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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 08.2016
AuflagenNr.: 1
Seiten: 80
Abb.: 7
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Im Zuge des WTO-Beitritts Russlands im August 2012 bekennen sich russische Wirtschaftsakteure zunehmend zu international akzeptierten Unternehmensführungspraktiken, die in Russland bis dato eigentlich nicht geläufig waren. Hierzu zählt u.a. der Verhaltenskodex bzw. Code of Conduct, welcher aus dem amerikanischen kulturellen Kontext stammt und in den russischen kulturellen Kontext transferiert wurde. Passten die russischen Unternehmen die Praktik Verhaltenskodex nach dem Transfer an ihren kulturellen und institutionellen Kontext an oder kopierten sie lediglich die amerikanische Praktik? Mithilfe von empirischen und kulturtheoretischen Techniken wird diese Frage umfänglich untersucht und beantwortet.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3.5, Kulturelle Grundannahmen zu wertefundierten Managementpraktiken in den USA und Russland: Wie bereits gezeigt wurde, sind es die kulturellen Grundannahmen, die den Transfer von Artefakten beeinflussen. Um die Grundannahmen zu differenzieren, haben Forscher wie Schein (2004) oder Trompenaars & Hampden-Turner (2012) sie in mehrere Dimensionen unterteilt, welche sich je nach Modell überschneiden. Laut Palazzo (2002, 198f) eignen sich die Dimensionen von Edgar Schein besonders gut, um die Entstehung wertefundierter Verhaltenskodizes nachzuvollziehen und die Anschlussfähigkeit der Artefakte in anderen kulturellen Kontexten zu überprüfen. Sie gehen auf den Soziologen Talcott Parsons (1952, 180ff) und die Anthropologen Kluckhohn & Strodtbeck (1973, 11ff) zurück und ermöglichen differenzierte Aussagen zu Bereichen, die sich explizit und implizit in den Verhaltenskodizes wiederfinden. Die einzelnen Dimensionen geben kulturspezifische Antworten auf universelle Probleme des menschlichen Daseins. Sie umfassen (1) die Beziehung des Menschen zu anderen Menschen, (2) die Beziehung zwischen Mensch und Umwelt, (3) die Aktivitätsorientierung, (4) das Wesen der menschlichen Natur und (5) die Definition von Realität und Wahrheit (Schein 2004, 138). In Anlehnung an Palazzo (2002, 199) wird diesen Grundannahmen die konstruierte Dimension (6) Verhältnis von Religion, Staat und Wirtschaft vorangestellt, da sie gängige Interpretationsmuster für ethisch-moralische Problemstellungen bereithält. Natürlich birgt die pauschale Charakterisierung von Kulturen immer die Gefahr der Stereotypisierung. Trompenaars & Hampden-Turner (2012, 33f) weisen darauf hin, dass der Vergleich von Kulturen zum einen nur in Relation möglich ist und zum anderen lediglich Tendenzen abbildet, bei denen es auf individueller Ebene viele Ausnahmen gibt. Aussagen zu kulturellen Grundannahmen in Russland und den USA sind schwierig zu treffen, da beide Länder durch ihre Größe und Bevölkerungsstruktur eine enorme kulturelle Vielfalt besitzen. Ungeachtet dieser Unterschiede konnten vorangegangene Arbeiten dennoch stabile wiederkehrende Muster in Verhalten und Weltanschauung von Russen und US-Amerikanern offenlegen. Sie sollen nun überblicksartig aufgeführt werden. 3.5.1, Verhältnis von Religion, Staat und Wirtschaft: Inwieweit ethisches Handeln und wirtschaftliche Aktivitäten miteinander vereinbar sind, spielt eine wichtige Rolle für das Verständnis von wertefundierten Verhaltenskodizes. Laut Palazzo (2002, 200) herrscht in der US-amerikanischen Gesellschaft eine ausgesprochen positive Beziehung zwischen Ethik und geschäftlichen Erfolg, die u.a. auf den Einfluss der religiösen Reformbewegung der Puritaner zurückgeht. Das puritanische Arbeitsethos besagt, dass sich die Gnade Gottes im weltlichen Erfolg widerspiegelt. Da laut calvinistischer Lehre wohlhabende Menschen ihren Reichtum erhalten haben, um Gottes Werk auf Erden zu vollenden, werden an ihr Verhalten hohe ethische Maßstäbe angelegt (vgl. Palazzo 2002, 200). Gleiches gilt für US-amerikanische Unternehmen, die trotz wiederkehrender Wirtschaftsskandale zu ethischen Akteuren gemacht werden. Unterstrichen wird diese Einstellung durch den Utilitarismus, der im amerikanischen Verständnis davon ausgeht, dass die gesamte Gesellschaft davon profitiert, wenn jeder seine individuellen Interessen verfolgt und seinen persönlichen Wohlstand vermehrt (vgl. Palazzo 2002, 201 Barmeyer/Davoine 2011, 10 Beekun 2003, 1337). Der Staat hält sich mit direkten Eingriffen zurück, aber ermutigt wirtschaftliche Akteure durch Anreize, ihrer ethischen Verantwortung gerecht zu werden und Eigeninitiative zu ergreifen. Dass sie ihren Mitarbeitern Verhaltenskodizes auferlegen, deckt sich mit diesen amerikanischen Grundannahmen. Laut Palazzo (2002, 201) ist auch die Trennung zwischen Privatsphäre und Öffentlichkeit in den USA nicht so ausgeprägt wie in anderen Weltregionen. Da sie Ethik nicht als ihre Privatangelegenheit ansehen, fällt es Amerikanischen Mitarbeitern leicht Vorgaben zu ethischem Verhalten am Arbeitsplatz und während der Arbeitszeit zu akzeptieren (vgl. Palazzo 2002, 201). Auch diese amerikanische Einstellung hat ihre Wurzeln vor allem im protestantisch geprägten Gesellschaftsverständnis, bei dem das ethisch-moralische Verhalten des Anführers von seinen Anhängern öffentlich zur Diskussion gestellt wurde. Weiterhin hat sich die Zivilgesellschaft als Forum etabliert, auf dem Amerikaner ethische Probleme öffentlich ansprechen können (vgl. Palazzo 2002, 202). Eine Grundfeste amerikanischer Unternehmensethik fußt also auf der öffentlichen und demokratischen Debatte vieler gleichgestellter gesellschaftlicher Akteure. In Russland prägten zentrale hierarchische Institutionen, wie Zar, Kommunistische Partei und Staat die Normen und Wertvorstellungen der Gesellschaft und deren Sichtweise auf die Wirtschaft (vgl. Puffer/McCarthy 1995, 32). Die russisch-orthodoxe Kirche ordnet sich dabei traditionell der staatlichen Hoheit unter. Man findet im orthodoxen Glauben keine Erlösung durch das rationale Streben nach individuellen Profiten, sondern durch den mystischen Gemeinschaftsgedanken Sobornost (russ: ??????????), verbunden mit Menschenliebe und Gehorsam (vgl. Buss 1989, 42). Damit einher geht eine andere ethische Wertvorstellung: […] the Russian Church did not value work as a religious virtue. People who engaged in business were thus often suspected of having selfish and, implicitly, unethical motives.” (Puffer/McCarthy 1995, 32). Im Gegensatz zur USA mischt sich der russische Staat bis heute traditionell stark in das Wirtschaftsleben ein. Im Moralverständnis der Russen dienen Unternehmen dem Wohl der Gesamtgesellschaft. Sie sind dazu verpflichtet, die geschaffenen Werte solidarisch mit der Allgemeinheit zu teilen (vgl. Frank 2012, 60f). Firmen stellen in diesem Sinne öffentliche Institutionen dar, die nicht von demokratischen Kräften, sondern von staatlicher Autorität kontrolliert werden (vgl. Frank 2012, 27). Selbstständige privatwirtschaftliche Akteure spielten in der russischen Wirtschaftsgeschichte bis zur Transformation dagegen kaum eine Rolle. Puffer & McCathy (2008, 23) erklären mit diesem Umstand den mangelnden Respekt vor privaten Firmeneigentum, den sie einigen russischen Mitarbeitern attestieren. Für Vorbehalte gegenüber dem ethischen Engagement privatwirtschaftlicher Akteure sorgen auch das Erbe es Feudalismus, der in Russland erst im Jahr 1861 abgeschafft wurde, und die kapitalismusfeindliche leninistisch-marxistische Ideologie, die über 70 Jahre lang zur Staatsraison der Sowjetunion gehörte. Während der Privatisierung der russischen Wirtschaft in den 1990er Jahren herrschte, aufgrund fehlender privatwirtschaftlicher Tradition, ein Vakuum moralischer Autorität (vgl. Kets de Vries et al 2004, 16). Unternehmer und Geschäftsleute konnten dieses Vakuum nicht füllen und schafften es nicht, sich als legitime wirtschaftsethische Akteure zu etablieren. Der stärkere Einfluss des Staates auf die Wirtschaft und damit verbundene zentrale gesetzliche Regelungen im Arbeitsgesetzbuch erlauben den Schluss, dass russische Firmen bei der Unternehmensführung nur über kleine individuelle Gestaltungsspielräume verfügen. Anstatt eigene Regeln aufzustellen, brauchen und können sie sich in ihren Kodizes lediglich auf bestehende zentrale Gesetze beziehen. Weiterhin besitzen große russische Unternehmen im Vergleich zu amerikanischen Firmen eine andere gesellschaftliche Rolle. Sofern ihre Kodizes rekontextualisiert worden sind, muss die gesellschaftliche Verantwortung darin anders thematisiert werden, als in den amerikanischen Vorlagen. Sie stehen eventuell stärker im Dienst des Gemeinwohls.

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