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- Hochbegabt und trotzdem schlecht in der Schule? Förderung und Diagnostik von Minderleistern
Gesundheitswesen
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 08.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 84
Abb.: 43
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Das Phänomen der Minderleistung stellt sowohl für die Diagnose als auch für die Beratung hochbegabter Kinder und Jugendlicher eine außerordentliche Herausforderung dar. Das folgende Buch soll anhand einer Projektarbeit zum Thema Förderdiagnostik hochbegabter Minderleister Hilfestellung in der Förderung, der Diagnostik und im Umgang mit hochbegabten Kindern und Jugendlichen geben.
Textprobe: Kapitel 3, Underachievement/Minderleistung: 3.1, Definitionen und Merkmale: Auch in der einschlägigen Literatur zum Thema Underachievement stößt man auf eine Vielzahl von Definitionen. Allgemein spricht man Underachievement (zu Deutsch: Minderleistung), wenn die tatsächliche Leistung eines Kindes oder Jugendlichen in Diskrepanz steht zu dem Leitungspotential, dass auf Grund von Begabung bei dem Jugendlichen zu erwarten ist. Eine Definition haben auch FLAMMER & KELLER (1982) gegeben, indem sie Minderleister als Schüler bezeichnen, die mehr leisten könnten als sie tatsächlich leisten. Hier wird die Minderleistung mit Faktoren erklärt, die nicht intellektueller Natur sind. Es wird allerdings nicht klar deutlich, was Flammer & Keller unter ‘mehr leisten’ verstehen und wie sie die aktuelle Leistung einschätzen bzw. werten. Um Minderleistung messen zu können muss festgelegt sein, ob man Leistung als ein relatives oder festes Kriterium ansieht oder ob man diese Ansichten sogar kombiniert (HANSES & ROST, 1998). PETERS et. al. sind mit ihrer Definition etwas konkreter. Sie sagen, dass die grundlegendste Definition von Minderleistung eine Diskrepanz zwischen tatsächlicher Leistung und Intelligenz sei (2000). Allerdings ist hier die Vorstellung von Underachievement abhängig von der zugrunde liegenden Intelligenztheorie und muss auch nach dieser bewertet werden. In dem Fall dieser Definition nutzen PETERS et al. die logisch-mathematische und verbale Intelligenz nach GARDNER, um Underachiever zu identifizieren. Dies soll jedoch nicht zu dem Schluss führen, dass Leistung alleine durch Intelligenz determiniert wird. Etwa 80% der Schulleistungsvarianz kann nicht durch Intelligenz identifiziert werden (HANSES & ROST, 1998). Folglich muss es noch andere Einflussgrößen geben, die Minderleistung bedingen. Wie bereits angemerkt, gibt es eine Vielzahl von Intelligenztheorien und Hochbegabungsmodellen die sehr unterschiedlich sind. Hieraus lässt sich eine Vorstellung entwickeln, wie viele Ideen es von Minderleistung gibt. 50% der durch einen IQ identifizierten Schüler gelten als Minderleister. PETERS et al. nennen allerdings keine genauen Merkmale von akademischer Minderleistung. Es werden z.B. keine Zensuren als Messgröße genannt. Da hier keine genauen Kriterien zur Minderleistung dargelegt werden, ist die Angabe von 50% fraglich. HANSES & ROST sprechen davon, dass es nur eine sehr kleine Gruppe von hochbegabten Minderleistern gibt. Die Autoren haben in dem Marburger Hochbegabtenprojekt eine Studie zu Minderleistung durchgeführt und konnten die Aussage der öffentlichen Debatte, dass Minderleistung häufiger vorkomme, nicht durch die Studie belegen (1998). Die Betrachtung der klassischen Sichtweise von einer konstanten Begabung hat den Nachteil, dass sie davon ausgeht, dass die Masse der Individuen ihre Begabung voll ausschöpft. Diese Aussage ist kritisch zu betrachten. FLAMMER & KELLER (1982) entwickelten hier eine weniger scharfe Definition von Minderleistung. Sie geht davon aus, dass die Masse ihre Begabung eher mittelmäßig nutzt und Underachiever hier ihre Fähigkeiten in Leistung besonders ungenügend umsetzen können. Dies hingegen hätte zur Konsequenz, dass Overachiever ihre Begabung überdurchschnittlich gut nutzen können. Die Grenzen von Under- zu Overachievement klar zu definieren ist eine Schwierigkeit auf die hier nicht genau eingegangen werden soll. Allerdings ist es wichtig Minderleistung von der rein akademischen Leistung zu lösen. So kann Minderleistung im Bereich der Kreativität oder der sozialem Kompetenz vorkommen (SUPPLLEE, 1990). Schwierig ist hier allerdings die Messbarkeit, da meist für die Diagnostik von Minderleistern Intelligenztests verwendet werden und keine Kreativitätstest (ebd.). 3.2, Messung von Minderleistung: Im Bereich der Messung von Minderleistung gibt es in der Literatur viele Vorschläge. HANSES & ROST machen den Vorschlag, Begabte unter den oberen 5% in einem Intelligenztest, die unterhalb von 50% der mittleren Leistung liegen, als Minderleister zu bezeichnen (1998). Eine Vielzahl von weiteren Werten und Vorschlägen sind bei PETERS et al (2000) und BUTLER-POR (1993) zu finden, auf die hier nicht weiter eingegangen werden kann. Nach BUTLER-POR findet man Minderleister nicht nur im Bereich von Intelligenz und Performanz, sondern auch bei hoch kreativen Schülern (1993). Sie konstruiert einen Zusammenhang zwischen diesen beiden Faktoren. So kann divergentes Denken zu Repressalien seitens der Eltern und Lehrer führen, da ein solches Kind als nervig und unbequem angesehen werden kann. Dies kann bei dem Kind zu Problemen im Selbstkonzept und zu Lernschwierigkeiten führen. Die Folge daraus kann demnach sein, dass durch das von Autoritätspersonen gelenkte Lernen die eigene kreative Lernfähigkeit des Kindes in Mitleidenschaft gezogen wird (1993). Im Bereich der Messgrößen kann man festhalten, dass es keine einheitliche, sondern viele verschiedene Vorstellungen gibt, wie genau die Begabungs-Leistungs-Differenz festgelegt werden soll. Auch versucht die Forschung im Bereich der Minderleistung nicht nur Messgrößen zur Identifikation festzulegen, sondern vielmehr auch Charakteristiken von Minderleistern zu isolieren. Bereits TERMAN & ORDEN haben in ihrer Langzeitstudie über Hochbegabung herausgefunden, dass Hochbegabte nicht auch Hochleistende sein müssen. Sie erkannten, dass 10% der Höchstbegabten aus einer Gruppe von 150 Männern keinen Collegeabschluss absolvierten, während allerdings 30% der am wenigsten Begabten einen Abschluss ablegten. TERMAN & ORDEN machten vier Charakteristika von Minderleitung aus: 1. das Unvermögen durchzuhalten (inability to persevere). 2. der Mangel an Vervollständigung gegenüber den Zielsetzungen (lack of integration towards goal). 3. das Gefühl von Minderwertigkeit (feeling of inferiority). 4. der Mangel an Selbstvertrauen (lack of self-confidence). (übersetzt nach BUTLER-POR, 1993). In dem Bereich der Charakteristika von Minderleistern fallen auch die Gründe für Minderleistung. Diese Frage nach den Gründen für Minderleistung lässt sich jedoch nicht genau beantworten. Wenn man Studien zum Selbstkonzept von Minderleistern betrachtet, stößt man auf unterschiedliche teilweise auch widersprüchliche Ergebnisse. So stellen ROST & HANSES in ihrer Studie verschiedene Ergebnisse vor, die eine große Spannbreite an Unterschieden im Selbstkonzept von Minderleistern zeigen. Laut ihren Ergebnissen treten bei hochbegabten Minderleister in fast allen Bereichen Probleme mit dem Selbstkonzept auf (1994). Die Studie hingegen von DAVIS & CONNEL weißt keine Unterschiede im Selbstkonzept nach, so dass diese nach ROST & HANSES kritisch zu betrachten ist (1994). Im Gegensatz dazu weisen die Untersuchungsergebnisse von MANDEL & MARCUS Ergebnisse nach, die ebenfalls in Richtung eines negativen Selbstkonzeptes bei Minderleistern gehen (1988). Auch beschreiben sie, dass Minderleister Lehrer eher negativ beurteilen und sie zudem noch mehr Konflikte innerhalb der Familie auszutragen haben (ebd.). Allgemein gehen die Studien in die Richtung, dass Minderleister ein eher negatives Selbstkonzept haben, auch wenn einige wenige Studien von diesen Ergebnissen abweichen. Die fehlende Umsetzung von Begabung in Lernen erklärt ROST mit negativen Erfahrungen in Leistungssituationen, sowie außerschulischen Probleme die den Schüler belasten. Aus dieser Situation kann Leistungsängstlichkeit entstehen (ROST & SCHERMER, 2001). Demnach erfolgt eine Attributierung von Misserfolg mit persönlichem Unvermögen. Erfolg hingegen wird dem Zufall zugeschrieben. Mit dem sinkenden Selbstwertgefühl sinkt auch die Wahrscheinlichkeit des Erfolgs. Dies führt zu nicht angemessener Leistung. ROST & SCHERMER gehen davon aus, dass extrem ängstliche Schüler in fast allen Schulfächern weniger leisten als emotional stabile Schüler (ebd. 2001). Hieraus lässt sich der Schluss ziehen, dass bei Minderleistern die Angstdiagnostik ein wichtiges diagnostisches Verfahren darstellt.
Frau Dipl.-Päd. Annika Beschoner wurde 1983 in Bad Honnef bei Bonn geboren. Ihr Studium der Erziehungswissenschaften schloss die Autorin 2010 an der Universität Koblenz-Landau erfolgreich ab. Bereits während des Studiums sammelte die Autorin umfassende praktische Erfahrungen in der Arbeit mit hochbegabten Kindern und Jugendlichen. Die Problematik der Förderung hochbegabter Minderleister veranlasste die Autorin zu dieser Studie.
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