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- Qualitätsmanagement in der vertragsärztlichen Versorgung: Evaluation durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA)
Gesundheitswesen
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 09.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 140
Abb.: 15
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Die internationale Studien- und Evidenzlage hinsichtlich der kausalen Wirksamkeit von Qualitätsmanagement (kurz QM genannt) in der medizinischen Versorgung ist uneinheitlich und limitiert. Dies mag zum einen an der erheblichen Heterogenität der Studien im Kontext von QM bezüglich der jeweils untersuchten QM-Interventionen, der QM-Methodik und der QM-Settings, zum anderen auch an der unterschiedlichen Studienqualität und an fehlenden einheitlichen Publikationsstandards im Kontext von QM liegen. Zudem werden QM und andere qualitätsverbessernde Interventionen in der medizinischen Versorgung in der Regel ohne einen systematischen und umfassenden Evaluationsansatz, der die Planung, Durchführung und regelmäßige Evaluationen einschließt, eingeführt und implementiert. Darüber hinaus findet eine Evaluation der Ausgangssituation ( baseline ) hinsichtlich der zu evaluierenden Zielparameter im Vorfeld der Einführung solcher Maßnahmen nur in den seltensten Fällen statt. Kurzum, infolge der genannten Faktoren findet sich in der Literatur kaum Evidenz für einen versorgungsrelevanten und patientenbezogenen Nutzen von QM in der medizinischen Versorgung. In diesem Buch werden am Beispiel der Evaluation der Wirksamkeit und des Nutzens von Qualitätsmanagement durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) neben den genannten Problemen bei der Identifizierung und Bewertung der Evidenz im Kontext von QM die verschiedenen Gründe für die geringe Evidenz bezüglich der Wirksamkeit und Nutzen von QM in der vertragsärztlichen Versorgung als ein Teil der medizinischen Versorgung aufgezeigt. Dazu zählen unter anderem die hohe Komplexität und Heterogenität von QM und des sozialen Kontextes von QM, die starke Kontextabhängigkeit einer erfolgreichen Implementierung von QM und die erhebliche Dynamik und Wechselwirkung der sozialen Prozesse und Einflussfaktoren, die eine erfolgreiche Umsetzung von Qualitätsverbesserungen durch QM bestimmen.
Textprobe: Kapitel 4.3 Methodik und Vorgehen des G-BA: Die versorgungsrelevante Wirksamkeit und der Nutzen des einrichtungsinternen QM sollte laut einem zu Beginn der Beratungen erstellten Arbeitsplan der AG auf Grundlage der Ergebnisse aus national und international publizierten Studien überprüft und bewertet werden. Zu diesem Zweck wurde eine systematische Literaturrecherche publizierter Studien in internationalen Datenbanken durchgeführt (siehe Abschnitt 4.3.1). Darüber hinaus wurden zwei aktuelle und ausgewiesene Studien aus dem vertragsärztlichen Versorgungskontext unter Einbeziehung der Erstautoren ausgewertet. Dazu stellten die Autoren der Evaluationsstudien zu den QM-Systemen QEP und EPA ihre Ergebnisse zu Wirksamkeit und Nutzen von QM vor (siehe Abschnitte 4.3.2.1 und 4.3.2.2). Als Ergebnis der systematischen Literaturrecherche nach publizierten Studien, die versorgungsrelevante Ergebnisse bzw. Wirkungen der Einführung und Umsetzung von QM-Systemen untersuchen, wurden 37 als relevant eingeschätzte Publikationen identifiziert und in einer Basisliste zusammengestellt. Im Anschluss wurden die wesentlichen Aussagen und die methodische Qualität der publizierten Studien aus der Basisliste extrahiert und unter Anwendung des PICO-Schemas bewertet (Überprüfung der Qualitätsmanagement-Richtlinie 2013). Das PICO-Schema beschreibt den Ansatz in Interventions- und Beobachtungsstudien, wie, ausgehend von einem medizinischen Problem eine adäquate Fragestellung formuliert werden kann, die alle wesentlichen Aspekte der Studiendurchführung einschließt (Miksch und Peters-Klimm 2010). Population (P) beschreibt dabei die mit der Intervention adressierte Zielgruppe (z. B. Arztpraxis oder Klinikabteilung). Intervention (I) ist die Einführung und Implementierung von QM oder anderen qualitätsverbessernden Maßnahmen. Control (C) stellt eine Vergleichsgruppe dar, die keine Intervention erhält, d. h. kein QM umsetzt, und Outcome (O) ist die zu zeigende Zielgröße, d. h. die Wirksamkeit oder Nutzen der Intervention QM. Aus der Bewertung der relevanten Studien nach dem PICO-Ansatz sollten Erkenntnisse hinsichtlich der Wirksamkeit und Nutzen von QM gewonnen werden. Dieser Ansatz zielt also auf den Nachweis kausaler Effekte von QM in medizinischen Einrichtungen im Vergleich zu Einrichtungen ohne QM und kommt insoweit der Vorgabe des G-BA, bei der Evaluation vergleichende Studien einzubeziehen (siehe Abschnitt 4.1), ein Stück weit entgegen. 4.3.1 Literaturrecherche ohne eigene Evaluation durch den G-BA: Die ÄQM-Richtlinie des G-BA schreibt eine Evaluation der Wirksamkeit und Nutzen von QM auf der Grundlage von publizierten und vergleichenden Studien vor (Gemeinsamer Bundesausschuss 2005) und sieht somit keine eigene Evaluation durch den G-BA anhand einer selbst bzw. von einschlägigen wissenschaftlichen Institutionen im Auftrag des G-BA durchgeführten Primärdatenerhebung vor. Daher wurde eine systematische Literaturrecherche in internationalen Literatur-Datenbanken (Pubmed/Medline) durchgeführt, die den Zeitraum der letzten 10 Jahre einschloss (2002-2012). Die Suchstrategie umfasste Begriffe (MeSH -Terms) wie Evaluation”, Program Evaluation”, Quality Management , Quality Management System (QMS), Total Quality Management , Quality Improvement , Continuous Quality Improvement (CQI), Quality of Health Care” in Verbindung mit Schlagwörtern wie effectiveness , efficacy , efficiency , potency , effect unter Verwendung von Boolschen Operatoren OR und AND. Die systematische Recherche in Datenbanken wurde ergänzt durch eine zusätzliche Handsuche, da nicht immer alle relevanten Studien in elektronischen Datenbanken aufgenommen und gelistet werden. Die Recherche war nicht beschränkt auf den ambulanten Sektor, sondern umfasste alle Sektoren, Versorgungsbereiche und Organisationen im Gesundheitssystem. Insgesamt wurden 78 Studien als Abstracts identifiziert, davon 59 aus der systematischen Recherche und 19 aus der Handsuche. Von den 78 identifizierten Abstracts wurden 37 als für die Fragestellung relevant eingestuft. Davon konnten 35 als Volltexte beschafft werden, wobei Volltexte von zwei Studien als solche nicht verfügbar waren. Das Studium der Volltexte ergab, dass 14 Publikationen thematisch nicht relevant waren, so dass diese ausgeschlossen wurden. In die Auswertung wurden somit 21 Dokumente als thematisch relevant eingeschlossen, die zur Strukturierung und zusammenfassenden Bewertung der wesentlichen Inhalte in einer Evidenztabelle zusammengestellt wurden (Überprüfung der Qualitätsmanagement-Richtlinie 2013). Dabei wurden die bezüglich der Studien wichtigsten methodischen Merkmale und die Parameter nach dem PICO-Schema (siehe Abschnitt 4.3) berücksichtigt . Die Publikationen waren bezüglich ihrer untersuchten Inhalte wie der Art der Interventionen, der QM-Instrumente und Methoden sowie bezüglich Setting, Studiendesign und Zielsetzung etc. sehr unterschiedlich, so dass sie in drei verschiedene Kategorien unterteilt wurden: Von den 21 eingeschlossenen Publikationen wurden 11 Arbeiten dem Themenbereich Wirksamkeit im weiteren Sinne, sechs Studien dem Bereich methodische Ansätze und vier Studien dem Bereich Probleme der Evidenzbewertung und Lösungen zugeordnet. Die Zuordnung zu den genannten Kategorien war nicht bei allen Publikationen eindeutig, da sich die Themenbereiche in den einzelnen Studien oftmals überlappten (Mischformen). Unter den eingeschlossenen Studien waren 14 Einzelstudien und sieben systematische Übersichtsarbeiten (Reviews) (Überprüfung der Qualitätsmanagement-Richtlinie 2013). 4.3.2 Auswertung ausgewählter QM-Systeme: Die ÄQM-Richtlinie des G-BA gibt vor, die Evaluation der Wirksamkeit und des Nutzens von QM insbesondere auf der Grundlage der auf die Bundesrepublik Deutschland bezogenen Studien im Hinblick auf versorgungsrelevante Ergebnisse der Einführung von QM-Systemen durchzuführen (Gemeinsamer Bundesausschuss 2005) (siehe Abschnitt 4.1). Zu diesem Zweck wertete der G-BA Studienergebnisse zu zwei aktuellen Evaluationsstudien aus Deutschland aus: Zum einen die Studie Evaluation der Einführung von Qualitätsmanagement in Arztpraxen im Hinblick auf die Erfüllung von Qualitätsanforderungen (Auras et al. 2012, Geraedts et al. 2012) des Instituts für Gesundheitssystemforschung der Fakultät Gesundheit der Universität Witten/Herdecke zum QM-System QEP der KBV und KVen (siehe auch Abschnitt 3.9.2.1) und zum anderen die Ergebnisse der Evaluationsstudie des AQUA-Instituts und der Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung des Universitätsklinikums Heidelberg (Goetz et al. 2011, Szecsenyi et al. 2011) zum QM-System EPA (siehe auch Abschnitt 3.9.2.2), einer großen Studie zur Wirksamkeit von QM in Arztpraxen. 4.3.2.1 Wirksamkeit und Nutzen von QEP: In dieser Evaluationsstudie wurden jeweils 74 deutsche Arztpraxen mit einem QEP-zertifizierten QM-System und nicht-zertifizierte Arztpraxen miteinander verglichen (Auras et al. 2012, Geraedts et al. 2012). Als Vergleichskriterien wurden dabei die Struktur- und Prozessqualität der ärztlichen Versorgung (gemessen an den Organisations- und Behandlungsabläufen), die Ergebnisqualität (gemessen an klinischen Parametern aus Feedbackberichten zu Disease-Management-Programmen (DMP)) und die Patientenzufriedenheit sowie Arbeitszufriedenheit der Ärzte gewählt. Die QEP-zertifizierten Praxen dienten dabei als Beispiel und Prototyp der in der QM-Umsetzung fortgeschrittenen Praxen mit einem in der Studie als Hypothese angenommenen höheren Durchdringungsgrad von QM gegenüber den Praxen ohne Zertifizierung. Es handelte sich um eine Beobachtungsstudie mit Primär- und Sekundärdaten. Die Datenerhebung erfolgte in einem Zeitraum von 13 Monaten von 2010 bis 2011 in jeweils 74 Interventions- und Kontrollgruppen (d. h einer Interventionsgruppe wurde genau eine Kontrollgruppe zugewiesen), wobei die Intervention in der durchgeführten QEP-Zertifizierung von QM bestand und die Kontrollgruppen sich aus nicht zertifizierten Arztpraxen zusammensetzten. Die Variablen, anhand derer eine nicht zertifizierte Praxis (Kontrolle) einer zertifizierten Praxis (Intervention) zugewiesen wurde (Matching ), waren z. B. fachliche Ausrichtung der Praxen, Größe der Praxis und Teilnahme der Praxis an DMP. Als Datenquellen dienten Arzt- und Patientenbefragungen sowie DMP-Feedbackberichte. Letztere beinhalten Informationen zum Grad der Qualitätszielerreichung bezüglich klinischer, patientenbezogener Behandlungsergebnisse, wobei in der Studie nur 16 Praxispaare mit 21 DMP auswertbar waren (Geraedts et al. 2012). DMP-Feedbackberichte enthalten versorgungsrelevante Daten bezüglich verschiedener Qualitätsziele, die Informationen über die Qualität der medizinischen Behandlung des Patienten (z. B. Verschreibung einer bestimmten medikamentösen Therapie oder Teilnahme des Patienten an einer empfohlenen Schulung) und über den klinischen Verlauf der Erkrankung (z. B. notfallmäßige stationäre Aufnahmen) geben (Kassenärztliche Vereinigung Bayerns). 4.3.2.2 Wirksamkeit und Nutzen von EPA: Die Evaluationsstudie untersuchte in einem Vorher-Nachher-Studiendesign mit Interventions- und Vergleichsgruppe die Effektivität des QM-Systems EPA zur Verbesserung der Qualität in deutschen Arztpraxen in den fünf Domänen Qualität und Sicherheit , Infrastruktur , Information , Menschen und Finanzen , die die qualitätsrelevanten Bereiche einer Arztpraxis abbilden (Goetz et al. 2011, Szecsenyi et al. 2011): Dabei wurden die Praxen der Vergleichsgruppe so gewählt, dass sie bezüglich bestimmter Variablen (wie z. B. Art und Lage der Praxis, Anzahl der Ärzte und Mitarbeiter etc.) mit den Praxen der Interventionsgruppe übereinstimmen (Matching, siehe Abschnitt 4.3.2.1). Insgesamt wurden 204 Hausarztpraxen, davon jeweils 102 aus der Interventionsgruppe und 102 aus der Vergleichsgruppe untersucht. Die Interventionsgruppe bestand aus Arztpraxen, die anhand der EPA-Instrumente (Selbstassessment durch Ärzte, Visitation, Mitarbeiter- und Patientenbefragung) zu Beginn (Erst-Assessment als Baseline-Erhebung) und nach 3 Jahren (Re-Assessment) ein Praxisassessment durchgeführt hatten. Die Vergleichsgruppe setzte sich aus Praxen zusammen, die ihr erstes EPA-Assessment zum Zeitpunkt des Re-Assessments der Interventionsgruppe durchführten. Die Intervention bestand somit in der Routine-Umsetzung von EPA (Interventionsgruppe) gegenüber Praxen, die das QM-System noch nicht eingeführt und etabliert hatten (Vergleichsgruppe). Insgesamt wurden 340 Selbstassessments, 306 Visitationen, 1.108 Mitarbeiter- und 14.212 Patientenbefragungen ausgewertet.
Jae Hyong Sorgenfrei studierte Humanmedizin an der Freien Universität Berlin. Das Studium schloss der Autor mit dem akademischen Grad des Doktors der Medizin erfolgreich ab. Eine umfassende internistische Weiterbildung mit Schwerpunkten in Kardiologie und Angiologie folgte unter anderem an der Charité Universitätsmedizin Berlin, die der Autor mit dem Facharzt für Innere Medizin erfolgreich abschloss. Bereits während seiner klinischen Tätigkeit als Arzt in der kurativen Medizin beschäftigte er sich besonders mit dem Qualitätsaspekt der medizinischen Versorgung. Postgraduale Studien in Business Administration und Public Health rundeten die berufliche Ausbildung des Autors ab. Seine Tätigkeiten in großen Linienorganisationen auf dem weiten Feld der deutschen Gesundheitsversorgung sowie insbesondere seine mehrjährige Mitwirkung in Gremien des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) in Berlin motivierte den Autor, sich dem Ärztlichen Qualitätsmanagement als Führungsaufgabe und der Thematik des vorliegenden Buches zu widmen.