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Hans-Günter Wagner

Bioökonomie: Die nachhaltige Nischenstrategie des Menschen

ISBN: 978-3-96146-744-0

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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 01.2020
AuflagenNr.: 1
Seiten: 392
Abb.: 7
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Bei dem Begriff Bioökonomie hat sich in den letzten Jahren die ursprüngliche Intension einer Wirtschaftsweise, die auf vielfältige symbiotische Beziehungen zwischen Mensch und Mitwelt gründet, ins Gegenteil verkehrt. Eine Allianz aus Wirtschaft, Staat und zuarbeitenden Forschern ist angetreten, um unter diesem Label die grenzenlose kommerzielle Nutzung allen Lebens zu forcieren. Das klassische bioökonomische Denken zielt dagegen auf eine Wirtschaftsweise, die sich an den erprobten Funktionen biologischer Systeme als den idealen Mustern auch für das ökonomische Handeln orientiert. Gegen die Reduzierung aller Qualitäten auf Geld, Preise, Gewinne und Kosten wird in diesem Buch das wirtschaftliche Denken wieder zu seinem Ausgangspunkt zurückgeführt: der Umformung von Naturgütern und der sozialen Interaktion von Menschen in der gesellschaftlichen Produktion. Die Natur ist die Schöpferin und Bewahrerin der gesellschaftlichen Reproduktion, deren lebensspendende Funktionen durch ökonomisches Handeln nicht zerstört werden dürfen. Naturnahes Wirtschaften wird als nischenstrategisches Leitmotiv vorgestellt und dabei vielfältige historische Entwicklungen herausgearbeitet sowie Zukunftsszenarien vorgestellt.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel II. Rückbindung an die Lebensprozesse: Das neue Paradigma der Bioökonomie: Veränderung beginnt im Denken und Fühlen. Scheinbar Bekanntes wird neu wahrgenommen und in neue Begriffe gefasst. Im gesellschaftlichen Zusammenleben, in gemeinsamer Arbeit, in Kommunikation und Interaktion formiert sich schließlich aus den Ideen in den Köpfen die gesellschaftliche Realität als sozial konstruierte Wirklichkeit. Im Prozess der Konstruktion sozialer Wirklichkeit kommt den wissenschaftlichen Erklärungsmodellen von Natur und Gesellschaft ein besonderer Stellenwert zu. Wissenschaftliche Theorien und Aussagensysteme steuern maßgeblich den Modus des nischenstrategischen Handelns und genießen dabei zumeist den Status wertfreier Objektivität. Leider wird oft vergessen, dass auch wissenschaftliche Erkenntnisinteressen von subjektiven Nutzenabwägungen ausgehen und in ihren Begriffsschöpfungen – zumindest in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften – zu großen Teilen auf phänomenale Wahrnehmungen der Alltagswirklichkeit zurückgehen. In Phänomene wissenschaftlicher Wahrnehmung gehen daher Elemente subjektiver Erfahrung und sozialer Wertung mit ein. Viele Vertreter der reinen Wissenschaft lassen aber diese Tatsache gern unter den Tisch fallen und gebrauchen ihre vermeintlich wertfreien Theorien oft in krypto-normativer Absicht, wobei die Begleitumstände des Erkenntnisprozesses dann mit dem Dunsthauch der Objektivität vernebelt werden. Wissenschaftliche Erkenntnisprogramme, die den Anspruch auf Übereinstimmung mit den Tatsachen formulieren, sollten eigentlich nicht umhinkommen, diese Begleitumstände wissenschaftlicher Wahrnehmung hinsichtlich der Gültigkeit und der Verallgemeinerbarkeit ihrer Aussagensysteme zu reflektieren. Herman E. Daly spricht von der voranalytischen Vision, die jeder wissenschaftlichen Analyse zugrunde liegt und die bereits wesentliche Elemente der Problemlösung in sich birgt. Sogar J.M. Keynes glaubte, dass die Analogiebildung als ein wichtiges Steuerungsinstrument in wissenschaftlichen Erkenntnisprozessen fungiert und hielt sie für ein legitimes Verfahren in wissenschaftlicher und alltagsweltlicher Theoriebildung, wobei er die Stärke der auf diese Weise gewonnenen induktiven Schlussfolgerungen in Beziehung zum jeweils zugrundeliegenden Generalisierungsbereich setzte. In seinem frühen Werk A Treatise on Probability behauptet Keynes sogar, dass jede induktive Beweisführung ohne vorherige Analogiebildung vollkommen nutzlos sei. Wir wollen daher auch hier die voranalytische Vision transparent machen, die dem nachhaltigen und vorsorgenden Wirtschaftskonzept zugrunde liegt, und von der entsprechende Abstraktionen ihren Ausgangspunkt nehmen. Die Grundfesten eines solches Vorstellungsgebilde können wir auch als Paradigma bezeichnen, das als Muster und Problemlösungsmodell kategorienbildend und handlungsstrukturierend wirkt. Thomas Kuhn hat den Begriff des Paradigma in dieser Form eingeführt, um das Gebäude metaphysischer Annahmen und Überzeugungen zu beschreiben, die von den Mitgliedern einer wissenschaftlichen Gemeinschaft geteilt werden und den jeweiligen Problemlösungsstrategien durchgängig zugrunde liegen. Anfangs hat Kuhn den Begriff des Paradigma in metaphysischer Breite gebraucht, ihn jedoch später auf die Elemente disziplinäres System und Musterbeispiele hin präziser definiert. Wissenschaftlicher Fortschritt, so Kuhn, verläuft nicht - wie fälschlicherweise oft angenommen - über eine beständige und kumulative Vermehrung empirischen Wissens, sondern muss vielmehr als Prozess verstanden werden, in dem vorher geltende Erklärungsmuster verworfen und durch andere ersetzt werden. Die Tätigkeit der normalen Wissenschaft besteht darin, Rätsel im Rahmen des herrschenden Paradigma zu lösen. Im Zuge der Forschungsprozesse stößt dieses Rätsellösen jedoch auf Anomalien. Häufen sich diese Anomalien und können sie im Rahmen des herrschenden Paradigma nicht gelöst werden, so bleibt das entsprechende Problem entweder ungelöst oder es kommt zur Entwicklung eines neues Paradigma und zum Streit um seine Anerkennung: Wenn der Übergang abgeschlossen ist, hat die Fachwissenschaft ihre Anschauungen über das Gebiet, ihre Methoden und ihre Ziele geändert.” Der Wechsel von Paradigmen bildet also das Wesen wissenschaftlicher Revolutionen. Kuhn hat die Übertragbarkeit des Paradigma-Modells auf die Sozial- und Wirtschaftswissenschaften offengelassen. Faktisch sind aber die zentralen Begriffe des Paradigma längst zu Kernkonzepten nicht nur in den Geisteswissenschaften, sondern ebenso im alltagsweltlichen Denken geworden. Ein zentraler Unterschied liegt jedoch darin, dass Paradigmenwechsel in den Naturwissenschaften stattfinden, ohne dass sich die zugrundeliegenden Erkenntnisobjekte selbst ändern, während Paradigmenwechsel in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften weniger auf Anomalien zurückzuführen sind, die im Zuge des Rätsellösens auftreten, sondern vielmehr durch politische und soziale Bewegungen ausgelöst werden, die vorherrschende wissenschaftliche Erklärungsmuster in Frage stellen. So führen heute die kontraproduktiven Folgen industriellen Wirtschaftens, wie beispielsweise die bedrohliche Zerstörung unserer Mitwelt, die Erschöpfung der Naturgrundlagen unseres Lebens und die steigende gesellschaftliche Unzufriedenheit mit diesen Entwicklungen dazu, dass die herrschenden ökonomischen Paradigmen ins Wanken geraten. Die Ökonomie als von allen gesellschaftlichen Normen losgelöste monetäre Handlungswissenschaft wird immer öfter als bloße Profitlehre gesehen, die dem Interesse am Erhalt unserer Mitwelt aggressiv entgegensteht. In der Regel fragt die traditionelle Ökonomie weder nach den physikalischen Merkmalen der Dinge, mit denen sie sich befasst, noch zeigt sie größeres Interesse an den sozialen und psychischen Prozessen bei den beteiligten Subjekten. Zutiefst ahistorisch, reduziert sie alle menschlichen Interaktionen auf am Markt erscheinende Preis- und Mengenbewegungen. Soziale Phänomene werden dabei oft durch eine naturwissenschaftlich verbrämte Metaphorik ersetzt. Konsequenz der Orientierung am naturwissenschaftlichen Exaktheitsideal, die hier eine sehr enge Porträtierung des Handlungsrahmens der am Wirtschaftsprozess beteiligten Menschen zur Konsequenz hat. Indem alle diesbezüglichen Beschränkungen an sozialwissenschaftliche Nachbardisziplinen delegiert werden, etabliert sich eine reine Ökonomie jenseits des alltäglichen Erfahrungswissens. Anstelle der damit anvisierten strikten Trennung von beschreibenden und normativen Aussagen, kommt es dabei faktisch zur Bildung einer Grauzone, in der Aussagen beide Eigenschaften zugleich aufweisen. Die zahlreichen Wachstumsmodelle im Rahmen des traditionellen Paradigma zeigen diese Defizite sehr ausgeprägt. Sie fußen auf Voraussetzungen und Annahmen, die in einer zunehmenden Zahl von Fällen einer empirischen Überprüfung nicht standhalten. Der tiefen Kluft zwischen Modell und Realität versuchen moderne Wachstumstheorien schon dadurch Rechnung zu tragen, dass sie im Unterschied zu klassischen Analysen gar nicht mehr den wirklichen Wachstumsprozess analysieren, sondern sich darauf beschränken nach den Voraussetzungen zu fragen, die gegeben sein müssen, damit wirtschaftliches Wachstum ungestört fortschreiten kann. Faktisch konzedieren sie damit jedoch, dass die tatsächliche Entwicklung ganz anders verläuft.

Über den Autor

Dr. rer. pol. Hans-Günter Wagner (geb. 1957) studierte Wirtschaftswissenschaften, Wirtschaftspädagogik, Anglistik und chinesische Sprache. Nach jahrzehntelanger Tätigkeit in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit lehrt er heute Chinesisch am Hessenkolleg in Kassel und Cross-Cultural Communication an der Staatlichen Studienakademie Plauen. Daneben ist er auch als Autor und Übersetzer tätig.

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