abgeschlossen. ‘Wir identifizieren uns mit Sprache, Sitten, Gebräuchen, mit kulturellen, sozialen Gruppen, Institutionen, Nationen, mit Religion, etc. und nach Huntington auf weitester Ebene mit Kulturkreisen’. Nach innen identifizieren wir uns mit einer Bezugsgruppe, Kultur bzw. Subkultur, nach außen vergleichen wir uns mit den anderen. Die Identität ist eine Lebensorientierung. Bei Selbst- und Fremdzuschreibungen darf nicht der Fehler begangen werden, zu vereinfachen, denn niemand ist nur ein ‘Deutscher’, oder ‘Tscheche’, sondern, Mann oder Frau, Absolvent einer Universität oder Verkäufer, jung oder alt, Wähler einer bestimmten Partei usw. So kann Identität multidimensional betrachtet werden. Die Frage nach der Identität wird in dieser Arbeit ebenfalls erörtert. Welche Identität bringen die nach Deutschland immigrierten Hochqualifizierten tschechischer Herkunft mit und welche übernehmen sie im Laufe des Verbleibs in Deutschland, welcher Gruppe fühlen sie sich zugehörig, oder leben sie in zwei Gesellschaften? Der Aufenthalt in bzw. zwischen mehreren Kulturen, mit unterschiedlichen Werten und Normen, ist das Resultat von Migration oder einer bi-kulturellen Partnerschaft. Doch nicht nur die Ausländer oder Migranten befinden sich zwischen mehreren Kulturen, sondern auch die einheimischen Mitglieder einer Gesellschaft mit hoher Zuwanderungsrate. Das zeigt, dass die Auseinandersetzung mit Identität nicht ohne Berücksichtigung der kulturellen Heterogenität möglich ist. Dabei stellt sich die Frage, ob und inwiefern die kulturelle Vielfalt der zeitgenössischen Gesellschaft einen Einfluss auf die Identitätsentwicklung ihrer Mitglieder hat. In den Sozialwissenschaften brachte die Entwicklung der Identität angesichts heterogener kultureller Kontexte den Begriff der kulturellen Identität hervor. ‘Kulturelle Identität entsteht hauptsächlich angesichts kultureller Andersheit, jedoch nie abstrakt und allgemein, sondern als Ergebnis konkreter Kulturkontakte, wobei Grenzen gebildet werden als Markierungen trennender Unterschiede und als Orte verbindender Berührung’. Für die sozialwissenschaftliche Auffassung der kulturellen Identität ist die Zugehörigkeit zu einer oder mehreren ethnischen Gruppen ein fundamentaler Aspekt, der in zwei Ansichten unterteilt wird: eine subjektive kulturelle Zugehörigkeit und eine tradierte bzw. objektive kulturelle Zugehörigkeit. Des Weiteren betrachtet man das Konstrukt der kulturellen Identität von den internen bzw. psychologischen sowie externen bzw. soziologischen Aspekten, wobei die Identitätsentwicklung von der Interaktion der beiden Aspekte beeinflusst wird. Die internen Aspekte beinhalten drei Dimensionen. Erstens die kognitive Dimension, die sich auf die Einstellung zu sich selbst als Mitglied einer ethnischen Gruppe und auf das Wissen über die Traditionen und Wert- sowie Normvorstellungen dieser Gruppe bezieht. Zweitens die moralische Dimension, die durch das Solidaritätsgefühl gegenüber den Angehörigen der eigenen ethnischen Gruppe vertreten wird. Und drittens die affektive Dimension, die das Zugehörigkeitsgefühl zur eigenen ethnischen Gruppe, wobei das Sicherheitsgefühl unter Mitgliedern der eigenen ethnischen Gruppe sowie Sympathie für die Mitglieder besonders betont werden. Die externen Aspekte äußern sich im sozialen und kulturellen Verhalten, und zwar in den Bereichen Sprache, Freundschaften, Medien, kulturelle Traditionen und Teilnahme an den Aktivitäten der ethnischen Gruppe. Die beiden Aspekte können in unterschiedlicher Art und Weise kombiniert sein. Dies hängt von der Akkulturation ab, die selektiv sein kann, d.h. eine ethnische Gruppe betont z. B. das Erlernen der Sprache und kulturellen Traditionen, welche zu den externen Aspekten gehören, während für die andere Gruppe die kulturellen Werte und Einstellungen, die zu den internen Aspekten gehören, von Bedeutung sind. Unter Berücksichtigung der Anforderungen heutiger pluraler Gesellschaften wird Identität zum Thema eines lebenslangen Prozesses. Die Erkenntnis, dass die Identität sich ständig neu in wechselnden soziokulturellen Kontexten bewähren muss, d.h. ständig evaluiert und (re-)konstruiert werden muss, bedeutet aber gerade nicht, dass das Individuum in viele Identitäten oder Persönlichkeiten zerfällt , denn dem Individuum wird in einer kulturellen Pluralität die Zugehörigkeit zu mehreren Kulturen erlaubt. Dabei wird zwischen drei Arten des Zugehörigskeitsgefühls unterschieden: - Doppelte subjektive kulturelle Zugehörigkeit: Das Individuum schreibt sich in gleichem Maße der ererbten Kultur und der Kultur der Mehrheit zu. - Wechselnde subjektive kulturelle Zugehörigkeit: Das Individuum steht in Abhängigkeit vom Wechsel des kulturellen Umfeldes und entwickelt ein kontextspezifisches Zugehörigkeitsgefühl. - Partielle subjektive kulturelle Zugehörigkeit: Das Individuum kombiniert die von ihm ausgewählten Komponenten der ererbten Kultur mit ausgewählten Komponenten der Kultur der Mehrheit. Die pluralistische Gesellschaft fordert uns zu pluralistischen Haltungen ihr gegenüber auf. Unter diesem Gesichtspunkt definiert Bilden die Identität als dynamisches System vielfältiger ‘Selbst’. Die innere Vielfalt und Beweglichkeit wird als eine Notwendigkeit betrachtet, denn solche Identität ist eine Voraussetzung für den Umgang mit Pluralität in der Gesellschaft. Diese Identität erlaubt es dem Individuum, dass Leben in verschiedenen soziokulturellen Kontexten zu gestalten, ohne ‘eine leidvolle Spannung’ und das Gefühl der Zerrissenheit erleben zu müssen. Demnach bietet die Auseinandersetzung mit kulturell heterogenen Kontexten dem Individuum ‘eine Chance zum Wachstum, eine Bereicherung durch neue Erfahrungen, eine Ausweitung der Identität’.
Monika Meinhardt, M.A. wurde 1972 in der Tschechischen Republik geboren. Im Jahre 1997 verließ die Autorin ihre Heimat und im Jahre 2011 schloss sie ihr Studium der Osteuropastudien an der FU-Berlin mit dem akademischen Grad der Magistra Artium erfolgreich ab. Die kulturelle und soziale Mobilisierung als zentraler Bestandteil ihrer Biographie, motivierte die Autorin, sich der Thematik des vorliegenden Buches zu widmen.
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