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- Jahresringe: Grundgedanken über das Älterwerden mit geistiger Behinderung in geschützten Werkstätten
Gesundheitswesen
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 08.2008
AuflagenNr.: 1
Seiten: 80
Abb.: 5
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Die demographische Alterung beschäftigt Staat und Wirtschaft. Auch soziale Institutionen müssen sich mit diesem Thema befassen. Zum ersten Mal gibt es alternde Menschen mit Beeinträchtigung in grösserer Zahl - und kaum Vergleichswerte. Dieses Buch zeigt Gemeinsamkeiten und Besonderheiten von älter werdenden Menschen mit und ohne geistiger Behinderung auf. Insbesondere für den Arbeitsbereich finden sich Grundlagen und Handlungsansätze für die Begleitung von Menschen mit geistiger Behinderung vom Erwerbsleben in den Ruhestand. Möglichkeiten und Grenzen für die Begleiter/innen und für Institutionen werden ebenso beschrieben wie praktische Tipps für den Alltag, Anregungen für die Teamarbeit und Praxisbeispiele.
Kapitel 9, Aspekte für den Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand in einer geschützten Werkstatt: Diese Aspekte beziehen sich nicht nur auf die Institution, in der ich arbeite. Sie beziehen sich jedoch hauptsächlich auf den Bereich Arbeit und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Anpassungen an die Bedürfnisse älterer Klient/innen: Zunächst sind die körperlichen Aspekte zu beachten, die sich aus dem biologischem Alterungsprozess ergeben. Als erforderlich sehe ich an: (1) Helle, klar strukturierte Räumlichkeiten mit Orientierungshilfen, (2) Rückzugsmöglichkeiten, Liegemöglichkeiten, (3) Sanitäre Anlagen mit Duschen in genügender Anzahl, (4) Arbeiten, die weniger Kraft und Ausdauer beanspruchen, (5) Vermeidung von zuviel Lärm, (6) Aus- und Weiterbildung des betreuenden Personals im Pflegebereich und in Gerontologie, (7) Erfassung der zu erwartenden Betroffenen in den nächsten 5-10 Jahren. (8) In Bezug auf die Werkstatt Fabrica wird eine andere Pausenregelung benötigt, zum einen, weil der Lift nicht mehr ausreicht, zum anderen, weil der Hilfsbedarf einiger Klient/innen gestiegen ist und insbesondere die Nachmittagspause mit 15 Minuten zu kurz ist. Der Stau an der Kaffeemaschine wäre damit vermeidbar, und somit auch der Stress, den dies für einige der älteren Klient/innen bedeutet. Die Bedürfnisse, die in der Befragung von Freese (Kapitel 5.3) genannt wurden und mit denen von Herrn F größtenteils übereinstimmten, sind trotz aller Vergleichbarkeit individuell und müssen erfragt werden. Anpassungen an die Bedürfnisse der Klient/innen kann man jedoch vorbereiten mit: (1) Flexiblen Arbeitszeiten und einer flexiblen Ruhestandsregelung. Dies bedingt häufig die Neustrukturierung im Wohnbereich, aber auch eine hohe Flexibilität im Bereich Werkstatt. (2) Erfassung von Bedürfnissen und Ängsten in Bezug auf das Älterwerden bzw. den Ruhestand. Dies kann beispielsweise in der Erwachsenenbildung geschehen, aber auch im Wohnbereich. In der Werkstatt kann es Teil der Förderplanung sein, einen Menschen mit geistiger Behinderung auf den Ruhestand vorzubereiten. Wichtig ist hierbei darauf zu achten, dass alle mit dem bzw. der Klient/in arbeitenden über den Stand der Dinge informiert sind. (3) Ein alternatives Freizeitangebot - im Wohnheim, in der Gemeinde, mit Freiwilligen oder Angehörigen. Wichtig scheint auch die Ermöglichung des Erhalts der sozialen Kontakte in der Werkstatt. Anpassung der Begleitung älterer Klient/innen: Auch in diesem Bereich sollten biologische Alterungsprozesse nicht ausser Acht gelassen werden. Insbesondere gilt das für das Gedächtnis und Lernen, die zwar dem psychologischen Altern zugehören, von biologischen Abbauprozessen jedoch beeinflusst werden. Es gibt einige konkrete Anpassungen, die in einer Werkstatt für Menschen mit Beeinträchtigung umgesetzt werden können: (1) Die Arbeiten müssen noch überschaubarer gemacht werden, klar gegliedert und nicht zu komplex sein. Auch das Anbieten von Stützen für das selbständige Handeln gehört zur Begleitung älterer Klient/innen. (2) Zeitdruck und Reizüberflutung wirken sich negativ auf das Lernen aus. (3) Das Erleben einer älteren Person mit geistiger Behinderung ändert sich möglicherweise, als Begleitung muss dem Rechnung getragen werden. Dazu gehört, dass Begleiter/innen empathisch auf das Erleben eingehen und die Person ernst nehmen. (4) Selbstbestimmung ermöglichen. Dazu gehören auch selbst gewählte Arbeiten, die möglichst in eigenem Rhythmus ausgeführt werden können. (5) Den Rahmen und den Spielraum neu überprüfen. Die Bedürfnisse älterer Klient/innen ändern sich. (6) Die Ressourcen älterer Mitarbeiter/innen gezielt einsetzen. Dies kann einfach nur die Ermöglichung eines Gesprächs mit dieser Person sein, die von ihren Erlebnissen und Befinden erzählt und so Einblick gestattet in den Alterungsprozess. Es kann aber auch das Einsetzen der Person als Lehrer bzw. Mentor für neue Mitarbeiter/innen sein. (7) Bestehende Ressourcen erhalten, neue Ressourcen nicht übersehen. Auch ältere Menschen mit geistiger Behinderung entwickeln sich weiter. Statt defizitorientiert ressourcenorientiert arbeiten und auf die Entwicklungsmöglichkeiten vertrauen, die jeder Mensch hat. Eine Ressource, die bei Herrn F mit zunehmendem Alter verstärkt zum Tragen kommt, ist sein Humor. Damit trägt er positiv zum Gruppenklima bei. Zusätzliche Aufgaben der Bezugspersonen von älteren Klient/innen im Bereich Werkstätten: In der Zusammenfassung von Kapitel 6.4 nannte ich schon einige mögliche Zusatzaufgaben für Gruppenleiter/innen bzw. Sozialpädagog/innen im Bereich Werkstatt. An dieser Stelle möchte ich diese Aufgaben noch etwas genauer betrachten. Die Biografiearbeit: In vielen Institutionen gibt es schon eine umfassende Anamnese von Klient/innen. Dies gilt jedoch nicht für alle Institutionen und vor allem nicht für den Arbeitsbereich. Außerdem sind die heute älteren Klient/innen noch nicht so gefördert und genau erfasst worden wie das bei den jüngeren der Fall ist. Hier ist man auf die Erzählungen der Klient/innen angewiesen, und wo das nicht möglich ist, auf die der Angehörigen. Auch der Einbezug der Angehörigen ist nicht immer möglich, teilweise sogar von ihnen unerwünscht. Außerdem kann eine umfassende Biografie im Arbeitsbereich nur schwerlich erstellt werden, da die Zeit dafür oft nicht vorhanden ist. Daneben wird eine Trennung von Privatleben und Arbeit oft als notwendig angesehen. Für Menschen mit einer stärkeren kognitiven Einschränkung sehe ich jedoch Vorteile in der Bearbeitung der Biografie auch im Arbeitsbereich. Dies im gleichen Sinne wie die AAMR, die die Erfassung der Beeinträchtigung zur Ermittlung des Unterstützungsbedarfes gebraucht. Die Gestaltung des Ablöseprozesses: Sicherlich kann man den Ablöseprozess nicht vereinheitlichen. Allerdings kann man sich und die betreffende Person darauf vorbereiten. Einige Aspekte nannte ich schon wie die Veranschaulichung von Alterungsprozessen oder die professionelle Beziehungsgestaltung. Es muss sich gefragt werden: Was kann die Institution als solche an Ressourcen bereitstellen? Wer ist an diesem Prozess mitbeteiligt? Inwieweit müssen die Beteiligten mit einbezogen werden? Wie ist der Mensch um den es geht und worauf muss ich bei ihm oder ihr speziell achten? Wann beginnt der Prozess, wie leite ich ihn als Sozialpädagog/in ein? Nicht zu vergessen ist das eigene Selbst: Wie werde ich mit dem Ablöseprozess als Person umgehen? Wo finde ich nötigenfalls Hilfe: in der Gestaltung des Ablöseprozesses und als Person? Diese Fragen sind nicht abschließend. Sie bieten jedoch einen Anhaltspunkt für die Gestaltung des Ablöseprozesses. Der Übergang in den Ruhestand: Auch hier stellen sich sehr ähnliche Fragen. Hinzu kommen die Bedürfnisse der einzelnen Klient/innen sowie der institutionelle Rahmen. Auch die Kreativität der Sozialpädagog/innen in Werkstätten ist gefragt: Welche Hilfsmittel, welche Arbeiten kann ich anbieten, wie gestalte ich diese Arbeiten, wie passt das mit meinem Produktionsauftrag zusammen? Was kommt an pflegerischen Aufgaben auf mich zu, wie kann ich diese bewältigen. Gibt es institutionelle Hilfe dabei wie z.B. Zusatzausbildung, Weiterbildung oder die Anstellung einer versierten Fachkraft? Der Abschied von Bezugspersonen und Mitarbeiter/innen: Auch hier ist die Institution gefragt: welche Form wird der Verabschiedung in den Ruhestand gegeben? Herr F wünscht sich ein Fest zur Pensionierung. Für Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung ist die Arbeit häufig mehr als nur Arbeit, das gilt es bei der Verabschiedung zu bedenken. Sind nur die Mitarbeiter/innen der eigenen Gruppe eingeladen oder alle Mitarbeiter/innen der Abteilung? Gibt es eine Zeremonie? Gibt es ein Geschenk? Wer führt die Verabschiedung durch? Der Direktor, der Abteilungsleiter, die Bezugsperson oder sogar die betroffene Person? Dürfen Freunde und Familienmitglieder eingeladen werden? Inwiefern kann auf die individuellen Bedürfnisse der Klient/innen in Bezug auf die Gestaltung des Abschieds Rücksicht genommen werden? Auch diese Fragen betrachte ich nicht als vollständig. Eine mögliche Schwierigkeit sehe ich in dem Abbruch einer langjährigen Arbeitsbeziehung. Die Person des Gruppenleiters, der Gruppenleiterin ist möglicherweise über viele Jahre zentral im Leben des Klienten, der Klientin gewesen. Ebenso wichtig waren die Gruppenmitglieder. Auch für diese wird sich in der Folge einer Pensionierung eine Veränderung ergeben, die erst verarbeitet werden muss. Eine sorgfältige Gestaltung des Ablöseprozesses kann viel dazu beitragen, den Abschied zu erleichtern.
Anja Braun, Erstausbildung in einem Seniorenwohnheim in Deutschland, seit 1995 in einer Werkstatt für Menschen mit Beeinträchtigung im Fürstentum Liechtenstein tätig, seit 1999 als Gruppenleiterin. Studium der Sozialpädagogik bei der Agogis in Zürich, Abschluss 2007 als eidgenössisch dipl. Sozialpädagogin HFS.
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