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- Pflegequalität: Kommerz, Ideologie oder Wissenschaft? Wertung und Definitionsversuch im Kontext aktueller Entwicklungen
Gesundheitswesen
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 04.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 96
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Lässt sich Pflegequalität mit industriellen Methoden managen? Sind qualitätsgemanagte Heimbewohner glücklicher? Was wird aktuell eigentlich gemanagt und zertifiziert , wenn Begriff und Inhalt von Pflegequalität gar nicht definiert sind? Ausgehend von der Überlegung, dass ein Gegenstand bzw. Konstrukt – sei es nun physikalischer oder soziologischer Art – zunächst definiert werden muss, um überhaupt erfasst werden zu können, beschäftigt sich der Autor mit den aktuellen Methoden zur Messung bzw. Sicherung von Pflegequalität. Diese haben teilweise eine enorme politische, öffentliche und nicht zuletzt auch ökonomische Bedeutung für das Gesundheitswesen, speziell für die Pflege. Paradoxerweise liegt nahezu keiner der verwandten Methoden eine Definition zu Grunde, sodass sich zwangsläufig die Frage nach dem Sinn der stetig zunehmenden Maßnahmen zum Qualitätsmanagement stellt, an deren Ende oft die Vergabe von Zertifikaten oder Qualitätssiegeln steht. Es ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass der Begriff der Pflegequalität für die Berufsgruppe der Pflegenden, aber natürlich auch für die Gepflegten eine grundlegende Bedeutung hat. Jedoch definieren momentan kaum die Betroffenen selbst den Begriff Pflegequalität . Vielmehr ist eine Instrumentalisierung für politische und kommerzielle Zwecke zu beobachten, die keinesfalls im Interesse der Pflegenden und Gepflegten sein kann. Der Autor bespricht die aktuelle Bedeutung des Konstrukts Pflegequalität in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft, sucht in einschlägigen Messinstrumenten nach bisherigen Indikatoren für Pflegequalität und schlägt schließlich eine konkrete Definition des Begriffsinhaltes vor. Ein Messinstrument für Pflegequalität, das nur auf einer derartigen Grundlage basieren kann, müsste mehr die Sicht der Gepflegten und weniger die von Experten berücksichtigen. Gefordert sind hier letztlich auch die unmittelbar Betroffenen, die Berufsgruppe der Pflegenden und die Pflegeempfänger, sich in die Entwicklung einzubringen und aktuellen Fehlentwicklungen kritisch entgegenzutreten.
Textprobe: Kapitel 2.5, Bedürfnisse Pflegeabhängiger: In zahlreichen Untersuchungen wurden mittlerweile auch die Bedürfnisse Pflegeabhängiger erfasst. Diese unterscheiden sich teilweise in Abhängigkeit vom gesellschaftlichen Kontext (z.B. der Struktur und Finanzierung des Gesundheitssystems), es gibt aber auch zahlreiche Übereinstimmungen. Von KANE & KANE 2001 wurde als sehr bedeutender Faktor für die Bedürfnisbefriedigung und deren Qualität die Verfügbarkeit finanzieller Mittel erwähnt, die die Pflege als Profession im Einzelfall aber kaum beeinflussen kann. Grundsätzlich ist es aber erforderlich, dass für Pflegeabhängige in der Langzeitpflege eine umfassende Information über ihre Möglichkeiten zur Pflege erfolgt und dass ein Umfeld geschaffen wird, welches es gestattet, Entscheidungen, wie z.B. die zur Heimaufnahme, nicht unter Zeitdruck zu fällen (KANE & KANE 2001: 123 ff.). Nur so kann eine ausreichende Abwägung aller Vor- und Nachteile und eine hohe Akzeptanz für den Pflegeabhängigen erreicht werden. Von MORIN ELIAS 2001: 175 ff. wurden als Kundenwünsche gegenüber Pflegeeinrichtungen eine freundliche, persönliche Behandlung, Verlässlichkeit und Kontinuität der Versorgung (z.B. Einhaltung der vereinbarten Zeiten) und Kontinuität der Betreuungspersonen bzw. rechtzeitige Bekanntgabe von Personalwechseln beschrieben. Speziell auf Altenheimbewohner bezog sich die Studie von JOSAT et al. 2006, der eine Literaturauswertung zugrunde lag. Es konnten danach Kriterien ermittelt werden, die einmal für die Pflegeabhängigen und andererseits für deren Angehörige wichtig sind, bzw. die von beiden Gruppen unterschiedlich gewichtet werden. Für die Pflegeabhängigen bedeutsam sind unter anderem eine individuelle, freundliche Betreuung, eine gute Essensversorgung, die Einbeziehung in Aktivitäten, verlässliches, einfühlsames, qualifiziertes, deutsch sprechendes Personal und eine ausreichende Ausstattung der Einrichtung, z.B. mit Gemeinschaftsräumen. Die Angehörigen legten eher Augenmerk auf ein generelles Wohlfühlen der Pflegeabhängigen, auf eine individuelle pflegerische und hauswirtschaftliche Versorgung, kompetentes und ausreichendes Personal sowie eine zentrale und gut erreichbare Lage des Heimes. Weiterhin sind Qualitätskriterien für die Angehörigen auch der Ruf des Hauses und die Trägerschaft. In der Langzeitpflege von gravierender Bedeutung ist außerdem auch die Pflege am Lebensende. In der englischsprachigen Literatur wird schon seit Jahren ein Konzept des ‘guten Todes” diskutiert, welches in der deutschsprachigen pflegewissenschaftlichen Literatur nach Kenntnis des Verfassers bislang wohl kaum oder gar nicht aufgegriffen wurde. Gerade die Pflege Sterbender fordert umfassende Pflegequalität. Zu den qualitätsrelevanten Faktoren, die für Pflegeabhängige am Ende des Lebens wichtig sind, gehören u.a. ein adäquates Schmerz- und Symptommanagement, das Vermeiden einer unnötigen Lebensverlängerung, die Akzeptanz des eigenen Todes durch andere, Kommunikation über das zu Erwartende, befriedigende Beziehungen zu Angehörigen und ein Mindestmaß an Kontrolle und Autonomie (HOCKLEY 2008: 168). Dem Pflegepersonal kommt hier eine immense Bedeutung zu, da es in vielen Fällen die Wünsche und Bedürfnisse der Pflegeabhängigen am besten kennt. Es steht damit nicht selten zwischen dem Pflegeabhängigen, dessen Angehörigen und dem Arzt (VALLIS & BOYD 2008). Insgesamt lässt sich feststellen, dass sich die für das Qualitätsempfinden Pflegeabhängiger wichtigen Faktoren auf einen relativ kurzen Nenner bringen lassen: Pflege sollte der entsprechenden Person einfach in jeder Phase ihres Lebens bis zuletzt ermöglichen, soviel Autonomie wie möglich mit so wenig Eingriffen wie vertretbar zu erleben – also ein Leben, wie es jede nicht abhängige Person für sich selbstverständlich in Anspruch nimmt und für völlig normal erachtet. Dies ist für die Formulierung von Kriterien bzw. Indikatoren, die der Messung von Pflegequalität dienen sollen, von entscheidender Bedeutung. Ein Beispiel für einen frühen Versuch in dieser Richtung, das auch Relevanz in der Praxis hatte und hat, ist die Formulierung des Normalisierungsprinzips im Gesetz über Institutionen für Menschen mit geistiger Behinderung Anfang der 60er Jahre in Dänemark (siehe GEBERT & KNEUBÜHLER 2003: 186 ff.).
Gunther Grimmberger, Diplom-Pflegewirt (FH), wurde 1972 in Lübben geboren. Nach einer Ausbildung zum staatlich anerkannten Altenpfleger arbeitet er seit über 10 Jahren in der Pflegebegutachtung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK). Während dieser Zeit legte er am Abendgymnasium das Abitur ab und begann ein Fernstudium im Fach Pflegemanagement an der Hamburger Fern-Hochschule, welches er 2011 erfolgreich abschloss. Sowohl während seiner beruflichen Tätigkeit als auch während des Studiums wurde und wird er permanent mit Problemen der Pflegequalität konfrontiert, sodass er sich dafür entschied, sich dem Thema auch in der vorliegenden Studie zu widmen.