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Gesellschaft / Kultur

Dieter Pesch / Martin Pesch

Werner Peiner - Verführer oder Verführter: Kunst des Dritten Reichs

ISBN: 978-3-95425-392-0

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Produktart: Buch
Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 04.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 172
Abb.: 52
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Der Maler Werner Peiner gehörte in der Zeit des Nationalsozialismus zu den gefragtesten Staatsmalern. Als Direktor der Hermann-Göring-Malerschule schuf er mit seinen Studierenden unter anderem die Vorlagen für die Bildteppiche der Neuen Reichskanzlei in Berlin. Adolf Hitler setzte ihn 1944 auf die Liste der gottbegnadeten Künstler. Seine Verstrickung in den Nationalsozialismus hat der Maler sein Leben lang geleugnet. Anhand des umfangreichen schriftlichen Nachlasses konnte die Wahrheit über Werner Peiner als Exponent des Nationalsozialismus erstmals historisch belegt werden.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel Berufung an die Staatliche Kunstakademie Düsseldorf: In seiner Autobiografie erwähnt Peiner mehr beiläufig, er habe im Herbst 1933 von der ‘Regierung in Düsseldorf’ einen Ruf als Direktor der Düsseldorfer Akademie erhalten, diesen jedoch abgelehnt. Da sich Peiner, mit Ausnahme des Gemäldes ‘Deutsche Erde’, den Entscheidungsträgern in Düsseldorf nicht als Nationalsozialist angedient hatte, ist kaum vorstellbar, dass hier die Idee geboren wurde, einen bisher politisch unbedeutenden und System-Unbekannten, zudem mit 36 Jahren noch recht jungen Maler zum Direktor der Kunstakademie zu benennen. Infrage kommen als Vorschlagende nur zwei Personen: Junghanns und Kruspig. Kruspig scheidet höchstwahrscheinlich aus. Hätte er, der regelmäßigen Kontakt mit dem Preußischen, für Rheinpreußen zuständigen Ministerpräsidenten hatte, sich der Angelegenheit angenommen, hätte er Göring vorgetragen und die Entscheidung wäre zugunsten Peiners ausgefallen. Glaubhafter ist, dass Junghanns, mit dem Peiner später einen guten Kontakt pflegte - beide verbrachten mindestens zwei Studienaufenthalte mit ihren Malklassen in Kronenburg -, Peiner vorschlug. Nach seiner Ablehnung erhielt dieser im Oktober 1933 gewissermaßen postwendend die Berufung zum Leiter der ‘Meisterklasse für Wandmalerei, Glasmalerei, Mosaik und Gobelinweberei’. Die Berufung wurde vom Preußischen Innenministerium bestätigt. Peiner führte den Titel bereits im Oktober 1933. Es ist nicht anzunehmen, dass derselbe Urheber, der Peiner zum Direktor der Akademie vorgeschlagen hatte, nach so kurzer Zeit den Maler erneut empfahl, nun Peiner als Lehrer die Furcht vor einem erneuten Scheitern wäre zu groß gewesen. Als Peiner die Professur ausschlagen wollte, wurde er von Emil Fahrenkamp und Walter Kruspig bestürmt: ‘Das kannst du nicht ablehnen. Du kommst höchstens auf die schwarze Liste. Wir können uns nur freuen, wenn sie einen Mann wie dich und nicht die Bonzen nehmen.’ Das Engagement der beiden sprach für deren Autorenschaft. Es ist offensichtlich, dass sich zumindest Kruspig bei seinen regelmäßigen Gesprächen, vor allem den Tischgesprächen, mit Göring selbst beraten hat, zumindest aber mit Erich Gritzbach, damals Chef des Ministerbüros im Preußischen Staatsministeriums und ‘rechte Hand’ des Preußischen Ministerpräsidenten. Anfang 1934 trat Werner Peiner die Professur an, als Nachfolger von Heinrich Campendonk , der wie Paul Klee kurz nach der ‘Machtergreifung’ beurlaubt wurde, was einem Berufsverbot gleichkam. Die Kunst der Modernen widersprach der Ideologie des Nationalsozialismus, da deren Menschenbild nicht dem nordisch-germanischen Schönheitsideal untergeordnet war. Die Verächtlichmachung der modernen Kunst und schließlich deren Verbot geht zurück auf Adolf Hitler, der in der Moderne die Bolschewisierung der Kultur und Kunst erkannte, und an dessen Einschätzung sich in der Folge Alfred Rosenberg mit dem ‘Mythus des 20. Jahrhunderts’ anlehnte, obwohl er 1923 noch den Expressionismus als wahre deutsche Kunst, als richtungweisend für die ‘nationalsozialistische Bewegung’ proklamiert hatte. Mit der 1928 erschienenen Publikation Paul Schultze-Naumburgs ‘Kunst und Rasse’ wurde das Alleinstellungsmerkmal nordisch-germanisch-deutscher Kunst widerspruchslos unterstrichen. Das Menschenbild der Moderne wurde verglichen mit ‘[…] dem häßlichen verbildeten Leib, den Merkmalen der Krankheit, des Lasters und der seelischen Minderwertigkeit […]’. Der Dortmunder Architekt Peter Grund löste im Oktober den kommissarischen Leiter der Düsseldorfer Kunstakademie ab. Mit der Bestellung eines Architekten verfolgte der nationalsozialistische Staat die Unterwerfung der Künste Bildhauerei und Malerei unter die Architektur. Hitler, der sich für einen genialen Architekten hielt, und gelegentlich Albert Speer Skizzen von Monumentalbauten übergab, die nach seinen Vorgaben ausgeführt werden sollten , verfolgte diese Umstrukturierung des Kunstbetriebs, was im Laufe der 12 Jahre des Dritten Reichs zur Folge hatte, dass Bildhauer und Maler der Architektur dienten, indem sie zu Gestaltern von Fassaden und Innenwänden abqualifiziert wurden und ihre individuelle Eigenständigkeit verloren. In seiner Monografie über Peiner gab Alfred Stange gerade diesem Thema breiten Raum und ging sprachlich so weit, nicht mehr vom Malen, sondern vom Bauen der Bilder zu reden, wenn er anmerkt: ‘Mit mächtigen Körpern baut Peiner seine Bilder’. Peiners Autobiografie kann entnommen werden, dass der Maler den Architekten nicht anerkannte und dass hieraus die unterschiedlichsten Streitigkeiten entstanden, die schon nach wenigen Wochen der Anstellung zur Kündigung durch den Maler führten. Ein Berliner Ministerialbeamter konnte Peiner bewegen, noch einige Monate zu bleiben. ‘Der Direktor sei ein Missgriff, aber vielleicht besserten sich die Dinge doch’, wurde er vertröstet. Besserung trat nicht ein. Als auf Beschluss Grunds an der Akademie ein SA-Sturm aufgestellt werden sollte, widersprach Peiner als einziger des Professorenkollegiums. Hieraus politischen Widerstand abzuleiten, wäre nicht korrekt, da die Ablehnung vor allem in der Person des Akademiedirektors begründet war, dem der Maler vorwarf, die Freiheit der Lehre zu beschränken. Als am 1. Mai 1934 der Akademiediener in SA-Uniform die an derMaifeier teilnehmenden Professoren und Studenten militärisch kommandierte, war der Offizier des Ersten Weltkriegs in seiner Ehre und Eitelkeit getroffen. Die Entscheidung war gefallen in Peiner reifte der Plan, sich von der Akademie abzunabeln und eine eigene Lehranstalt in seiner Wahlheimat Kronenburg zu installieren. Dass Peiner Kronenburg als eine Außenstelle der Düsseldorfer Akademie schon früh in Erwägung gezogen hatte, mag der erste Aufenthalt seiner Malklasse mit derjenigen Prof. Junghanns‘ für die Monate Mai bis Juli 1934 belegen. Der Reporter Hermann Jung berichtete in seinem Artikel ‘Kunst aus Blut und Boden’: ‘Vor zwei Monaten zogen zwei Klassen der Düsseldorfer Akademie unter der Leitung von Professor Peiner (Kronenburg) und Professor Junghanns (Düsseldorf) in die Eifel, gründeten in dem malerischen Kronenburg eine Kolonie und begannen zu arbeiten. Nicht im Atelier, nicht in der Klasse, sondern im Dorf, in der Bauernstube, im Kuhstall, auf der Schafweide, bei der Ernte, am Melkschemel, beim Dreschen. Was wußten die Schüler der Akademie früher von Blut und Boden?’ Am Ende der Exkursion wurden die Schülerarbeiten im Saal einer Gaststätte ausgestellt. Der Aufenthalt mit den Studien in und vor der Natur, auf den Bauernhöfen, in den Ställen war laut Feststellung der beiden Professoren dermaßen erfolgreich, dass für das Jahr 1935 ein weiterer Aufenthalt mit noch mehr Schülern geplant wurde. Am 12. Mai 1936 traf Junghanns nach Gründung der Landakademie wieder mit seiner ‘Klasse in Kronenburg zum Sommeraufenthalt ein. Die Studierenden […] nehmen morgens und abends an der Gemeinschaftsküche der Landakademie teil.’ In seiner Autobiografie erwähnt Peiner diesen Artikel mit seiner markigen Kopfzeile nicht. Waren die Begriffe ‘Blut und Boden’, mit denen ja durchaus seine Landschaftsbilder der frühen dreißiger Jahre charakterisiert werden können, sowohl malerisch als auch als nationalsozialistische Nomenklatur verinnerlicht? Der Kontakt zu seinem späteren Sponsor - der Begriff ist gewählt, weil damit die Interaktion von Geber und Nehmer definiert ist - Göring und damit die Einleitung in die Vereinnahmung durch den NS-Staat begann mit einer Einladung, zu der Kruspig verhalf, zu einem Sommerfest, das angeblich 1934 anlässlich der zweiten Ehe des Preußischen Ministerpräsidenten mit der Staatsschauspielerin Emmy (Emma Johanna Henny) Sonnemann ausgerichtet wurde. Da die Hochzeit erst am 10. April 1935 stattfand, konnte 1934 kein Gartenfest zu diesem Ereignis ausgerichtet worden sein. Weil aber Peiner dieses Gartenfest, das in der Villa Göring (Berlin, Leipziger Platz 11, im Park hinter dem Reichsluftfahrtministerium, dem vormaligen Amtssitz des Preußischen Handelsministers) anberaumt war, als erste Begegnung mit seinem späteren Sponsoren erinnert, ist es vielleicht ein solches zur Verlobung des Paares. Kurze Zeit darauf gelang es Kruspig, Peiner erneut mit Göring zusammenzubringen. Dieses Mal war es eine Einladung zu einem Essen in der Villa Göring, zu dem vierzehntäglich Industrielle montagnachmittags gebeten wurden. Auf der Fahrt nach Berlin schärfte Kruspig Peiner ein, um einen dreimonatigen Sonderurlaub zu bitten, da die Ehepaare Kruspig und Peiner eine Reise nach Ostafrika anzutreten gedachten. ‘Dem Wink des Mächtigen folgte die UrIaubsgenehmigung durch das Kultusministerium’ berichtet Peiner dankbar. Im Februar 1935 begann die Reise ohne Walter Kruspig, der in letzter Minute dienstlich verhindert war. Die Eindrücke der Reise nach Ostafrika verarbeitete der Maler seine gesamte Schaffenszeit über immer wieder neu. Sie ist in ihrer gedruckten Dokumentation sowie den Gemälden, nach der ‘Deutschen Erde’, die endgültige Aufnahme in die noch diffuse nationalsozialistische Kunstdoktrin, die zu dieser Zeit, vor der Aktion ‘Die Entartete Kunst’ noch nicht umfassend definiert war. Wenn Peiner in seiner Publikation ‘Das Gesicht Ostafrikas’ von den Massai berichtet: ‘Und Gott liebte die Massai ganz besonders und schuf alles Vieh der Erde nur für sie. Aber in 35 seiner Güte schuf er zu viel, so daß ihre Krale es nicht fassen konnten. Daher mußte das Vieh zum Teil bei anderen Völkern untergebracht werden und wartet dort darauf, daß die Massai es sich nach Bedarf holen […]’, dann wird hiermit die von Hitler bestimmte nationalsozialistische Expansions-Politik bis hin zur Forderung nach ‘Lebensraum im Osten’ indirekt bestätigt und ebenso bedient wie die paramilitärische Ausbildung der Hitler-Jugend, wenn er schreibt: ‘Nach der Beschneidung werden die Knaben bestimmten Altersklassen zugeteilt, die Kameradschaft pflegen, ihre Führer haben und in Freundschaft bis an ihr Lebensende verbunden bleiben. Sie sind die soldatische Jugend. Sie leben zusammen und haben mit dem Heranwachsen den Wunsch, in die Kriegerkaste - das stehende Heer - aufgenommen zu werden […]’ Es fällt auf, dass Peiner Begriffe wie Kameradschaft, Zusammenleben und Freundschaft bis ans Lebensende auch bei den Massai als ehrenwert empfindet, die er selbst 1936 im Geistigen Gesetz, welches er als Statut der Hermann Göring-Meisterschule zu Grunde legt, in besonderem Maße betont. Den nationalsozialistischen Machthabern dürften diese ‘Tugenden’ der Massai gefallen haben, da sie ihrem Weltbild und der Erziehung Jugendlicher und der Bindung erwachsener, an Waffen geschulter und in Waffen stehender Männer als Verteidiger des Reichs - welche in Wahrheit zu Aggressoren gedrillt waren - entsprachen: vom Deutschen Jungvolk zur Hitlerjugend, vom Arbeitsdienstmann im Idealfall zum Soldaten der Waffen-SS. Und der Totalitätsanspruch der Massai auf alles Vieh rechtfertigte im Voraus Annexionen, Heim-ins- Reich-Aktionen, im Schlusseffekt die Unterwerfung der gesamten Welt, wie dies in einem Symbol auf der großen Halle der Welthauptstadt Germania für alle Welt sichtbar geplant war. Als Bekrönung hält der Reichsadler nicht - wie von Speer ursprünglich vorgesehen - das Hakenkreuz in seinen Fängen, sondern - wie Hitler es abänderte - die Weltkugel. Der Maler hatte sich in seiner Publikation mit seiner Begrifflichkeit und der Auswahl seiner Schilderungen Hitlers Plänen angenähert, wie sie zwar schon in ‘Mein Kampf’ niedergelegt, durch die Goebbelssche Plakatierung des ‘Führers als Friedenskanzler’ jedoch bis zum Überfall auf Polen am 1. September 1939 verschleiert werden konnten.

Über den Autor

Dieter Pesch wurde 1944 in Viersen geboren. Nach Studienaufenthalten in Bonn und Innsbruck schloss er im Jahr 1970 sein Studium der Volkskunde in Münster ab. Bis zu seiner Verrentung 2007 leitete er für 27 Jahre das Rheinische Freilichtmuseum Kommern. Martin Pesch wurde am 1985 in Mechernich geboren. Im Jahr 2012 beendete er sein Studium der Geschichtswissenschaften an der Universität Bonn.

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