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- Bildungsstandards und Kompetenzen auch im Fach Sport? Neue Wege der fachlichen Qualitätsentwicklung
Gesundheitswissenschaften
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Verlag:
Bachelor + Master Publishing
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 01.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 60
Abb.: 9
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Betrachtet man die Entwicklung der vergangenen Jahre, so erkennt man eine Art Paradigmenwechsel im deutschen Schulwesen (Franke, 2008). Bis in die 1990er Jahre dominierte die Inputsteuerung im Bildungssystem, wobei sich Lehrpläne hauptsächlich auf Inhalte bezogen. Nun geht der Trend zur Outputsteuerung, einem ergebnisorientierten Unterricht. Spätestens seit den großen internationalen Vergleichsstudien TIMSS und PISA sind die Qualitätsverbesserung und -sicherung eins der wichtigsten Themen im deutschen Bildungswesen geworden (Köller, 2007). Das schlechte Abschneiden machte den Handlungsbedarf aus Sicht der Schulpolitiker mehr als deutlich, so dass als Folge dessen die Bildungsstandards eingeführt wurden […], die auf einem theoretisch fixierten, operationalisierbaren und empirisch zu überprüfenden Kompetenzmodell basieren (Gogoll, 2009). Grundlage für die neue Steuerung bildet die Expertise Zur Entwicklung von Bildungsstandards aus dem Jahr 2003, die im Auftrag der Bundesregierung und der Kultusministerkonferenz (KMK) innerhalb von nur fünf Monaten erarbeitet wurde. Mit dieser sollte ein grundlegender Wandel zur Verbesserung des Bildungssystems eingeleitet werden, zugleich entstand damit aber auch eines der meist diskutiertesten Themen in der Schuldidaktik und Bildung (Kurz & Gogoll, 2010, S.228 f. Schierz & Thiele, 2004). Standards kennt man ursprünglich aus der Produktion und Wirtschaft. Sie geben Maßstäbe an, bzw. ein einheitliches Muster vor (Ruhloff, 2007). Ein solcher Transfer auf die Bildung wird von vielen kritisch gesehen und die Ökonomisierung stark hinterfragt, da Standardisierung nicht unbedingt mit Qualität einhergeht (ebenda). Die Effektivität des Unterrichts soll durch Zielsetzungen gesteigert werden. Es erscheint hierbei jedoch schwierig, die Erwartungen und Interessen von allen Beteiligten Institutionen und Personen auf einen Nenner zu bringen und mit einem einzigen Instrument zu kontrollieren (Herrmann, 200). Externe Evaluationen und die daraus entstandenen Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz sind als Fortschritt nicht unumstritten und werden in Anbetracht des vernachlässigten Erziehungs- und Bildungsauftrag hinterfragt. Insgesamt wird jedoch daran festgehalten, dass sie die Zukunft der Qualitätssteuerung sind - auch für nicht getestete Fächer und Themengebiete bei PISA (Menz & Reuter, 2009). Das Fach Sport ist eins der Fächer, das zunächst von der Diskussion um die Bildungsstandards unberührt blieb, da die Vergleichsstudien sich auf die Kernfächer Mathematik und Deutsch begrenzten. Später schlossen internationale Vergleichsstudien auch Fremdsprachen und Naturwissenschaften ein. Sport wurde und wird voraussichtlich nicht getestet. Es ist dennoch kaum möglich sich der Entwicklung der Bildungsstandards zu entziehen, ohne eine entsprechende Sonderstellung für sich zu beanspruchen (Pack, 2005).
Textprobe: Kapitel 2, Trend der Standardisierung im Bildungswesen: Die Frage nach schulischer Qualität und der Verbesserung ist nicht neu, jedoch orientierte sich die Frage der Qualität vorrangig an der Bereitstellung von Ressourcen und den Rahmenbedingungen für das pädagogische Handeln. Ausschlaggebend waren also in erster Linie Inputvariablen, wie Ausstattungs- und Strukturmerkmale (Serwe, 2010, S.37). Schulische Entwicklung wird seit einigen Jahren stärker an 'Wirkungen', den übergeordneten Bildungsinformationen, festgemacht. Man spricht von Schuleffektivitätsforschung, die evaluiert wie effektiv und effizient die Bildungseinrichtungen arbeiten. Diese Produktivität soll durch ein Bildungsmonitoring überprüfbar gemacht werden (ebenda, S.22). Der Trend im Bildungswesen geht daher die letzte Zeit immer weiter in Richtung Standardisierung. Das Umdenken der Bildungssteuerung gilt als wesentliche Innovation (Pack, 2005, S.66). Doch warum folgt man diesem Trend eigentlich? In Kapitel 2.1 wird aufgezeigt wie sich die Standardisierungsdebatte entwickelt hat. Weiterhin geht es im Kapitel 2.2 darum, wie Bildungsstandards zu verstehen sind und was sie ausmachen. Die neue Outputsteuerung und die Neujustierung von Bildungserwartungen und Kompetenzen spielen dabei eine wesentliche Rolle. 2.1, Schulentwicklung nach 2000: Der bereits erwähnte Paradigmenwechsel von der Input- zur Outputsteuerung wur-de innerhalb von sechs Jahren fast vollständig realisiert (Franke, 2008, S.10). Die Veränderung im deutschen Schulwesen fing an sich um die Jahrtausendwende zu entfalten: Als Konsequenz der schlechten Ergebnisse bei den großen internationalen Vergleichsstudien (TIMSS und PISA) wurde die Kritik an der Bildungsqualität zunehmend größer. Als einheitliches Ziel zur Qualitätssicherung rückte die neue Steuerung in den Fokus (Kurz & Gogoll, 2010, S.228). Den Qualitätsmangel im deutschen Bildungswesen veranschaulicht Thiele (2007) durch ein metaphorisches Bild. Die Krankheit 'Qualitätsmangel' zeigt sich durch das Symptom 'mangelnder Leistungsergebnisse, so dass als Folge der 'Diagnose' durch PISA ein neues Wunderheilmittel gefunden werden musste. Dieses Heilmittel verspricht man sich durch eine neue Steuerung (Thiele, 2007, S65 f.). Aufwändige Entwicklungsmodelle für Schulen sind zu kostspielig, zeitintensiv und luxuriös angesehen, hinzukommt, dass schnell sichtbare Ergebnisse benötigt werden (Serwe, 2010, S.45). Trotz der neuen Richtung war es unabdingbar, die Leitprinzipien des deutschen Schulwesens zu berücksichtigen. Diese sind zum einen das Individualrecht auf Bildung und zum anderen der staatliche Erziehungsauftrag. Außerdem ist es Teil der doppelten Aufgabe, für alle Mitglieder der Gesellschaft gleiche Bildungschancen einzuräumen, so dass durch vermittelte Fähigkeiten, Fertigkeiten und Wissen eine selbstbestimmte Lebensgestaltung möglich wird (Menz & Reuter, 2009, S.137). Als gelungene Qualitätsentwicklung der letzten Jahre wird daher die Förderung von Kindern mit Migrationshintergrund oder aus sozial schwachen Verhältnissen ange-sehen. Allerdings ist dies nur ein Aspekt der Schulentwicklung nach 2000, da im Fokus die nicht unumstrittene Ökonomisierung und Standardisierung steht und der allgemeine Erziehungs- und Bildungsauftrag durch kontinuierliche Leistungsvergleiche vernachlässigt wird (ebenda, S.147). Im Rückblick auf die vielen einzel-schulorientierten Ansätze der 90er Jahre, erscheint die Ökonomisierung als 'mas-sive Entfremdung' der bisherigen schulpädagogischen Intention. Für das 21. Jahrhundert stehen Begriffe wie 'innovieren, beschleunigen, effektivieren, motivieren und exzellent werden' (Serwe, 2010, S.42). Politiker setzen häufig Bildung mit einem wirtschaftlichen Produkt gleich. Sie betonen, dass Bildungsreserven der einzige Rohstoff in unserem Land sind, über den wir ausreichend verfügen, und zwar trotz PISA-Schock und dem Dilemma, das die Bildungspolitik kennzeichnet. Das Problem dabei ist, dass die Förderung aufgrund des steigenden Personals teuer wäre und Investitionen nur getätigt werden, wenn der Nutzen glaubhaft gemacht werden kann, damit der Staat nicht weiter verschuldet wird. Die langfristige Entwicklung junger Menschen vorherzusagen, um die es sich letztendlich beim Thema schulischer Bildung handelt, scheint allerdings unmöglich. Aus diesem Grund wurde es zum Ziel erklärt, eine möglichst gute Qualität bei möglichst geringen Kosten zu erhalten – ein rein wirtschaftliches Denken. Das wirtschaftswissenschaftliche Denken führte so auch dazu, die Verbesserung der Qualität vom Ende her zu konzipieren und sich auf den ‚output‘, das was am Ende herauskommt, zu konzentrieren (Kurz & Gogoll, 2010, S.228 f.). Im Gegensatz dazu wurde vorher beim ‚input‘ angesetzt, wozu die Rahmenbedingungen der Schule, Lehrpläne, Stundentafeln, Unterrichtsstunden sowie Lehrkräfte samt Qualifikation zählten. Neben dieser Komponente soll auch Wettbewerb ein wesentliches Prinzip im Bildungssystem werden. Nicht nur die Leistungen der Schüler, sondern auch die der Schulen, Regionen und Bundesländer sollen so verglichen werden und letztlich der Qualität zugutekommen (ebenda, S.230.). Die innovative Wende in der Erziehungswissenschaft zur outputorientierten Steuerung und dem wirtschaftswissenschaftlichen Denken begann schon 1997, nachdem die Basisinformationen der Studie das Bildungssystem aufgrund von eher mäßigen Leistungen in die Krise stürzten. Als Folge dessen einigte sich die KMK 2003 und 2004 auf verbindliche Bildungsstandards und 2006 auf eine Gesamtstrategie zur Qualitätssicherung für die Primarstufe und Sekundarstufe I (Köller, 2007, S.13 f.). Der so forcierte wirtschaftliche Ansatz erfolgte von der Politik selbst und nicht etwa von den Wirtschaftswissenschaften. Angesichts der Versuche Standards zu formulieren, steigerte sich auch der Konflikt an Schulen zwischen ökonomischen und pädagogischen Werten (Serwe, 2010, S.60). Lehrpläne, die als zentrales Medium der Steuerung galten und sich als Steuerungsinstrumente lange bewährten, mussten wegen der desolaten Ergebnisse überarbeitet werden (Stibbe, 2009, S.176). Eine solche Überarbeitung war aber keinesfalls neu, da der Kern eines Lehrplans darin bestehen sollte, die Schüler auf die Zukunft vorzubereiten und zu qualifizieren. So ändert sich dieser stetig mit unserem rasch entwickelnden Wissensbestand und den benötigten Qualifikationen (Krick, 2010, S.181). Neu war vielmehr der Funktionswandel in Richtung von standardorientierten Kerncurricula und schuleigenen Lehrplänen, die sich an den Bildungsstandards, dem ‚output‘, orientieren (Stibbe, 2009, S. 176). Die Qualitätssicherung sollte von da an durch Qualitätsindikatoren überprüft werden: 'Qualitätsindikatoren des Bildungssystems sollen die von Schülerinnen und Schülern erreichten Kompetenzen sein, welche in festen Zeitabständen in der dritten Jahrgangsstufe und am Ende der Sekundarstufe I überprüft werden' (Köller, 2007, S.13). Eine Reflexion ob Bildungserträge wirklich mess- und überprüfbar sind, trat in Anbetracht des dringenden Handlungsbedarfs in den Hintergrund. Im Vordergrund stand das Formulieren von Leistungsstandards und -niveaus, die Schülerinnen und Schüler erreichen sollten. Mit den neuen Standards folgten auch flächendeckende Vergleichsarbeiten, um auf Länder- und Bundesebene Vergleichsmöglichkeiten zu schaffen (ebenda, S.14). Die weiteren Jahre hat sich nicht viel getan, außer dass immerzu an der Outputorientierung gearbeitet und entwickelt wurde. So stellt Kurz (2008) fest: Auch mit dem Wechsel der politischen Konstellation in der Landesregierung im Jahr 2006 hat sich die Grundüberzeugung nicht geändert. Sie lautet nach wie vor: Die bisher eingesetzten Maßnahmen zur Steuerung unseres Bildungswesens seien nicht wirksam genug gewesen daher müsse zukünftig viel mehr darauf gesetzt werden, die gewünschten Ergebnisse, den output des Unterrichts zu definieren und regelmäßig zu messen (Kurz, 2008, S.24). Mittlerweile gibt es hingegen auch einige kritische Stimmen, die den Versuch das Bildungssystem zu ökonomisieren und an wirtschaftswissenschaftlichen Modellen festzumachen für bedenklich halten (Kurz & Gogoll, 2010, S.231). Der Trend im Bildungswesen zur Standardisierung und Ökonomisierung war geboren. Die immer stärker geforderte outputorientierte Steuerung nach den schlechten Ergebnissen bei Vergleichsstudien brachte die Bildungsstandards hervor, die eben genau diesen ‚output‘ beschreiben sollen. Man könnte auch sagen die Standards sind das neue Qualitätsinstrument der Bildungspolitik (Pack, 2005, S.66).