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Gesundheitswesen


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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 01.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 132
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Wer heute in Deutschland schnelle medizinische Hilfe benötigt, wählt die 112 und wird innerhalb weniger Minuten vom Rettungsdienst versorgt. Auch wenn es für die Patienten im Ernstfall vermutlich ohne Belang ist, ist doch wahrscheinlich, dass der gerufene Rettungswagen in Hamburg von der Berufsfeuerwehr betrieben wird, weniger wahrscheinlich von einer Hilfsorganisation – etwa dem Roten Kreuz – am unwahrscheinlichsten von einem Privatunternehmen. Jedes Bundesland regelt seinen Rettungsdienst anders. Trotzdem erhalten Patienten überall nach vergleichbar kurzer Zeit eine vergleichbare Versorgung. Bettina Wagner untersucht in ihrem Buch über die Geschichte des Hamburger Rettungsdienstes, wie Rettungswesen und Krankentransport in 160 Jahren wechselvoller Geschichte ihre heutige Form erhielten. Dabei geht die Autorin unter anderem der Frage nach, ob die Qualität eines Rettungsdienstes wirklich davon abhängt, in wessen Verantwortung er liegt. Denn Verantwortliche gab es viele.

Leseprobe

Textprobe: Anfänge und Vorbilder: Krankenpflege und Rettungswesen haben einen gemeinsamen Ursprung in der Notwendigkeit, sich um die Hilfsbedürftigen zu kümmern. Hesse führte das auf antike Beispiele zurück, wie auf die christliche Nächstenliebe. Indem man den Rettungsdienst in eine Tradition von Freiwilligkeit und christlicher Nächstenliebe stellt, erklärt sich, warum er nicht von Privatunternehmen, sondern von Feuerwehr und Hilfsorganisationen dominiert wird. Vor der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert muss in dieser Hinsicht jedoch ein Gesinnungswandel stattgefunden haben, denn allein auf ein christliches Weltbild lässt sich der organisierte ‘Samariterdienst’ außerhalb kirchlicher Träger nicht zurückführen. Im Gegenteil: im mittelalterlichen Weltbild Europas waren Krankheit und Verletzung nicht behandlungsfähig, sondern wurden als Schicksal oder Gottesstrafe angesehen. Ein Rettungswesen ergab in einem solchen Zusammenhang noch gar keinen Sinn. Darum gab es keinen organisierten Rettungsdienst – selbst wenn man in Verbandsplätzen antiker Schlachtfelder ein Sanitätswesen erkennen möchte, so fehlte diesen doch noch die spezifische Organisation. Trotzdem waren Kriege ein wichtiger Faktor in der Entwicklung des Sanitätswesens. Hospital- oder Sanitätszüge am Ende des 19. Jahrhunderts konnten eine große Anzahl verwundeter Soldaten und medizinischen Personals in die Heimat transportieren und dienten definitiv als Vorbild für den organisierten Krankentransport. Neben Krankenpflege und Militär fußt das Rettungswesen auf einer dritten Tradition, nämlich die der Rettung Schiffbrüchiger, die besonders im Fall Hamburgs von großer Bedeutung ist. In Amsterdam gründete sich 1767 Europas erste Rettungsgesellschaft für die Rettung aus dem Wasser. Ausgebildet wurden die Helfer schon damals grundsätzlich von Ärzten. In Amsterdam sind für 1777 Vorträge des Anatomie-Professors Bonn über die Erstversorgung ‘Ertrunkener’ und sein Engagement für deren Rettung belegt. In Hamburg und anderen europäischen Städten gründeten sich Ende des 18. Jahrhunderts nach Pariser und Amsterdamer Vorbild die ‘Rettungsgesellschaften für im Wasser Verunglückte’. Die Hamburger Rettungsgesellschaft wurde 1768 als ‘Hamburgische Rettungs-Anstalt für Ertrunkene und Erstickte’ beziehungsweise ‘Anstalt für im Wasser verunglückte Menschen’ von der ‘Hamburgischen Gesellschaft zur Beförderung der Künste und nützlichen Gewerbe’ gegründet, kurz: von der ‘Patriotischen Gesellschaft’. So entstand die spätere Bezeichnung ‘Rettungsanstalt der Patriotischen Gesellschaft’, unter der die Anstalt bis 1899 agierte. Zu dieser Zeit hatte sie bereits Aufgaben in der Unfallrettung zu Land übernommen. ‘Dafür erhielt sie einen jährlichen Zuschuss des Senates. [...] Zum 1. Januar 1900 hat die Polizeibehörde die Rettungs-Anstalt übernommen.’ Eine offizielle Auflösung der Hamburger Rettungsanstalt ist nicht bekannt. Nach 1917 gibt es jedenfalls keine Belege mehr für ihr Wirken, während die Patriotische Gesellschaft bis heute in Hamburg existiert. Auch wenn sich in Hamburg das vereinsgestützte Rettungswesen nicht durchsetzte, diente die Rettungsanstalt und die Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger vor allem durch ihre Ausrüstung anderen Rettungsgesellschaften, auch zu Land, im deutschsprachigen Raum als Vorbild. Konstituierung: Außerhalb Hamburgs kam es zur gleichen Zeit zu ähnlichen Entwicklungen. 1770 wurde in Sachsen die Rettung Verunglückter per kurfürstlichem Mandat zur Bürgerpflicht. Friedrich II. von Preußen erließ 1775 die Verordnung über die ‘[...]'schleunige Rettung der durch plötzliche Zufälle leblos gewordenen, im Wasser oder sonst Verunglückten oder für tot gehaltenen Personen nebst Unterricht dieserhalb'‘. Fünfzig Jahre später folgte eine weitere wichtige Verordnung, ebenfalls in Preußen: ‘1820 erließ auch das Preußische Kultusministerium die Anweisung, zu Schaden-Gekommene mit größter Sorgfalt zu befördern und besser zu tragen als zu fahren. Dem Transport auf dem Wagen gegenüber war auch Christian VIII., König von Dänemark, skeptisch, als er in seinem Erlaß 1841 forderte, in Schleswig-Holstein sollten Kranke und Hochschwangere nur dann befördert werden, wenn ein Arzt vorher bescheinigt, daß während der Fahrt kein zusätzlicher Gesundheitsschaden entstehen könne.’ Um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert gründeten sich in mehreren Städten lokal begrenzte Rettungsgesellschaften, wie die Berliner Rettungsgesellschaft 1897 durch Ernst von Bergmann, die noch lange den Rettungsdienst in der Hauptstadt regeln sollte. Ihre eigenfinanzierten Rettungswachen waren mit Ärzten besetzt und wurden 1903 mit den Sanitätswachen und Unfallstationen der Hilfsorganisationen zum ‘Verband für Erste Hilfe’ zusammengeschlossen. 1883 lobte Jaromir von Mundy überschwänglich die Entwicklungen in und außerhalb Europas: In London seien dank der Förderung durch Königin Victoria schon lange Erste-Hilfe-Stationen verbreitet. Die ‘St. John's Ambulance Association’ beschäftigte Malteserritter, das Rote Kreuz, die örtliche Polizei und Feuerwehren. Freiwillige Feuerwehren würden auch in München und Stuttgart besonders erfolgreich Erste Hilfe leisten. 1913 gab es in Berlin mit der ‘Zentral-Auskunftsstelle für freie Krankenhausbetten’ eine entscheidende Neuerung für einen zentral organisierten Krankentransport. Die Jahrhundertwende war eine Blütezeit für Rettungswesen und Krankentransport. Viele Erfindungen dieser Zeit werden bis heute in ähnlicher Form verwendet, von einigen wurde jedoch wieder Abstand genommen. Zu beiden Kategorien zählten zum Beispiel Transportgeräte, wovon unten noch die Rede sein wird.

Über den Autor

Bettina Wagner wurde 1985 in Brasov (Rumänien) geboren. Nach einem Freiwilligen Sozialen Jahr beim Rettungsdienst Stuttgart absolvierte sie ein Studium der Wissenschafts- und Technikgeschichte, Geschichte und Philosophie an den Universitäten Stuttgart und Hamburg, das sie 2013 mit dem akademischen Grad des Master of Arts abschloss. Während des Studiums arbeitete die Autorin weiterhin im Rettungsdienst und engagierte sich in der Erste-Hilfe-Ausbildung. Diese Tätigkeiten motivierten sie, sich der Thematik Rettungsdienst nun auch auf geschichtswissenschaftlicher Ebene zu widmen.

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