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- Agrarelite, Diktatur und Neoliberalismus: 100 Jahre Wirtschaftspolitik bis zur Argentinien-Krise 2001/2002
International
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 09.2010
AuflagenNr.: 1
Seiten: 124
Abb.: 26
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Die Thematik des vorliegenden Buches gewinnt an ungeahnter Aktualität angesichts des schlimmsten Banken- und Wirtschaftszusammenbruches seit der Weltwirtschaftskrise in den 30er Jahren. Der Staatsbankrott in Argentinien 2001/2002 galt als eine der verheerendsten Finanz- und Wirtschaftskrisen. Doch was sind die Ursachen für den Zusammenbruch finanzieller und wirtschaftlicher Systeme mit solchem Ausmaß? Oftmals werden die Gründe unmittelbar in den letzten Jahren vor deren Ausbruch gesucht. Doch in Wahrheit reichen die Ursachen weit zurück in die Vergangenheit. In diesem Buch werden 100 Jahre argentinische Wirtschaftspolitik, über das gesamte 20. Jahrhundert hinweg durchleuchtet. Nur so kann erklärt werden, warum eines der reichsten Länder der Welt inzwischen zu den Entwicklungsländern zählt. Das Buch verdeutlicht anschaulich, dass die Wirtschaftspolitik auch Ausdruck der Kultur eines Landes sein kann. Während dieser 100 Jahre glich die wirtschaftspolitische Situation einer Berg- und Talfahrt. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erlebte das Land seinen ersten von unzähligen Militärputschen und Diktatoren, darunter auch Perón der heute noch von weiten Teilen der Bevölkerung als Sozialreformer und Verfechter der descamisados (Hemdenlosen) verehrt wird. Einige Passagen zur Wirtschaftspolitik des Landes lesen sich wie ein spannender Krimi. Die dritte Frau Peróns, Nachfolgerin der weltberühmten Evita, schaffte es von der Nachtclubtänzerin zur Präsidentin Argentiniens und somit zur ersten Präsidentin Lateinamerikas. Ihre Herrschaft wurde 1976 durch das Militär beendet, welches eine der brutalsten Diktaturen Lateinamerikas errichtete und das Land sieben Jahre im Würgegriff hielt. Erst die Niederlage gegen Großbritannien im Kampf um die Falklandinseln läutete das Ende der Diktatur und des politischen Mordens ein. Dies markiert zugleich den Beginn einer Demokratie unter Alfonsín, dessen Amtszeit jedoch mit einer Hyperinflation, mit Hungeraufständen und dem Ausnahmezustand endete. Sein Nachfolger Menem wurde durch unzählige Korruptionsskandale und aufgrund der Anklage wegen internationalen Waffenschmuggels weltberühmt. Seine radikale neoliberale Wirtschaftspolitik versetzte dem Land schließlich den Todesstoß. Die Argentinien-Krise erreichte im Jahre 2001/2002 ihren Höhepunkt unter dem Präsidenten de la Rúa. Ihm bleibt angesichts der wütenden Bevölkerung vor dem Casa rosada nur die Flucht mit einem Hubschrauber vom Dach des Regierungssitzes. Das Land versank im Chaos - fünf verschiedene Präsidenten in zehn Tagen. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF), damals unter dem Vorsitz von Horst Köhler, muss sich heute noch den Vorwurf der Mitschuld an der Misere des Landes gefallen lassen. In diesem Buch werden die Ursachen und Hintergründe der Argentinien-Krise wissenschaftlich aufgearbeitet und volkswirtschaftliche Indikatoren sowie die Wirtschaftspolitik der einzelnen Epochen des 20. Jahrhunderts eingehend beleuchtet. Denn nur wenn man die Entwicklung des Landes über solch einen langen Zeitraum betrachtet, kann der dramatische Abstieg des Landes vollends verstanden werden.
Textprobe: Kapitel 5, Epoche der neoliberalen Wirtschaftspolitik (1989–2002): 5.1, Regierung Menem (1989–1999): Carlos Saúl Menem übernahm im Juli 1989, nach dem vorzeitigen Rücktritt Alfonsíns, das Amt des Präsidenten. Unterstützung erfuhr die peronistische Regierung durch die Agrarelite, die Finanzakteure und die inländischen Unternehmen. Als seinen Wirtschaftsminister ernannte er Miguel Mor Roi. Dieser verstarb nach einer Woche Amtszeit, worauf Nestor Rapanelli den Posten übernahm. Beide hatten vorher hohe Positionen in der Manager- und Vorstandsebene in dem für Agrarprodukte führenden Unternehmen ‘Bunge & Born’ inne. 5.1.1, Stabilisierungsversuche vor dem Konvertibilitätsplan: 5.1.1.1, ‘Plan Bunge & Born’: Der ‘Plan Bunge & Born’ war, wie alle nachfolgenden Stabilisierungspläne, darauf ausgerichtet, den Staatshaushalt zu renovieren und die Hyperinflation zu bekämpfen. Seine Maßnahmen unterschieden sich nicht wesentlich von denen des Plans Austral. Mehreinnahmen für die Staatskasse sollten über Tariferhöhungen generiert und die staatlichen Ausgaben durch ein entsprechendes Sparprogramm gekürzt werden. Die Abwertung der Währung und das Einfrieren der Preise bildeten weitere Schritte zur Bekämpfung der Inflation. Tatsächlich konnte die Inflation anfänglich stark reduziert werden, stieg jedoch schon nach kurzer Zeit wegen starker Aufwertung des Dollars wieder an. Nach Scheitern seines Plans und aufgrund immer größer werdender innerpolitischer Differenzen trat Rapanelli vier Monate später zurück. 5.1.1.2, Plan Erman I–VII: Als dritter Wirtschaftsminister unter Menem agierte Antonio Erman González, der während seiner 13-monatigen Amtszeit insgesamt 7 Reformierungspläne vorlegte und umsetzte. Grundlegend sahen diese eine Abkehr von den jahrzehntelang praktizierten Staatsinterventionen in die Wirtschafts- und Währungspolitik vor. Das prinzipielle Ziel bestand in der Verbesserung des Staatshaushaltes durch eine restriktive Fiskalpolitik und eine niedrige Inflationsrate. Die Folge waren stets eine hohe Inflation (teilweise Hyperinflation) und anhaltende Rezession. Letztendlich scheiterten auch diese Pläne aufgrund des fehlenden Vertrauens der Bevölkerung in die Wirtschaftspolitik. 5.1.2, Plan Cavallo: 1991 trat als vierter Wirtschaftsminister unter Menem innerhalb von 2 Jahren Domingo Cavallo sein Amt an. Bereits 1982 war er für kurze Zeit als Zentralbankpräsident unter dem Militärregime tätig. Er legte einen Konvertibilitätsplan vor, auch bekannt unter dem Namen ‘Plan Cavallo’, der wenige Tage später verabschiedet wurde. Die neoliberalen Maßnahmen des Stabilitätsplans basierten auf den Geboten des Washingtoner Consensus, obwohl diese der Ideologie des Peronismus grundlegend widersprach. Dennoch stieß der politische Umbruch auf eine breite Akzeptanz in der Politik und Bevölkerung. Um die Gebote des Washingtoner Consensus in Argentinien umsetzen zu können, waren 1990 die notwendigen Gesetze erlassen worden. Mit diesem Gesetzeswerk waren die Voraussetzungen für die Umsetzung der Maßnahmen des Konvertibilitätsplanes gegeben. Wirtschaftliches Notstandsgesetz: Es räumte der Exekutive umfassende Handlungsmöglichkeiten ein, bestimmte Entscheidungen allein treffen zu können. Unter anderem wurde die Genehmigungspflicht für z. B. ausländische Investitionen, den Verkauf staatlicher Immobilien, die Begrenzung von Subventionen und die Abstimmungspflicht von Dekreten mit dem Parlament aufgehoben. Dieses Gesetz bildete die Grundlage für den folgenden ‘Dekretismus’ von Menem. Staatsreformgesetz: Um die Unternehmen privatisieren zu können, wurden die dafür notwendigen Kompetenzen des Staates im Staatsreformgesetz verankert. Steuerreformgesetz: Das Gesetz regelte die Erhöhung der Einkommens- und Mehrwertsteuer. Zusätzlich verschärfte es die Kontrolle bei der Steuerzahlung sowie die Strafen bei Steuerhinterziehung. Am 1. April 1991 trat der Konvertibilitätsplan in Kraft, wobei das fixe Wechselkurssystem in Form eines Currency Board Systems (CBS) den zentralen Punkt des Stabilisierungsplans bildete. Die wichtigsten Punkte des Konvertibilitätsplans bildeten unter anderem: Konvertibilitätsgesetz: Es trat am 1. April 1991 in Kraft und bildete die Rechtsgrundlage für das argentinische CBS als neues Währungssystem mit fixem Wechselkurs. Festgeschrieben wurde die volle Binnen- und Außenkonvertibilität vom Austral zum US-Dollar und später vom Peso zum US-Dollar durch die argentinische Zentralbank Banco Central de la República Argentina (BCRA). Das Gesetz untersagte die vertragliche Preisindexierung, da man in ihr einen Inflationsverstärker sah. Liberalisierung des Außenhandels: Die protektionistischen Maßnahmen wurden fast vollständig abgeschafft. Schritte hierzu bildeten die Aufhebung der Exportsteuern, der Lizenzen, der Import- und Exportquoten (außer in der Automobilindustrie) sowie die Reduzierung der Zollsätze von 50 auf durchschnittlich 20 Prozent. Das Motto Compra Nacional verlor seine Gültigkeit, dadurch durften die heimischen Unternehmen sowie der Staat ihre Leistungen wieder von ausländischen Unternehmen beziehen. Liberalisierung der Binnenwirtschaft: Durch Deregulierung des Binnenmarktes sollten alte Monopolstrukturen aufgebrochen werden, die z. B. im Großhandel und im Dienstleistungssektor existierten, um so für mehr Wettbewerb zu sorgen. Institutionelle Regelungsorgane, durch die der Staat in das Marktgeschehen eingegriffen hatte, wurden aufgelöst. Zur Liberalisierung des Arbeitsmarktes trugen die Genehmigung befristeter Arbeitsverträge und die Dezentralisierung der Tarifverhandlungen bei. Umstrukturierung der Schulden: Um weiterhin die Möglichkeit der externen Verschuldung wahrzunehmen, war eine ‘Umstrukturierung der öffentlichen Schuld unumgänglich’. Es kam zur Umschuldung kurz- und mittelfristiger Kredite in langfristige Kredite und zur Senkung der Zinsrate. Reform des Rentenversicherungssystems: Das bestehende Umlageverfahren bei der Rentenversicherung wurde 1993 durch das sog. Kapitaldeckungsverfahren ersetzt. Vordergründiges Ziel der o. g. Maßnahmen und Reformen war die Entlastung der Haushaltskasse. Vor allem durch die Privatisierung der staatlichen Unternehmen, die meist unrentabel und nicht wettbewerbsfähig waren, erhoffte man sich, neben den Einsparungen der Subventionen, eine dauerhafte Einnahmequelle aus den Unternehmensgewinnen und positive Impulse für die ökonomische Entwicklung.
Judith Haferland wird 1979 in Berlin geboren. Nach Abschluss ihrer kaufmännischen Ausbildung lebt die Autorin anderthalb Jahre im Ausland (USA/Australien). Im Jahr 2004 nimmt sie ein betriebswirtschaftliches Studium an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin auf. Ein Studiumsaufenthalt in Mexiko 2006 verstärkt ihr Interesse an entwicklungs- und wirtschaftspolitischen Zusammenhängen. Noch während des Studiums folgt ein Projektaufenthalt bei einer argentinischen Entwicklungsorganisation in der Provinz Buenos Aires. Auch sieben Jahre nach der Krise sind die Auswirkungen auf die Bevölkerung noch deutlich zu spüren. Während dieser Zeit entsteht die Vorlage zu diesem Buch, in dem sich die Autorin eingehend mit der Entwicklung des Landes und den Ursachen des Staatsbankrotts beschäftigt. Seit dem erfolgreichen Abschluss zur Diplom-Kauffrau im Jahre 2009 ist die Autorin in Berlin berufstätig.
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