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Gesundheitswissenschaften

Karsten Klemz

Risikofaktor Nachtarbeit: Soziale Ausgrenzung, „Burnout“ und Übergewicht

ISBN: 978-3-86341-378-1

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Produktart: Buch
Verlag:
Bachelor + Master Publishing
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 11.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 60
Abb.: 12
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Seit Beginn der Industrialisierung im 20. Jahrhundert hat sich die Schicht- und Nachtarbeit durch die technologischen, sozialen und wirtschaftlichen Zwänge im Berufsalltag etabliert. Im gegenwärtigen Zeitalter führen vor allem die 24 Stunden-Dienstleistungen zu einer Zunahme der Schicht- und Nachtarbeit (Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e. V., DGAUM, 2008). Obwohl die Arbeitsformen sich schnell verändern, hinken die Arbeitszeitstrukturen hinterher. Besonders die Doppelbelastung von bezahlter Tätigkeit und Haushalt wird nur geringfügig durch angepasste Arbeitszeiten subventioniert (Wüthrich, 2003). Jeder fünfte Arbeiter oder Angestellte ist im Nachtdienst bzw. in Wechselschicht tätig und die Tendenz ist steigend. In den Jahren 1995-2000 war eine jährliche Zunahme von etwa 5% zu verzeichnen. Für viele der im Schichtdienst Tätigen ist diese Tatsache zur Normalität geworden. Gleichwohl würde ein Viertel diese Dienstform gerne aufgeben und weitere 23% der Befragten würden gerne weniger in dieser Form arbeiten (Verdi, 2009, Gesund arbeiten-gut leben mit Schichtarbeit). Laut Statistischem Bundesamt (2005) arbeiteten im ersten Quartal 2004 49% der erwerbstätigen Bevölkerung in Deutschland ständig, regelmäßig oder gelegentlich am Wochenende bzw. in Nacht- oder Wechselschicht. Die unterschiedlichen Berufsgruppen aus Industrie und Wirtschaft sind sehr heterogen von Nacht- und Schichtarbeit betroffen. Dabei sind die Gesundheitsberufe (40%), zusammen mit den Fertigungsberufen (43%), am stärksten vertreten. Aktuelle Zahlen belegen, dass 17 Millionen Erwerbstätige in Wechselschicht arbeiten und davon allein 1,9 Millionen Männer und 600.000 Frauen in Nachtarbeit (IPA-Journal, 3/2009). Da die innere biologische Uhr einen Schlafrhythmus vorgibt, wird in der Zeit von 23.00-7.00 Uhr gegen diesen inneren Mechanismus gearbeitet. Subjektiv mag es unterschiedlich empfunden werden, dennoch kann Nachtarbeit nicht zur Gewohnheit werden, oder gar der Schlaf auf Vorrat erfolgen. Frauen scheinen etwaige Belastungen individuell für sich nicht so erschöpfend zu empfinden wie Männer. Während von ihnen nur ein Viertel die Dienstform Schichtarbeit als kompromittierend angibt, sind es bei den Männern über 50%. In der Umkehrung sehen nur 30% der Männer und über die Hälfte der Frauen die Schichtarbeit nicht als Ballast an (Kröpelin 2009).

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 4, Physiologische Grundlagen: 4.1, Arbeiten gegen die innere Uhr: Aus der evolutionären Entwicklung entstanden bei den verschiedenen Tierarten unterschiedliche Schlafrhythmen, die der jeweiligen Art einen Überlebensvorteil verschaffen sollten. Diesen von der inneren Uhr gesteuerten Schlafrhythmus nennt man zirkadianen Rhythmus der Lebewesen. Der Mensch, wie auch alle anderen Säugetiere besitzen in den Bereichen des Stamm- und Zwischenhirns neuronale Schaltkreise, welche den Schlaf regeln. Erst in den 80er-Jahren fand Michael Menaker von der Universität Virginia bei Hamsterversuchen heraus, dass es zwischen der Netzhaut des Auges und zwei winzigen Zellhaufen hinter der Nasenwurzel verbindende Nervenbahnen gibt. Durch radioaktiv versetzte Substanzen konnte er den sogenannten suprachiasmatischen Nukleus ausfindig machen. Stärkster Taktgeber der sogenannten zirkadianen Uhr ist der durch die Erdrotation gesteuerte Hell-Dunkelwechsel. Durch Einbruch der Dunkelheit und die damit verbundene Reduktion des UV-Lichts wird in der im Gehirn befindlichen Zirbeldrüse (Epiphyse) die Produktion des Hormons Melatonin angeregt. Dieses hat die Reduktion aller Stoffwechselaktivitäten zur Folge. Das Immunsystem hingegen steigert seine Aktivität, da nur so die in der Nacht erforderlichen ‘Reparaturprozesse’ des Körpers vonstattengehen können. Aber auch soziale Taktgeber wie Arbeitsbeginn und -ende, sowie schreiende Kinder beeinflussen die zirkadiane Uhr. Ohne größere Probleme kann die innere Uhr des Menschen aber nur in kleinen Schritten von etwa einer Stunde verstellt werden (Klug et.al 2008). 4.2, Risikofaktor Schlafstörung: Nach einer Literaturrecherche von Knauth 1983 klagen Schichtarbeiter aus den verschiedensten Industriezweigen im internationalen Vergleich besonders häufig über Schlafstörungen wenn ihre Tätigkeit mit Nachtdiensten verbunden ist. Während 10-40% der Tagarbeiter und 5-30% der Schichtarbeiter ohne Nachtdienst über Schlafprobleme klagen, sind es bei den im Nachtdienst Tätigen 35-55% und den in Wechselschicht arbeitenden mit Nachtdienst 10-95%. Die Störung des zirkadianen Rhythmus, der primär durch die Nachtarbeit verursacht wird, bedingt eine erhebliche Beeinträchtigung der Schlafqualität und -quantität. Eine kürzere Schlafperiode ist besonders an den Tagschlaf gekoppelt. In einer Zeitbudgetstudie mit 1230 Schichtarbeitern (Knauth, 1983) wurde die kürzeste Schlafphase am Tag zwischen zwei Nachdiensten mit 6 Stunden verifiziert, gefolgt von eine ungefähr siebenstündigen Phase zwischen zwei Frühschichten. Die längsten Hauptschlafperioden wurden mit 8-9 Stunden zwischen zwei Spätdiensten, bzw. zwei freien Tagen angegeben. Als weitere Determinanten für Schlafstörungen erweisen sich die sozialen Umweltfaktoren wie Lärm und familiäre Einflüsse (Best-europäische Zeitstudien 2010). 4.3, Risikofaktor Psyche / ‘Burn out’: 1974 wurde der Begriff ‘Burnout-Syndrom’ vom Psychoanalytiker Herbert Freudenberger erstmals für die Gruppe der ‘helfenden Berufe’ in einer 6-seitigen Publikation mit dem Namen ‘Stuff Burnout’ deklariert. Es handelt sich dabei um eine auf eigene Erfahrungen und Beobachtungen beruhende Erläuterung dieses Phänomens. Die ersten Beiträge zu diesem Thema erschienen in Zeitschriften, Magazinen und Zeitungen, wobei die Autoren gewöhnlich selbst aus den ‘helfenden’ Berufsgruppen stammten. Die ersten Publikationen hatten deskriptive Schilderungen zum Inhalt und wurden anhand von kurzen Vignetten und Fallbeispielen bildlich untermauert. Die Untersuchungen basierten nicht auf empirischen Daten, sondern auf Interviews, Beobachtungen und Fallbeschreibungen. Durch die nichtempirische Handhabung des Phänomens und die verwaschene, allgemeine Bedeutung kam es seitens der Wissenschaftskritiker zu Verachtung und Ablehnung. Verschärft wurde der Gegensatz zwischen öffentlichem und wissenschaftlichem Interesse sicher auch durch die primär sozialproblematische Sichtweise des Burnout-Syndroms. Trotzdem zeigte sich anhand der großen Anzahl an nachfolgenden Veröffentlichungen zu diesem Thema die große Resonanz auf Freudenbergers Arbeiten. Etwa zur gleichen Zeit wie Freudenberger befasste sich die Sozialpsychologin Christina Maslach an der Universität von Kalifornien mit Fragestellungen, die den Umgang mit belastenden Situationen in emotional fordernden Berufen zum Thema hatten. Dabei waren die zum Selbstschutz praktizierten geistigen Bewältigungsstrategien, wie distanzierte Anteilnahme und Dehumanisierung, Arbeitsschwerpunkt. Zahlreiche Untersuchungen in Interviewtechnik an Personal aus dem Gesundheits- und Sozialbereich wurden durchgeführt und drei zentrale Themen als bedeutend festgelegt: - Emotionale Erschöpfung und Ausgelaugtheit. - Negative Gefühle und Wahrnehmungen gegenüber Patienten. - Zweifel an der eigenen professionellen Kompetenz. Mit der von ihr und Jackson entwickelten Maslach Burnout Inventory (MBI) entstand neben der Tedium Measure (der Überdrussskala von Pines, Aronson und Kafry) eine der beiden bedeutendsten Burnout-Messinstrumente. Sie bildeten die Grundlage für die methodische Erforschung des Phänomens und läuteten damit Mitte der 80-er Jahre die empirische Phase ein. Obwohl bis heute keine einheitliche und klare Definition existiert, haben verschiedenste auf dem Gebiet des Burnout-Syndroms tätigen Wissenschaftler und Autoren Begriffsbestimmungen für das psychosomatische Phänomen formuliert. Emener (1972) definiert den Begriff als: ‘…Zustand psychischer oder seelischer Erschöpfung, der als Auswirkung langanhaltender negativer Gefühle entsteht, die sich in Arbeit und Selbstbild des Menschen entwickeln.’ Aronson et al. (1985) erweitern diese Erklärung mit der Feststellung: ‘das Ausbrennen ist das Resultat andauernder und wiederholter emotionaler Belastung im Zusammenhang mit langfristigem, intensivem Einsatz für andere Menschen. …Das Ausbrennen ist die schmerzliche Erkenntnis (von Helfern), dass sie diesen Menschen nicht mehr helfen können, dass sie nicht mehr zu geben haben und sich völlig verausgabt haben.’ Müller (1994) beschreibt das Burnout Syndrom wie folgt: ‘Im Falle einer Burnout-Krise nimmt die psychische Belastbarkeit bereits im mittleren Berufsalter ab. Menschliche Überforderung und Enttäuschungen führen zu emotionaler Erschöpfung und Resignation. Der phasische Verlauf kann bis zur Entfremdung von sich selbst und zu völligem Rückzug zu anderen Menschen führen und in Depressionen und körperliche Erkrankungen münden.’ (Domnowski, 2010, S.95) Bezeichnend für diesen Zustand sind also eine emotionale Erschöpfung und Depersonalisierung des Betroffenen, sowie eine zur eigenen Leistungsfähigkeit negative Ideologie. In dem von Siegrist et al. konstatierten Krankheitsmodell der ‘Gratifikationskrise’ führt eine steigende Distanz zwischen Anforderungen und Belohnung zur Erkrankung. Berufliche Kontrollbestrebungen und Gratifikationskrisen sind demzufolge mit ursächlich für das ‘Burnout-Syndrom’. Die Beschreibung der Entwicklungsschritte der Burnout Symptomatik durch die Autoren ist sehr heterogen, dennoch besteht in Bezug auf den Phasenablauf des Phänomens Einigkeit. Fengler (1992) beschreibt die 10 aussagekräftigsten Stufen so: - Freundlichkeit und Idealismus. - Überforderung. - Geringer werdende Freundlichkeit. - Schuldgefühle darüber. - Vermehrte Anstrengung. - Erfolglosigkeit. - Hilflosigkeit. - Hoffnungslosigkeit(‘Ein Fass ohne Boden’). - Erschöpfung, Abneigung gegenüber Klienten, Apathie, Aufbäumen, Wut. - Burnout: Selbstbeschuldigung, Flucht, Zynismus, Sarkasmus, psychosomatische Reaktionen, Fehlzeiten, große Geldausgaben, Unfälle, Dienst nach Vorschrift, Selbstmord, Liebschaften, Scheidung, plötzliche raptusartige Kündigung, sozialer Abstieg, aus dem Tritt kommen usw. (Domnowski, 2010, S.102f.,). Das Pflegepersonal ist die in der Klinik zahlenmäßig am meisten vertretene Berufsgruppe. Arbeitsunfähigkeit und psychosomatische Beschwerden liegen hier über den Werten der Durchschnittsbevölkerung (Killmer, 1999). 2006 wurde supponiert, dass 40% des in Kliniken arbeitenden Pflegepersonals an Burnout-Symptomen leidet. Als Folge des am Arbeitsplatz erlebten und nicht verarbeiteten Distress wurde das Burnout-Syndrom Mitte der 80er Jahre zum zentralen Thema der helfenden Berufe. Zeitnot, Termindruck, die stetig wechselnde Einstellung auf neue Aufgaben und Patientenanforderungen führt bei den Pflegenden zum Dauerstress. Bei der Erfüllung ihrer Aufgaben werden bei den ‘Helfenden’ Grundwerte wie Pflichtbewusstsein und Leidensfähigkeit vorausgesetzt. Durch eine fehlende Entwicklung von Kompensationsstrategien werden von Schwestern und Pflegern die sich entwickelnden Defizite anfangs nicht wahrgenommen (Domnowski, 2010). Eine der Hauptgründe für die Entstehung von Gratifikationskrisen im Pflegebereich ist die zunehmende Verdichtung der Tätigkeit. Reduzierte Bettenzahlen in den Krankenhäusern ziehen kürzere Liegezeiten und höhere Patientenzahlen nach sich und lassen die pflegerische Inanspruchnahme steigen. Durch Zunahme diagnostisch-therapeutischer Untersuchungen, die Durchführung berufsfremder Aufgaben, sowie die Erhöhung des Durchschnittsalters und die Zahl chronisch kranker Patienten, nimmt der Bedarf an professioneller Pflege weiter zu. Für die Krankenpflegekräfte resultiert daraus eine weitere Steigerung der Arbeitsbelastung. In unterschiedlichen Befragungen gaben 63-94,3% des Pflegepersonals an, körperlich anstrengend zu arbeiten. Hohes Arbeitstempo, weite Wege, langes Stehen, Tragen, Heben und Bücken gelten dabei als häufigste physische Anstrengungen. Physikalische und chemische Einwirkungen, als auch eine erhöhte Infektionsgefahr erweitern das Belastungsspektrum. Durch das parallele Auftreten physischer und psychosozialer Belastungen ist eine Differenzierung aber nur begrenzt möglich. Eine signifikante Stellung kann entsprechend nicht abgeleitet werden. Individuelle und volkswirtschaftliche Folgen resultieren aus diesem psychosomatischen Syndrom (Killmer, 1999).

Über den Autor

Karsten Klemz arbeitete nach einem dreijährigen Staatsexamen ‚Krankenpflege’ in verschiedenen Kliniken in Deutschland, fast immer auf Intensivstationen. Seine 20-jährige pflegerische Tätigkeit war gekennzeichnet durch eine stetige persönliche und fachliche Weiterentwicklung. Stets angetrieben von dem Willen für ihn und vor allem für die Menschen, die er pflegte, Neues dazuzulernen, absolvierte er viele Kurse und Weiterbildungen. Auf den verschiedensten Intensivabteilungen konnte er sein praktisches Know-how ständig erweitern. Da auch andere von seinem Gelernten profitieren sollten, arbeitete er lange als nebenberuflicher Pflegedozent. Durch sein 2010 absolviertes Studium in ‘Angewandten Gesundheitswissenschaften’ lernte der Autor über den Tellerrand zu schauen und Fachliches zu hinterfragen. Die Wahl des Themas seiner Bachelorarbeit fiel auf eine Problematik, die der Autor nur zu gut aus seinem Berufsalltag kannte. Unzählige Spät- und Nachtdienste hatte er absolviert und er erinnerte sich gut an die Probleme, die damit verbunden waren. Damit war in ihm der Wunsch geweckt, dieses Thema wissenschaftlich zu bearbeiten. Zudem wollte er die Möglichkeit nutzen die Ergebnisse seiner Arbeit anderen Interessierten zugänglich zu machen.

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