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- Finanzkrise und Finanzmarktaufsicht: Sind die neuen europäischen Aufsichtsbehörden stark genug für die nächste Krise?
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 09.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 76
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Als Reaktion auf die globale Finanzkrise, die Wirtschaft und Politik seit 2007 beschäftigt, hat die EU-Kommission eine Expertengruppe mit der Analyse der Ursachen dieser Krise beauftragt. Diese hob Mängel in der Finanzmarktaufsicht als eine der Ursachen für die prekäre Entwicklung der Krise hervor und schlug eine neue Aufsichtsstruktur vor. Als Reaktion darauf wurden im Januar 2011 drei Aufsichtsbehörden, EBA, EIOPA und ESMA, gegründet, die zusammen mit den nationalen Aufsichtsbehörden die europäischen Finanzmärkte beaufsichtigen sollen. In dieser Untersuchung wurden die Faktoren, welche die Macht einer Behörde ausmachen, aus politikwissenschaftlicher Sicht formuliert und die europäische Behörde für Versicherungsaufsicht und die betriebliche Altersversorgung EIOPA dahingehend analysiert. Aus den Ergebnissen dieser Untersuchung werden Empfehlungen für die (Neu-)Ausrichtung von EIOPA abgeleitet und damit einen Beitrag zur Diskussion über die Überprüfung der Wirksamkeit der Aufsicht geleistet.
Textprobe: Kapitel 3.5, Operationalisierung: In diesem Kapitel wird als dritte Teilfrage dieser Untersuchung beantwortet, wie die Machtfaktoren Autorität, Effektivität, Einfluss und Kompetenz gemessen werden können. Vorauszuschicken ist hier, dass in der Literatur zwar Einigkeit darüber herrscht, dass diese vier Variablen zu den Faktoren zählen, an denen sich die Macht einer Institution misst. Von der Wissenschaft nicht eindeutig definiert sind jedoch die Indikatoren, mit denen man die genannten Machtfaktoren messen kann. Eine eindeutige Zuordnung der Indikatoren liegt somit nicht vor und die zur Messung der unabhängigen Variablen identifizierten Indikatoren sind in der Regel für mehr als nur eine dieser Variablen bedeutsam, was die abschließende Bewertung erschwert. Als Indikator zur Messung von Autorität wird der rechtliche Rahmen bzw. das Vorhandensein von Regeln analysiert. Autorität ist bei Max Weber im Sinne von Amts- und Befehlsgewalt gemeint (vgl. Imbusch 1998: S. 12 Fischer 2004: S. 24). Er bezeichnet Autorität unter anderem als ‘Herrschaft kraft ‘Legalität’’ (Weber 1980: S. 822), das heißt, es müssen eine Satzung und Regeln vorliegen (vgl. Weber 1980: S. 125) bzw. eine Ordnung, welche die Handlungen der Mitglieder der Organisation als verbindlich definiert. Regeln ermöglichen es Akteuren aber auch, Einfluss auf Entscheidungen auszuüben, der durch den Einsatz von Regeln realisiert wird (vgl. Imbusch 1998: S. 12 Holzinger et al. 2005: S. 106), und ordnen Akteuren Kompetenz zu (vgl. Bogumil/Schmid 2001: S. 61). Eines der Schlüsseldokumente in der Reihe der zu untersuchenden Textmaterialien ist die Verordnung (EU) Nr. 1094/2010, welche die Errichtung von EIOPA regelt. Im Rahmen der inhaltlichen Untersuchung dieser Gründungsverordnung soll festgestellt werden, ob der Gesetzgeber EIOPA einen ausreichenden rechtlichen Rahmen zur Ausübung ihrer Aufgaben und zur Erreichung ihrer Ziele eingeräumt hat. Diese Frage wird auch in den Hintergrundgesprächen thematisiert. Aber nicht nur Regeln als Grundlage für die Untersuchung einer Behörde machen ihre Macht aus, sondern auch die Kompetenz, Regeln zu setzen, sie durchzusetzen sowie Sanktionen zu verhängen und Konflikte zu schlichten (vgl. Eberlein/Grande 1996: S. 427 vgl. Galbraith 1987: S. 80). Die Gründungsverordnung von EIOPA wird dementsprechend nicht nur hinsichtlich des rechtlichen Rahmens zur Ausübung der Aufgaben, sondern auch hinsichtlich der Möglichkeit für EIOPA untersucht, Regeln zu setzen, sie durchzusetzen, Konflikte zu schlichten und Sanktionen zu verhängen. Diese Fähigkeiten begründen den Einfluss und die Kompetenz von EIOPA (vgl. Weber 1980: S. 822 Fuhse 2005: S. 74 f.) und sollen ebenfalls in Hintergrundgesprächen angesprochen werden. Zwei weitere Faktoren zur Messung des Einflusses der Bürokratie sind die Homogenität des Personals einer Behörde und der Grad der Politisierung der Führungsebene (vgl. Schnapp 2004: S. 93 f.). Die Homogenität des Personals sorgt für die Bereitschaft des Verwaltungspersonals, inhaltliche Fragen zu koordinieren, und ‘wird vor allem durch die Rekrutierungs- und Karrieresysteme innerhalb der Verwaltung festgelegt’ (Schnapp 2004: S. 94). Hierbei helfen standardisierte Karrierepfade, bei denen Seiteneinstiege die Ausnahme sind, feste Laufbahnvorschriften, eine langfristig geplante Karriereentwicklung, der Vorrang bestimmter Studiengänge und ein gemeinsamer beruflicher Erfahrungshintergrund. Die Geschlossenheit des Personalentwicklungssystems kann dazu beitragen, eine geschlossene Sicht der Behörde zu schaffen. Die Behörde kann dadurch von außen als eine Einheit wahrgenommen werden, was die Fähigkeit zur strategischen Interaktion erhöht und somit zu einem größeren Einfluss der Behörde beitragen kann (vgl. Schnapp 2004: S. 94, S. 142). Die Homogenität des Personals wird mittels einer von Auer, Demmke und Polet entwickelten Klassifikation gemessen, die von Schnapp in leicht überarbeiteter Weise bei seiner Analyse von Ministerialbürokratien verwandt wurde. Er untersucht hierbei, ob zwölf bestimmte qualitative Merkmale vorhanden sind, die das Rekrutierungs- sowie Karrieresystem und die arbeitsrechtliche Einbettung des öffentlichen Dienstsystems beschreiben (vgl. Schnapp 2004: S. 144 ff., vgl. Tab. 5 im Anhang). Die Homogenität des Personals wird auch in den Hintergrundgesprächen thematisiert und auf Basis der Angaben zum Personal in den Jahresberichten von EIOPA analysiert. Der Grad der Politisierung der Führungsebene wird von Schnapp als weiterer Faktor beschrieben, der die Einflussmöglichkeiten der Bürokratie bestimmt. ‘Je stärker die Besetzung dieser Führungsebene politischem Zugriff unterliegt, desto geringer ist das Potenzial für eine bürokratische Beeinflussung politischer Entscheidungen (…)’ (Schnapp 2004: S. 94). Wenn die Spitzenpositionen durch politische Gefolgsleute der politischen Führung wie der EU-Kommission oder einer der Regierungen der Mitgliedstaaten bzw. ihrer Aufsichtsbehörden besetzt werden können, ist eine größere politische Nähe, die sich in den Entscheidungen von EIOPA widerspiegeln könnte, umso wahrscheinlicher. Gleichzeitig sinken die Chancen von EIOPA zur Beeinflussung politischer Entscheidungsprozesse (vgl. Schnapp 2004: S. 94, S. 147). Sprich: je weniger Einfluss durch die Politik, desto größer ist das Einflusspotenzial von EIOPA. Die Politisierung der Führungsebene wird mithilfe der von Schnapp entwickelten und in seiner Analyse von Ministerialbürokratien verwendeten Indizes ‘Formale Politisierung’ und ‘Rekrutierung der Managementebene’ gemessen. Anhand von drei Merkmalen misst der Index ‘Formale Politisierung’, ob eine der Spitzenpositionen von EIOPA direkt mit einer der politischen Führung gegenüber loyalen Person zu besetzen ist (vgl. Tab. 6 im Anhang), was den Einfluss der politischen Führung auf die Besetzung der höchsten Positionen beschreibt. Der Index ‘Rekrutierung der Managementebene’ zeigt, auf welche Gruppen man bei der Besetzung von Führungspositionen zurückgreifen kann, und misst die Offenheit oder Geschlossenheit des Rekrutierungssystems für die Leitungsebene von EIOPA. Anhand von acht Merkmalen werden das Vorhandensein und die Offenheit des Rekrutierungssystems sowie Arbeitsrechtsregeln gemessen (vgl. Tab. 7 im Anhang, vgl. Schnapp 2004: S. 147 ff.). Als weiterer Indikator wird die Unabhängigkeit von EIOPA gemessen. Die Unabhängigkeit von politischen Einflüssen ist ein Kriterium zur Messung der Effektivität (vgl. Dicke 1994: S. 307 f. Majone 2002: S. 321). Zur Bestimmung der Unabhängigkeit von EIOPA von politischen Einflüssen wird eine inhaltliche Analyse der Gründungsverordnung von EIOPA vorgenommen und die Frage in den Hintergrundgesprächen gestellt. Unabhängigkeit ergibt sich auch aus dem in der Behörde vorhandenen Fachwissen bzw. entsprechenden Sachkenntnissen (vgl. Weber 1980: S. 128 f., S. 574 ff. Crozier/Friedberg 1979: S. 51), was ebenso wie die Fähigkeit, Regeln zu setzen, zur Kompetenz der Behörde beiträgt. ‘Insbesondere die »Überlegenheit des berufsmäßig Wissenden« (…), d.h. das im Amt erworbene Fach- und Dienstwissen, versetzt die Beamtenschaft in die Lage, sich der politischen Steuerung zu entziehen und eigene Interessen zu verfolgen (…)’ (Breuer 1991: S. 213 vgl. Bogumil/Schmid 2001: S. 58 Bendix 1968: S. 360 ff.). Hinweise auf die Unabhängigkeit von EIOPA können sich auch aus den Ergebnissen der Messung des Indexes ‘Formale Politisierung’ ergeben. Wenn die politische Führung – wie die EU-Kommission oder eine Regierung der Mitgliedstaaten bzw. ihrer Finanzaufsichtsbehörden – Einfluss auf die Besetzung von Spitzenpositionen hat, dann ist die Möglichkeit einer Kontrolle und Steuerung von Entscheidungen der Behörde durch politisch loyale Personen nicht von der Hand zu weisen. Effektivität als eine unabhängige Variable wird auch durch den Grad der Zielerreichung einer Organisation gemessen, das heißt das Verhältnis zwischen der Ist- und der Soll-Leistung (vgl. Dicke 1994: S. 40, S. 306 Hohmeier 2011: S. 154). Der Grad der Zielerreichung von EIOPA wird durch die Analyse von deren Arbeitsprogrammen von 2011 und 2012 und den Vergleich dieser mit den Angaben in den Jahresberichten von EIOPA untersucht. Mögliche Lücken sollen mittels Informationen aus Hintergrundgesprächen gefüllt werden. Die Effektivität einer Organisation ergibt sich auch aus der Einigkeit ihrer Mitglieder (vgl. Dicke 1994: S. 131, S. 136, S. 141). Die ‘Mitglieder’ von EIOPA sind die nationalen Finanzaufsichtsbehörden. Ihre Einigkeit wird anhand des Abstimmungsverhaltens des Rates der Aufseher von EIOPA bewertet. Da in den Sitzungsprotokollen des Rates der Aufseher lediglich das Endergebnis der Abstimmungen dokumentiert ist (vgl. EIOPA o. J. c), habe ich im September bei EIOPA Zugang zu den detaillierten Abstimmungsergebnissen beantragt. Darüber hinaus wird die Frage nach der Einigkeit bei Abstimmungen auch in den Hintergrundgesprächen gestellt. Der Indikator ökonomische Ressourcen – gemessen in Geld oder Arbeitskraft (vgl. Kieser/Kubicek 1992: S. 1) – gibt ebenfalls Auskunft über die Effektivität (vgl. Dicke 1994: S. 288 f., S. 308 f.), aber auch den Einfluss einer Organisation (vgl. Galbraith 1987: S. 92). Diese Faktoren werden anhand der Analyse des Budgets sowie der Personalausstattung von EIOPA beurteilt. Darüber hinaus wird die Frage nach der hinlänglichen Ausstattung mit ökonomischen Ressourcen in den Hintergrundgesprächen angesprochen. Fach- und Sachkenntnisse wurden bereits als Element erwähnt, aus dem sich die Unabhängigkeit einer Behörde ergibt und welches somit zu ihrer Effektivität beiträgt. Gleichzeitig werden sie als strategisches Element den Einflusswegen einer Behörde zugeordnet (vgl. Schnapp 2004: S. 81) und gelten darüber hinaus als Indikator für die Kompetenz einer Behörde, da sie eine Voraussetzung für das ordnungsgemäße Funktionieren einer Regulierungsbehörde sind (vgl. Majone 2002: S. 321). Der Stand der Fach- und Sachkenntnisse des Personals von EIOPA ist schwierig zu beurteilen, da die Kriterien für gute Fach- und Sachkenntnisse stark von der Rolle der zu beurteilenden Person sowie dem fachlichen Hintergrund, der Ausbildung und der fachlichen Rolle des Befragten abhängen dürften. Dennoch, oder gerade deshalb, wird die Qualität des Personals von EIOPA in den Hintergrundgesprächen thematisiert. Bei den Befragten handelt es sich um Experten mit meist langjähriger Erfahrung in der Regulierung und Aufsicht von Versicherungsunternehmen.
Sybille Reitz, B. A. Politikwissenschaften, Verwaltungswissenschaften, Soziologie, wurde 1967 in Peine geboren. Zwischen 2010 und 2012 war sie als Communications Officer bei der europäischen Aufsichtsbehörde EIOPA mit Sitz in Frankfurt am Main angestellt. Als Pressesprecherin war sie für die mediale Einführung von EIOPA im Januar 2011 sowie die strategische Beratung des Chairman und Executive Directors in allen Fragen der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich. Durch ihre Tätigkeit hat sie einen praktischen Einblick in die Arbeit des Europäischen Systems für Finanzmarktaufsicht erlangen können. Davor war sie über 10 Jahre bei Dow Jones Indexes in New York tätig und hatte dort als Senior Director die globale Pressestelle des Indexanbieters geleitet.
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