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Verlag:
Bachelor + Master Publishing
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 08.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 32
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Überfüllte Krankensäle, kurz angebundene Krankenschwestern und -wärter, rabiate Behandlungsmethoden und dahinsiechende schwerkranke Menschen sind seit einigen Jahrzehnten in Deutschland sowie zumindest in anderen westlich industrialisierten Ländern passè. Ungefähr seit den 60er Jahren ist sowohl in der architektonischen und technischen Ausstattung der Krankenhäuser und Alten-/Pflegeheime, als auch in der pflegerischen Versorgung und medizinischen Behandlung eine stete Verbesserung auszumachen. Frühere Zustände wurden als unmenschlich beschrieben und im Zuge von ethisch-moralischen sowie strukturellen Modernisierungen den menschlichen Bedürfnissen und zeitgemäßen Bedingungen angepasst. In der vorliegenden Studie werden zwei speziellen Formen der Gewalt untersucht, die auf den ersten Gedanken eigentlich gar keine Themen für den pflegerischen Bereich sind: Die kulturelle Gewalt und die sexuelle Gewalt. Hierbei liegt der Fokus auf der Gewalt, die den zu Pflegenden gegenüber gebracht wird, und nicht auf der, welche das Pflegepersonal in ihrer Arbeit erlebt.
Textprobe: Kapitel 4.2, Sexuelle Gewalt in pflegerischen Einrichtungen: Sexuelle Gewalt ist nach wie vor weitestgehend ein Tabuthema in der Pflege und somit auch in der Gesellschaft, weshalb es für Opfer von sexueller Gewalt oder deren Angehörige kaum Möglichkeiten gibt, unabhängige öffentliche Hilfe und Beratung zu erhalten. Ist es den Anlaufstellen im Laufe der letzten Jahre gelungen, Missstände und Gewalt in der Pflege zu thematisieren, bleiben sexuelle Gewalthandlungen jedoch oft ungenannt, da das gesellschaftlich verankerte tiefe Schamgefühl insbesondere ältere Menschen hindert, über ihre sexuellen Gewalterfahrungen zu sprechen. Ängste und Befürchtungen der Opfer, man werde ihnen keinen Glauben schenken, spielen überdies eine wesentliche Rolle. Dennoch gibt es ein breites Spektrum dieser Gewaltform, das sich z. B. in einer derben, vulgären und sexistischen Sprache, in pflegerischen Handlungen, die auf die Verletzung des Schamgefühles abzielen bis hin zu direkten körperlichen Gewalthandlungen, äußert. Die vorliegenden öffentlichen Berichte über sexuelle Gewalt in pflegerischen Einrichtungen sind mutigen Opfern, Angehörigen oder Pflegekräften zu verdanken, die ihre Erfahrungen oder Kenntnisse nicht verheimlichen wollten und mit ihrer Offenheit zum einen zur Verurteilung von Täter(inne)n beigetragen und zum anderen einen Anschub zur Öffentlichkeitsarbeit geleistet haben. In einem Interview berichten Angehörige einer Heimbewohnerin, dass nachts ein fremder Mann in dem freien Bett des Zimmers schlief. Die Angehörigen fragten diesbezüglich beim Pflegepersonal nach: ‘Man war nicht überrascht, das könne schon vorkommen, daß ein für solche Situationen bekannter dementer Mann in freien Betten schlafen würde. Was unsere Mutter empfunden hat, die Nächte mit einem ihr fremden Mann zubringen zu müssen, liegt uns schwer auf der Seele.. Auf die Frage, warum sie nicht geklingelt habe: ‚Eingeschüchtert wie sie war, (...) traute sie sich das nicht.’ [Hirsch, Fussek 2001 S. 109]. Dieser wiederholte Vorfall ereignete sich 1998 in einem Alten-/Pflegeheim, in dem die Heimbewohnerin ein Zweibettzimmer bewohnte. Sie hatte keine Möglichkeit, sich vor diesen nächtlichen Besuchen zu schützen, etwa durch das Abschließen der Zimmertür oder mittels eines Gespräches mit der zuständigen Pflegekraft, da dort offenbar keine vertrauliche Atmosphäre herrschte. Dieses Beispiel ist m. E. bereits der sexuellen Gewalt zuzuordnen, da die Frau durch die ungewollte Anwesenheit eines fremden Mannes in ihrer Privatsphäre und der nicht vorhandenen Möglichkeit ihrerseits, die Situation zu verändern, erheblich in ihrer geschlechtlichen Integrität verletzt wurde. Zwei weiteren Darlegungen nach, werden körperlich sowie das Schamgefühl verletzende pflegerische Maßnahmen bei der Ganzköperwaschung vollzogen. Eine 39jährige Patientin beschreibt 1995 das Gewaschenwerden von einer Krankenschwester einen Tag nach ihrer Operation: ‘Dann sah sie mich an und rief: ‚Jetzt waschen wir die Unterwelt.. Sie riß mir brutal die Beine auseinander und drehte und wendete mich wie ein totes Stück Fleisch. Daß ich mehrmals vor Schmerzen laut schrie, schien sie nicht zu stören.’ [Elsbernd, Glane 1996 S. 144]. Eine Angehörige schildert 1997 eine Gegebenheit, die sie bei einem Besuch ihrer Mutter in einer pflegerischen Einrichtung erlebte: ‘Im Beisein von Zivildienstleistenden wurde unsere Mutter im Bett gewaschen. Im Intimbereich war die Schwester mit dem Waschen sehr grob. Es bereitete unserer Mutter Schmerzen.’ [Hirsch, Fussek 2001 S. 75]. Bezüglich der Verletzung der Intimsphäre ist zumeist nicht eindeutig, ob die jeweilige Pflegekraft dies beabsichtigte, z. B. den Zivildienstleistenden gezielt bei der Waschung anwesend sein ließ, oder ob es eine zufällige Komponente darstellt. Die Verletzung der Würde und des Schamgefühls kann dennoch unabhängig davon unterschiedlich stark von den Patientinnen wahrgenommen werden. Die zusätzlichen direkten körperlichen Schmerzen, die den Frauen im Intimbereich zugefügt wurden, sind ebenso der sexuellen Gewalt unter zu ordnen. Sexuelle Gewalt kann sich auch in einer Atmosphäre ausdrücken, die durch Unaufmerksamkeit gegenüber anderen, insbesondere auf Hilfe angewiesene, Menschen und eine derbe Sprachkultur geprägt ist. Eine 47jährige Patientin gibt die Vorbereitungsphase einer Operation im Jahre 1995 in einem anästhesiologischen Vorraum folgendermaßen wieder: ‘(...) Stöße an die geöffneten Beine, Ellenbogen, ganz rohe Sprache (...). Ich kam mir vor wie ein Stück Schlachtvieh, fand auch schlimm, daß dort ausschließlich Männer waren.’ [Elsbernd, Glane 1996 S. 139].
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