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- Zwischen Stigma und Nische: Philosophie der Technik in der DDR und der BRD bis 1989. Eine vergleichende Untersuchung auf der Grundlage des unterschiedlichen politisch-wirtschaftlichen Selbstverständnisses beider deutscher Staaten
Gesellschaft / Kultur
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Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 09.2016
AuflagenNr.: 1
Seiten: 392
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Die Technikphilosophie, das Nachdenken über Technik , über das, was Technik ist, was sie mit uns macht und was wir mit ihr machen, führt trotz ihrer immensen Bedeutung für unser Leben und unsere Zukunft noch immer, so zumindest der erste Eindruck, ein Nischendasein in der Gesamtheit der philosophischen Veröffentlichungen in Deutschland. Genaueres Nachforschen zeigt allerdings, dass de facto zahlreiche technikphilosophische Arbeiten existieren, die allerdings selten von einer größeren interessierten Öffentlichkeit wahrgenommen wurden. Einen Sonderfall stellen dabei die diesbezüglichen Leistungen der DDR dar, die bis dato überhaupt noch nicht wissenschaftlich erforscht wurden und daher auch in Vergessenheit zu geraten drohen. Von daher leistet die vorliegende Dokumentation, die diesen Bereich erstmalig erforscht, Pionierarbeit. Darüber hinaus stellt der Autor aber auch zahlreiche wichtige technikphilosophische Publikationen aus der BRD bis 1989 vor, deren Bedeutung bisher kaum wahrgenommen oder zumindest stark unterschätzt wurde. All dies geschieht in dem Wissen, dass bei einer solchen philosophiegeschichtlichen Untersuchung der gesamtgesellschaftliche Hintergrund, auf dem sich ein philosophisches Gedankengebäude entwickelt, stets detailliert mitbedacht werden muss. Der Autor setzt sich daher ausführlich mit der Entwicklung des unterschiedlichen politisch-wirtschaftlichen Selbstverständnisses der beiden deutschen Staaten auseinander und untersucht anschließend vor diesem Hintergrund die verschiedensten technikphilosophischen Veröffentlichungen in Ost und West.
Textprobe: Kapitel 3.1.2 Das philosophische Feld der DDR: Die Reinstitutionalisierung der Philosophie in der SBZ/DDR begann im Wintersemester 1947/48 mit der Wiedereröffnung der philosophischen Institute der Universitäten Berlin, Jena und Leipzig. Angeboten wurde zunächst ein achtsemestriges Studium. Im Abschnitt 2.2.1.2.1 wurde bereits auf nähere Einzelheiten eingegangen. In diesem Zusammenhang wurde auch erwähnt, dass bereits 1946 seitens der SED mit dem Aufbau hochschulartiger Institutionen unter dem direkten Einfluss der Parteiführung begonnen wurde, an denen die ersten Lehrstühle für Marxismus-Leninismus eingerichtet wurden. Entsprechende Lehrstühle wurden ebenso an den neuen Gesellschaftswissenschaftlichen Fakultäten einiger Universitäten eingerichtet. Hier sollte zunächst in erster Linie dem Mangel an linientreuen Philosophiedozenten an den Universitäten abgeholfen werden. In zweijährigen Kursen, die überwiegend im Selbststudium durchgeführt wurden, bildete die SED Parteifunktionäre, Exilkommunisten und Antifaschisten (u.a. neben Journalisten und Literaten auch Naturwissenschaftler und Historiker) zu Philosophiedozenten aus. Hierzu zählten u.a. Klaus, Harig, Mende, Ley, Havemann und Harich. Ausbildungsfächer waren die direkt von der KPdSU übernommene Kombination Dialektischer Materialismus , Historischer Materialismus und Politische Ökonomie , die in diesem Zusammenhang behandelten Themen u.a. Physik und Marxismus , Fragen der mathematischen Logik und Dialektik und Hegel und der Marxismus . Aufgrund des Widerstandes der noch an den philosophischen Fakultäten verbliebenen altbürgerlichen Dozenten konnte der von der Sowjetunion übernommenen Disziplinenkanon zunächst nicht ohne Weiteres auf die universitäre Philosophieausbildung übertragen werden. Nachdem diese Dozenten allerdings im Zuge der Umgestaltung der SED zur Partei neuen Typus nach dem Vorbild der KPdSU um 1948 weitgehend ausgewandert oder entlassen worden waren, wurde mit der II. Hochschulreform , die am 1.9.1952 in Kraft trat, das Philosophiestudium grundlegend umgestaltet. Ein zweijähriges Studium des Marxismus-Leninismus wurde für Studierende aller Disziplinen, also auch der Philosophie, verpflichtend eingeführt. Damit wurde eine grundsätzliche Trennung von Marxismus-Leninismus und Philosophie etabliert und nach und nach institutionell und personell umgesetzt. Nach sowjetischem Vorbild wurden an allen Universitäten Sektionen für Marxismus-Leninismus etabliert, die für die Durchführung des zweijährigen Pflichtstudiums zuständig waren. Da der Marxismus-Leninismus die grundsätzliche Weltanschauungslehre der DDR war und bis zu deren Ende blieb, wurde die in der DDR ab 1952 in einem fünfjährigen Studium vermittelte Philosophie in Abgrenzung zum westlichen Pendant in der Regel als Marxistisch-Leninistische Philosophie bezeichnet. Die inhaltliche Trennung von Marxismus-Leninismus und Marxistisch-Leninistischer Philosophie ist schwieriger als die institutionelle. Eine Kurzdarstellung des Unterschiedes kann daher nur einen stark vereinfachenden Charakter haben: Der Studium des Marxismus-Leninismus befasste sich primär mit dem Kennenlernen gewisser Klassiker des Marxismus und Leninismus in der stalinistischen Lesart, unterteilt in dialektischen und historischen Materialismus und Politökonomie, Geschichte der Arbeiterbewegung, insbesondere der KPdSU(B) auf der Grundlage von Stalins Kurzem Lehrgang , aber auch mit der Marxistisch-Leninistischen Philosophie. Marxismus-Leninismus selbst benötigte, wie in 2.1.2.1 bereits dargelegt, nach gängiger Auslegung ja keine über den Einzelwissenschaften stehende Gesamtphilosophie, wohl aber die philosophische Lehre vom Denken und seinen Gesetzen - die formelle Logik und Dialektik, da diese als objektive Gegebenheiten angesehen wurden. In diesem Zusammenhang wurde auch bereits darauf hingewiesen, dass die Marxistisch-Leninistische Philosophie ihrerseits wiederum die Disziplinen Diamat und Histomat zum Inhalt hatte, darüber hinaus aber auch noch weitere Bereich umfasste: Logik, Erkenntnistheorie, Geschichte der Philosophie mit Schwerpunkt auf den als fortschrittlich bewerteten deutschen Klassikern sowie der Bereich der Philosophischen Fragen der Naturwissenschaften . Im Zuge der Technikeuphorie der 60er Jahre trat dann die Kybernetik hinzu. Die in diesen Jahren ständig wachsende Bedeutung der Ökonomie rückte die Philosophie eher an den Rand des gesellschaftlichen Interesses. Eine gewisse Ausnahme bildeten die mit der Produktion noch am ehesten zusammenhängenden Bereiche Kybernetik und Philosophische Fragen der Naturwissenschaften . Wie die Wirtschaft war auch das Hochschulwesen der DDR von der Staatsgründung bis zum Ende Gegenstand permanenten Experimentierens und Umgestaltens. Zuständigkeiten wurden hin und her geschoben, Bereiche zusammengefasst und wieder aufgelöst, Lehrpläne wiederholt geändert, Personal ausgewechselt und wieder zurückbeordert. Nicht zuletzt Kosings Autobiographie illustriert dies mit zahlreichen persönlichen und allgemeinen Details. Insgesamt ist die Darstellung der Entwicklung (sofern man dies als solche bezeichnen kann) des Bildungswesens der DDR in der Fachliteratur der Materie angemessen äußerst unübersichtlich, kompliziert und umfangreich. Als allgemeine Tendenz lässt sich eigentlich nur zusammenfassen, dass das Bildungswesen der DDR nach und nach immer weiter zentralisiert, kontrolliert und von den Interessen der Steigerung der wirtschaftlichen Produktion determiniert wurde. Wo dies nicht direkt der Fall war, verstand sich Wissenschaft, insbesondere Geisteswissenschaft, zumindest als eine Art Werkzeug zur Heranbildung von allseitig entwickelten sozialistischen Persönlichkeiten . Aufgabe der ausgebildeten Philosophen war es, hier mitzuwirken und dafür entweder Lehrer für Marxismus-Leninismus an den entsprechenden Institutionen zu werden oder aber der gesellschaftlichen marxistisch-leninistischen Praxis der Parteiführung ein theoretisches legitimierendes Gerüst zu geben und die gesellschaftliche Akzeptanz des Systems zu fördern, mit dem Vokabular der Diachronen Analyse ausgedrückt also der Parteiführung bei der Bereitstellung identitätsstiftenden Ordnungswissens für die heranwachsende Generation zuzuarbeiten. Nach den Ereignissen des Prager Frühlings im Jahr 1968 wurde im Zuge der III. Hochschulreform von 1969 die ideologische und faktische Kontrolle des Hochschulwesens noch einmal weiter verschärft. Neben verschiedenen verwaltungstechnischen Maßnahmen äußerte sich dies in der Abschaffung der Vorlesungsverzeichnisse zugunsten der Einführung zentraler Stundenpläne. Darüber hinaus wurden Lehre und Forschung noch stärker als zuvor auf die Volkswirtschaft ausgerichtet: Die Forschung wurde auftragsgebunden entwickelt, d.h. für jedes Forschungsprogramm wurden Verträge mit staatlichen und wirtschaftlichen Partnern abgeschlossen . Für das Philosophiestudium brachte die III. Hochschulreform entsprechende inhaltliche wie strukturelle Veränderungen. Das obligatorische zweijährige Studium des Marxismus-Leninismus wurde beibehalten. Dem weiterhin zunächst fünfjährigen, dann bis 1971 vierjährigen, dann wieder fünfjährigen Philosophiestudium wurden Praktika an Schulen oder an den Sektionen für Marxismus-Leninismus hinzugefügt. Nach Abschluss des Studiums mit Staatsexamen und Diplomarbeit durfte die Berufsbezeichnung Diplom - Philosoph geführt werden. Eine weitere akademische Laufbahn war innerhalb eines ebenfalls 1969 neu geordneten bzw. geänderten komplizierten Promotions- bzw. Habilitationsverfahrens möglich: Die Diplom-Philosophen konnten an den Universitäten und Lehrinstituten eine Promotion A als Assistenten und eine Habilitation (Promotion B) als Oberassistenten absolvieren [...] An den Forschungsinstituten konnte man nach dem Diplom wissenschaftlicher Mitarbeiter werden und promovieren, ohne lehrtätig zu sein, Dozent oder Professor zu werden. Nach Einreichung der Habilitation wurde man in der Regel Dozent und später Professor - mit Lehrauftrag, mit vollem Lehrauftrag oder mit Lehrstuhl. Es gab außerordentliche und ordentliche Professuren [...] Die Philosophen der Gründungsgeneration, die von 1945 bis ca. 1958 lehrten und ausgebildet wurden, erhielten oft akademische Titel auch ohne entsprechende Promotion. So zum Beispiel der Ideologie-Chef der SED Kurt Hager, der von 1948 bis 1950 einen Dozentenlehrgang absolvierte und anschließend als ordentlicher Professor für Philosophie an der HU Berlin lehrte . Nach der flächendeckenden Einführung der zehnklassigen allgemeinbildenden Polytechnischen Oberschule (POS) im Dezember 1959 stellte sich bald heraus, dass diese in der Praxis nicht wirklich zur Hochschulreife führen konnte. Ab 1961 öffnete daher die Einführung einer zusätzlichen zweijährigen Erweiterten Oberschule (EOS) den Weg zum Abitur und damit zum Studium. Der Übergang zur EOS war allerdings mit einem Auslese- und Zulassungsverfahren verbunden, das nicht von den Wünschen der Eltern und der Schüler selbst abhängig war: Vielmehr trafen die Lehrer die Entscheidung, die ihnen für eine künftige ‚Kaderstellung’ geeignet erscheinenden Schüler für die entsprechende Bildungslaufbahn zu ‚delegieren’. Der Klassenlehrer hatte dabei ein Gutachten zu erstellen, [...] beidem es nicht nur um die Bewertung der schulischen Leistungen (ging), sondern vor allem auch um die Einschätzung der gesellschaftlichen Betätigung und der staatsbürgerlichen Haltung der einzelnen Kandidaten. Absolventen der EOS bewarben sich dann über den Rektor ihrer Schule bei der jeweiligen Hochschule. Die Zulassungen zum Hochschulstudium wurden mit der langfristigen Arbeitskräfteplanung abgestimmt. Dabei begann die Berufslenkung schon in der 6.Klasse der POS, wenn die Kinder 11 oder 12 Jahre alt waren [...] Bereits bei der Zulassung zum Studium mussten sich die zukünftigen Studenten verpflichten, später [...] dort ihre Arbeit aufzunehmen, wo der Staat sie einzusetzen gedachte . Gleichwohl existierten in der DDR wenig direkte Verbindungen zwischen philosophischer und politischer Karriere. Politiker mit Philosophiestudium waren als Politiker, nicht als Philosophen erfolgreich. Umgekehrt waren Philosophen auf den höheren Hierarchieebenen der Philosophie lediglich im philosophischen Feld einflussreich.
Michael Veit, 1952, studierte Sozialwissenschaften, Evangelische Theologie, Pädagogik und Philosophie an verschiedenen westdeutschen Universitäten. Nach Abschluss der Studiengänge Sozialwissenschaften und Theologie arbeitete er viele Jahre im kirchlichen und öffentlichen Dienst. Sein aus diesem Grund unterbrochenes Studium der Philosophie nahm er mit Eintritt in den Ruhestand wieder auf und erlangte an der Ruhr-Universität Bochum den Grad eines BA, MA und Doktors in dieser Disziplin. Während des Studiums entwickelte sich neben der Hermeneutik insbesondere die Technikphilosophie zu seinem Spezialgebiet. Die praktisch nicht vorhandene Erforschung dieser Thematik im Hinblick auf die DDR bewog ihn dazu dieses Problem zum Schwerpunkt der vorliegenden Dissertation zu machen.
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