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- Chronisch kranke Kinder und Jugendliche. Belastungsfaktoren und psychosoziale Interventionskonzepte
Gesundheitswissenschaften
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Verlag:
Bachelor + Master Publishing
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 07.2016
AuflagenNr.: 1
Seiten: 68
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Eine stetig steigende Anzahl von Kindern und Jugendlichen wächst mit einer chronischen Erkrankung auf. Die spezifischen Krankheitssymptome und das Krankheitsmanagement nehmen Einfluss auf die Alltagsgestaltung und die Lebensqualität der Betroffenen. Neben der medizinischen Krankheitsbewältigung gewinnen psychosoziale Themen vor allem im Hinblick auf die psychische Gesundheit der Kinder und Jugendlichen zunehmend an Bedeutung. Die vorliegende Arbeit diskutiert den aktuellen Stand qualitativer Forschung in Bezug auf die psychosozialen Belastungsfaktoren körperlich chronisch kranker Kinder und Jugendlicher und stellt die Ergebnisse in differenzierter Form dar. Zudem führt der Autor eine strukturierte inhaltliche Übersicht von bereits existierenden psychosozialen Interventionskonzepten und Unterstützungsangeboten für chronisch kranke Kinder und Jugendliche auf und analysiert deren jeweilige Evaluationsergebnisse. Dieses Fachbuch bietet dem Leser die Möglichkeit ein tiefes Verständnis für die psychosozialen Lebenswirklichkeiten und die komplexen Selbstkonzepte körperlich chronisch kranker Kinder und Jugendlicher zu entwickeln.
Textprobe: Kapitel 4.1.2. Affekte der Kinder und Jugendlichen: Anderssein – anders fühlen?: Der Wunsch normal zu sein wird von den meisten Kindern und Jugendlichen mit einer körperlich chronischen Erkrankung geteilt (vgl. Christian & D’Auria, 1997 Elliott et al., 2005 Freeborn et al., 2013 Miller, 1999 Nicholas et al., 2011 Woodgate, 1998). Nicholas et al. (2011) untersuchten mithilfe von semistrukturierten Interviews die psychosozialen Belastungen von 25 Kindern und Jugendlichen mit einer Nierenerkrankung im Endstadium. Die Jugendlichen nannten als eine sie häufig belastende Erfahrung, sich nicht normal zu fühlen. Sie beschrieben ihr Leben mit der Erkrankung als schwierig und schmerzhaft. Als Gründe hierfür wurden u.a. häufig auftretende medizinische Komplikationen bzw. Symptome (Nebenwirkungen der Medikamente, sich krank fühlen, Infektionen, Erschöpfung), der Dialyseprozess sowie wiederholte medizinische Untersuchungen und Krankenhausaufenthalte genannt. Mit einer Maschine leben zu müssen, beschreiben einige der Betroffenen als die sie am stärksten belastende krankheitsbezogene Erfahrung. Ein weiterer die Kinder und Jugendlichen belastender Aspekt war auch in dieser Studie das Gefühl sozial ausgeschlossen zu sein. Das zeitintensive Krankheitsmanagement sowie das erhöhte gesundheitliche Risiko verhinderten die Teilnahme an sozialen, altersentsprechenden Aktivitäten (z.B. Schwimmen gehen, Übernachtung bei Freunden). Die Kinder und Jugendlichen berichteten von empfundener Frustration und Hilflosigkeit. Einige Jugendliche äußerten in den Interviews, dass ihnen die Vorstellung einer Zukunft mit der Erkrankung und den unangenehmen dialysebezogenen Restriktionen Angst mache. Urlaub und Verreisen war wegen der hochfrequenten, lebenswichtigen Dialysetermine für die betroffenen Kinder und ihre Familien nur sehr eingeschränkt möglich. Diesbezüglich berichteten einige der befragten Kinder und Jugendlichen von empfundenen Schuldgefühlen gegenüber ihren Familien. Für andere stellte das äußere Erscheinungsbild, verglichen mit gesunden Peers sowie die damit in Zusammenhang stehenden medikamentösen Nebenwirkungen, einen sich auf das Selbstbewusstsein der Betroffenen negativ auswirkenden Belastungsfaktor dar (Nicholas et al., 2011). Kinder und Jugendliche mit Epilepsie berichteten von intermittierenden, sich täglich bis stündlich ändernden Gefühlen von Traurigkeit und Depressivität (Elliott et al., 2005). Aufgrund ihrer Andersheit (Abhängigkeit von medizinischen Prozeduren) von Freunden abgelehnt und fallengelassen zu werden, wurde als eine zentrale Sorge von an Diabetes erkrankter Kinder und Jugendlicher genannt (Freeborn et al., 2013). Miller (1999) befragte sechs an insulinabhängiger Diabetes erkrankte Kinder im Alter von 7 bis 12 Jahren mit Hilfe von 15 bis 25-minütigen Tiefeninterviews zu ihren Lebenserfahrungen mit der chronischen Erkrankung. Die Kinder berichteten, dass das Herausfinden chronisch krank zu sein, bei ihnen zunächst mit Ungläubigkeit verbunden gewesen sei. Schwierigkeiten die Diabeteserkrankung begreifen und verstehen zu können sowie die Erkenntnis täglich Insulininjektionen zu benötigen, lösten Gefühle von Verwirrtheit, Angst und Trauer in ihnen aus. Gleichzeitig stellte die Erfahrung des Rückgangs der krankheitsspezifischen, unangenehmen Symptome durch die medizinische Behandlung eine Erleichterung für die Kinder dar. Die Tatsache lebenslang krank zu sein und von der chronischen Erkrankung überall hin begleitet zu werden, ist für betroffene Kinder und Jugendliche eine schwer zu integrierende Erkenntnis (Miller, 1999 Rhee et al., 2007). Einige Jugendliche mit Asthma berichteten von einem sie belastenden dauerhaften Präsentsein der Erkrankung, das vor allem durch die Angst vor den Symptomen aufrechterhalten werde (Rhee et al., 2007). Als weitere Belastungen und negative Erfahrungen nannten Kinder mit Diabetes Mobbingerfahrungen bezogen auf ihr Anderssein, schmerzhafte Insulininjektionen, Gefühle von Kontrollverlust in Phasen von niedrigem Blutzuckerspiegel sowie Zukunftsangst aufgrund der bestehenden Möglichkeit einer Verschlechterung des gesundheitlichen Zustandes mit dem Älterwerden (Miller, 1999).Vor allem das Offenbaren der Diagnose vor den Gleichaltrigen bereitete den Jugendlichen Schwierigkeiten (Christian & D’Auria, 1997 Nicholas et al., 2011) und wird von einigen als Prozess des Abwägens von pro und contra bezogen auf die Reaktionen der Peers und möglicher Folgen für bestehende Freundschaften beschrieben (Nicholas et al., 2011). In der Untersuchung von Christian und D’Auria (1997) berichteten an zystischer Fibrose/Mukoviszidose erkrankte Jugendliche als ein zentrales Bestreben die Reduktion von Gefühlen von Verschiedenheit und Anderssein im Vergleich mit ihren gleichaltrigen, gesunden Peers. Retrospektiv betrachtet gaben die Jugendlichen an, dass sich dieser Normalisierungswunsch bei ihnen ab dem Grundschulalter zu entfalten begann und an Intensität bis zur Adoleszenz hin zunahm. Um Gefühle von Verschiedenheit zu reduzieren, hielten die Jugendlichen vor Gleichaltrigen ihre Diagnose geheim, aus Angst vor möglichen negativen und ablehnenden Reaktionen der Peers sowie zum Schutz neu aufgebauter intimer Beziehungen. Zudem versuchten sie sichtbare Unterschiede und Symptome der Erkrankung (u.a. den typischen Husten und die Einnahme von Medikamenten) im Zusammensein mit anderen zu verstecken. Die zunehmende Wichtigkeit Freunde zu finden, verringerte die Notwendigkeit die Erkrankung vor allen Peers zu verbergen. Geheimhaltung war assoziiert mit einer erschwerten Entwicklung enger Freundschaften und romantischer Beziehungen (Christian & D’Auria, 1997). Auch Nicholas et al. (2011) fanden heraus, dass das Enthüllen der Diagnose vor den Peers bei Kindern und Jugendlichen mit Nierenerkrankungen mit Angst vor Zurückweisung und Schamgefühlen besetzt war. Manche Betroffenen bezeichneten ihr Krank- und Anderssein als Schwäche und persönliches Defizit und konnten es nicht aushalten, dass andere davon wissen. Nicholas et al. (2011) sind der Meinung, dass die Kinder und Jugendlichen durch das Verheimlichen ihres Krankseins einen bedeutsamer Teil ihrer Identität vor anderen (und sich selbst) verborgen hielten.
Yves Steininger, M.Sc. in Psychologie, wurde 1990 in Jugenheim bei Darmstadt geboren. Neben dem Psychologiestudium an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und an der Medical School Hamburg, das er 2016 erfolgreich abschloss, sammelte der Autor bereits seit 2012 als selbstständig tätiger Kinder- und Jugendlichen-Coach in Darmstadt und Hamburg umfangreiche praktische Erfahrungen in der psychologischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Zudem absolvierte er während dieser Zeit verschiedene Zusatzausbildungen und Praktika im psychologisch-psychotherapeutischen Bereich. Im Rahmen des Masterstudiengangs Klinische Psychologie und Psychotherapie entwickelte der Autor ein zunehmendes Interesse an der wissenschaftlichen Erforschung der zentralen Belastungsfaktoren, Themen und Konflikte körperlich chronisch kranker Kinder und Jugendlicher. Außerdem setzte er sich verstärkt mit den Inhalten und der Wirksamkeit aktuell bestehender psychosozialer Interventionskonzepte für diese auseinander. Der Autor ist zudem Mitbegründer der Academy for Coaching and Sportstainment (ACS), welche seit 2011 jährlich erfolgreich Seminare für Jugendliche und junge Erwachsene zur Mentalen Stärke in Schule, Studium, Leistungssport und Beruf durchführt. Die erste Buchveröffentlichung des Autors erschien 2013 im Diplomica-Verlag unter dem Titel Der Vater-Vorteil – Die exklusive Bedeutung des Vaters für die psychische Entwicklung des Kindes im Kleinkind-, Schulkind- und Jugendalter .