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- Afrikanische Vereine in Berlin: Selbstdarstellung und Integration von Migrantenvereinen
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 11.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 112
Abb.: 12
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
In Zeiten, die vom Kampf der Kulturen (Huntington) beherrscht zu sein scheinen und in denen das Ende von Multikulti (FOCUS Titel 2010) propagiert wird, werden Initiativen, die diesem Trend entgegen steuern immer wichtiger. Vereine von Migranten können hierzu einen Beitrag leisten und zur Integration beitragen. Vereine gelten allgemein als typisch deutsche Organisationsform, von der im Lauf der Geschichte viele Impulse zu gesellschaftlichen Veränderungen ausgingen. Ab Mitte des 20. Jahrhunderts begannen auch vermehrt Afrikaner, wie so viele andere Zuwanderer, in Berlin Vereine zu gründen. In dieser Studie wird der Frage nachgegangen, in welchen Bereichen diese Vereine tätig sind und wodurch sie Einfluss auf die Gesellschaft nehmen. Da es bei diesem Thema ein großes Forschungsdefizit gibt, bestand eine Hauptaufgabe in der Erschließung von Quellen. Die Studie basiert auf einer umfangreichen Datenerhebung sowie zwei längeren Interviews mit Vereinsmitgliedern und gliedert sich in vier Teile: Zunächst werden die Rahmenbedingungen für die Situation von Afrikanern in Berlin erläutert. Daran schließt sich eine historische Skizze des deutschen Vereinswesens an. Migrantenvereine sind der Schwerpunkt des nächsten Teils. Das vierte Kapitel befasst sich mit Vereinen der afrikanischen Diaspora. Zwei Vereine, die Afrikanischen Ökumenischen Kirche e.V. und der Nzuko Umo Igbo e.V. werden dabei näher betrachtet.
Textprobe: Kapitel 2, Afrikaner in Berlin: Wann die ersten Afrikaner erstmals Berliner Boden betraten, lässt sich nicht genau feststellen. Es wird jedoch davon ausgegangen, dass bereits im späten 17. oder frühen 18. Jahrhundert vereinzelt Menschen aus Afrika hierher kamen. Friedrich Wilhelm von Brandenburg hatte um 1683 an der Westküste Afrikas im heutigen Ghana die Festung Großfriedrichsburg errichtet, um sich am Handel mit Sklaven,Gold, Elfenbein, Straußenfedern, Salz und Gummi zu beteiligen. Sein Sohn Friedrich Wilhelm I. verkaufte die Festung jedoch wegen zu geringer Erträge 1717 für ‘7200 Dukaten und 12 Mohren’ an die Holländer. Einige Zeit später wird der Sohn Friedrich Wilhelms I., Friedrich II. (1744-1794), auf zwei Portraits in Begleitung schwarzer Pagen dargestellt. Ende des 19. Jahrhunderts wurden wieder Menschen aus Afrika nach Berlin gebracht. Dieses Mal im Rahmen von Völkerschauen, die vordergründig Verständnis für fremde Kulturen wecken sollten, tatsächlich aber nur die Sensationslust der Berliner befriedigen sollten. Afrikaner aus den Kolonien kamen außerdem zur Ausbildung nach Berlin, um später in der Verwaltung der Kolonie tätig zu werden oder dort den christlichen Glauben zu verbreiten. Es gab aber auch Afrikaner, die in Berlin blieben, um hier zu arbeiten. Während des Nationalsozialismus wurden Afrikaner verschiedener Länder in Konzentrationslager gebracht und verloren dort ihr Leben. Andere konnten sich retten, indem sie eine Statistenrolle in den Propagandafilmen der UFA übernahmen. Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen immer mehr Afrikaner als Asylbewerber, als Vertragsarbeiter oder zu Ausbildungs- und Studienzwecken nach Deutschland. Im Folgenden soll diese Geschichte der Migration in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts kurz dargestellt werden. Sie verlief im Westen und Osten unterschiedlich. 2.1, Unterschiedliche Geschichte West/Ost: Die Geschichte der Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte in der Bundesrepublik Deutschland begann 1955. Die durch das ‘Wirtschaftswunder’ anfallenden Aufgaben konnten von deutschen Arbeitern allein nicht mehr bewältigt werden. Deshalb wurden Anwerbeverträge mit folgenden Ländern geschlossen: Italien 1955, Griechenland 1960, Spanien 1960, Türkei 1961, Marokko 1963, Portugal 1964, Tunesien 1965, Jugoslawien 1968. In der ersten Zeit der Anwerbung war der rechtmäßige Aufenthalt an einen bestimmten Arbeitsplatz gebunden. Die Arbeiter waren in Wohnheimen (teilweise auf dem Firmengelände) untergebracht, denn zunächst war nur an einen begrenzten Aufenthalt der Ausländer gedacht. Dies konnte jedoch nicht durchgeführt werden, da es wirtschaftlich nicht sinnvoll war, immer wieder gut angelernte Arbeiter mit neuen, ungelernten auszutauschen (‘Rotationsprinzip’). In der Zeit vom 1954 bis zum 1971 stieg die Zahl der ausländischen Arbeiter aus den Anwerbeländern von 9 269 auf 1 852 100. Davon waren 478 200 Jugoslawen, 452 700 Türken, 407 900 Italiener, 268 500 Griechen,186 500 Spanier und 58 300 Portugiesen. Insgesamt waren im Jahr 1971 2 239 300 ausländische Arbeitnehmer aus den verschiedensten Ländern der Welt in der Bundesrepublik tätig. In der wirtschaftlichen Rezession 1973 wurde ein Anwerbestopp verhängt. Aber trotzdem erhöhte sich die Zahl der Ausländer stetig, da jetzt verstärkt Familienangehörige einreisten, aus Angst, dass dies bald nicht mehr möglich sein würde. Aus den sog. ‘Gastarbeitern’ wurden Immigranten, die auf (längere) Dauer in der Bundesrepublik wohnen wollten. Das Rückkehrförderungsgesetz von 1983, das Ausländer mit Zahlung von Rückkehrhilfen zur Heimkehr bewegen sollte, hatte nicht den beabsichtigten Erfolg. Meist kehrten nur diejenigen zurück, die es sowieso bereits geplant hatten. Es wurde immer deutlicher, dass sich die Arbeitsmigranten sich auf Dauer im Land einrichteten. Da es zwischen der deutschen Bevölkerung und den Einwanderern Misstrauen und Ablehnung gab und auch die Presse ein äußerst negatives Bild von Ausländern zeichnete, begannen engagierte Gruppen, sich um ein besseres Zusammenleben zu bemühen, um den sozialen Frieden zu gewährleisten. Kirchen und Menschenrechtsorganisationen versuchten mit Veranstaltungen und Broschüren die Akzeptanz der Ausländer in der Gesellschaft zu verbessern. Sogar die Arbeitgeber hatten bereits 1965 ihrer Besorgnis über die Gefahr der Ausländerfeindlichkeit für die Wirtschaft Ausdruck verliehen: In der Broschüre Der Arbeitgeber heißt es: 'Deshalb tut nichts mehr not (sic!) als eine sachkundige Aufklärung der deutschen Bevölkerung über Tatbestände und Notwendigkeiten der Ausländerarbeit, über Eigenart, Mentalität, Sorgen und Lebenssituation der fremden Arbeiter, die bei uns tätig sind, aber auch Aufklärung der Ausländer über das, was sie in der BRD erwartet und was man von ihnen erwartet. Hier kann nicht genug getan werden, wenn verhindert werden soll, dass zum Schaden unserer Wirtschaft eine Ausländerfeindlichkeit aufkommt.’ Die Gewerkschaften stellten ausländische Arbeitnehmer ab 1972 den deutschen Arbeitern gleich sie erhielten nach einer Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes das aktive und passive Wahlrecht. Im öffentlichen Diskurs verstand man unter Arbeitsmigranten hauptsächlich diejenigen, die aus den Anwerbeländern stammen, d.h. in Bezug auf Afrika nur Menschen aus dem Magreb (Tunesien und Marokko). Aus Afrika südlich der Sahara kamen jedoch ebenfalls Zuwanderer, zum einen wegen Bürgerkriegen oder sonstiger politischer Unruhen, die die Menschen zur Flucht trieben. Zum andern zu Studienzwecken oder wegen einer Berufsausbildung, verstärkt seit den 1960er Jahren, in denen viele afrikanische Staaten unabhängig wurden. Fachkräfte sollten mit dem Wissen aus westlichen Bildungseinrichtungen helfen, die jungen Staaten aufzubauen. Einige Afrikaner heirateten jedoch Deutsche, blieben nach Abschluss ihres Studiums oder ihrer Ausbildung in der Bundesrepublik und konnten dann auch legal arbeiten. Eine wichtige Rolle für die Akzeptanz von Afrikanern spielt seit Mitte der 80er Jahre die Gruppe der ‘Afrodeutschen’. Erstmals trat hier eine Gruppe an die Öffentlichkeit, die gleichzeitig schwarz (Hautfarbe) und deutsch (Nationalität) war. Der ghanaische Publizist Sam Nove, ‘Veteran-Aktivist der afrikanischen Diaspora’ und Herausgeber des Adressbuches African-German Contacts stellt in diesem Zusammenhang fest: ‘Durch ihre gezielten Bemühungen um einen ihnen gebührenden Platz als schwarze Deutsche in einer mehrheitlich weißen Gesellschaft, tragen die Afrodeutschen nach und nach zur Befestigung einer Black Community bei, die weit über die Afrodeutsche Bewegung hinausgeht.’ Die Vereine der Afrodeutschen Initiative Schwarze Deutsche (ISD) e.V. und ADEFRA e.V. sind überregional vertreten. Während sich in der Bundesrepublik Deutsche und Ausländer im Laufe der Zeit zunehmend einander annäherten, verlief die Entwicklung in der DDR völlig anders. Der größte Teil der Ausländer in der DDR nach 1945 kam aus der Sowjetunion. Bereits 1951 wurde damit begonnen, Studenten aus dem ‘Ostblock, aus sozialistisch orientierten Entwicklungsländern oder nationalen Befreiungsbewegungen’ in die DDR zu holen. Ab 1960 wurden dann vermehrt auch ausländische Arbeitnehmer beschäftigt, vor allem aus ‘befreundeten Ländern’. In den 70er Jahren kamen auch Flüchtlinge aus ehemals sozialistisch organisierten Ländern hinzu (z.B. Chile 1973), dazu auch Mitglieder der SWAPO (Namibia) und des ANC (Südafrika). Aus Afrika wurden auf der Basis bilateraler Abkommen auch gezielt Arbeiter in die DDR gelotst (Mosambik 1979, Angola 1985), um dem immer größer werdenden Arbeitskräftemangel entgegenzuwirken. Nach der amtlichen Statistik des Innenministeriums der ehemaligen DDR lebten 1989 folgende Ausländergruppen in der DDR (von den Menschen aus der Sowjetunion abgesehen): 60.000 Vietnamesen und 52.000 Polen - mit 31 Prozent bzw. 27 Prozent aller Ausländer die größten Gruppen -, 15.000 Mosambikaner, 13.000 Ungarn sowie 8.000 Kubaner. Darüber hinaus wurden 5.000 Bulgaren, 3.000 Tschechen und Slowaken, 2.000 Jugoslawen, jeweils 1.000 Angolaner und Rumänen sowie einige Hundert Mongolen, Chinesen und Nord-Koreaner gezählt. Die Aufenthaltsgenehmigung variierte von Nationalität zu Nationalität: Für Kubaner, Mosambikaner, Angolaner und zunächst auch die Vietnamesen war die Aufenthaltsdauer auf vier Jahre befristet. ‘20 Prozent der ‘mocambiquanischen Werktätigen mit den besten Leistungen und Qualifizierungs-Voraussetzungen’ konnten jedoch um ein weiteres bis zu fünf Jahren in der DDR bleiben - ab 1988 wurde die Aufenthaltsdauer in 2-Jahres-Schritten auf maximal 10 Jahre verlängert’. Meist wohnten die Vertragsarbeitnehmer getrennt von der deutschen Bevölkerung in Wohnheimen oder ‘Arbeiterhotels’ innerhalb oder außerhalb des Betriebsgeländes. Es wurde pro Person 5 Quadratmeter Wohnfläche gewährt. Das Leben in den Heimen wurde streng reglementiert und Freunde konnten nur unter Beachtung strengster Formalitäten zu Besuch kommen. Grundsätzlich wurden nur Verträge für unverheiratete Arbeiter abgeschlossen, an eine ‘zweite Generation’ dachte man nicht. Falls eine Frau schwanger wurde, konnte sie zurückgeschickt werden, wie aus einem Jahresprotokoll mit Mosambik von 1981 hervorgeht: ‘… im Falle von Schwangerschaft bei mocambiquanischen Werktätigen … hat deren unverzügliche Rückführung … zu erfolgen’.Der Kontakt zu Deutschen war aus den gegebenen Umständen sehr begrenzt. Diese Ausgrenzung war u.a. auch der Grund dafür, dass es Ende der 70er Jahre vermehrt zu rassistischen Übergriffen kam. In den 80er Jahren begannen jedoch deutsche (oppositionelle) Gruppen und Kirchenkreise dieser Diskriminierung entgegenzutreten. 1987 wurde im Ökumenisch-Missionarischen Zentrum (ÖMZ) in Berlin-Friedrichshain eine Stelle zur Koordination der kirchlichen Ausländerarbeit eingerichtet. Am 1. November 1988 öffnete in Ostberlin das Kommunikationscafé Cabana, was der Rat des Stadtbezirks mit ‘äußerstem Missfallen’ zur Kenntnis nahm. Die Gründung dieses Cafés wirkte sich über Berlin hinaus auch z.B. auf die Situation in Dresden und Erfurt aus. In der Wende- und Nachwendezeit verschrieben sich diverse Vereine und Organisationen der Verbesserung der Lebensverhältnisse von Ausländern. Explizit für Afrikaner entstand 1990 die Deutsch-Afrikanische Gesellschaft (DAFRIG) e.V. Sie wurde ‘von an Afrika und der Integration hier lebender afrikanischer Bürger in Deutschland interessierten Deutschen und Afrikanern gegründet.’ Zusammenfassend kann man feststellen, dass im Westen und im Osten Ausländer durch Anwerbeverträge ins Land geholt wurden. In die Bundesrepublik kamen Afrikaner zum Studium, zur Ausbildung sowie als Asylbewerber, in die DDR sowohl als Studenten als auch als Vertragsarbeiter. Der Aufenthalt war in beiden Fällen geregelt durch Gesetze und Vorschriften, wobei die Anfangszeit in der Bundesrepublik den Verhältnissen in der DDR ähnelte (Bindung des Aufenthalts an einen bestimmten Arbeitsplatz, Unterbringung in Wohnheimen). Die Wohnsituation in der Bundesrepublik änderte sich, als die Arbeitsmigranten auch ihre Familien nachholten. Familienzusammenführung war in der DDR die Ausnahme. Es wurden nur unverheiratete Arbeiter angeworben wenn es zu einer Schwangerschaft kam, was dies ein Ausweisungsgrund. Die Wohnheime in der DDR lagen isoliert, die Ausländer waren gegenüber der Restbevölkerung abgeschottet, was als Grund für rassistische Übergriffe gewertet werden kann. In der Bundesrepublik hingegen wurde durch Aktivitäten der Kirchen und Gewerkschaften die Akzeptanz der Ausländer verbessert. In der DDR begannen sozial engagierte Kreise erst in den 80er Jahren etwas für die Verbesserung von Ausländern zu unternehmen. P. Botembe, Gründer der Afrikanischen Ökumenischen Kirche und Kenner des Westens und der DDR, bringt es auf den Punkt: ‘Die Bundesrepublik hatte Gastarbeiter, und alle dachten: Die gehen wieder. Die DDR hatte ausländische Studenten, später ebenfalls Gastarbeiter, und alle dachten: Die gehen wieder. Aber das Leben ist anders: Man verliebt sich, heiratet, bekommt Kinder. Im Westen haben sich die Menschen mit den Gastarbeitern arrangiert. Das hatten die Leute im Osten nicht mitgekriegt. Sie dachten: Die gehen wieder, und wir rücken an ihre Stelle.’
Andrea Baumgartner-Makemba, Dipl.Päd, M.A., wurde 1946 in Tegernsee geboren. Nach einem Studium der Anglistik und Romanistik an der Ludwig-Maximilians-Universität in München arbeitete sie als Sekundarschullehrerin. Dann erwarb sie 1977 ein Diplom in Erziehungswissenschaften an der Pädagogischen Hochschule Berlin und verfasste (zusammen mit Gisela Landesberger) die Untersuchung Die verkauften Bräute – Türkische Frauen zwischen Kreuzberg und Anatolien (Rowohlt). Sie arbeitete als Dozentin und Supervisorin und leitete 20 Jahre lang das sozio-kulturelle Zentrum WOHNEN UND LEBEN e.V. in Berlin-Kreuzberg. Dabei erfuhr sie, wie wichtig Vereine der verschiedenen kulturellen Communities – oft in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen - für das Zusammenleben in der Stadt sind. Dies und das Studium der Afrikawissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin, das sie in mehrere Länder Afrikas führte, und das sie 2007 mit dem akademischen Grad der Magistra Artium erfolgreich abschloss, motivierte sie dazu, dieses Buch über die Bedeutung afrikanischer Vereine in Berlin zu veröffentlichen.