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Gesellschaft / Kultur


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Produktart: Buch
Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 02.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 532
Abb.: 13
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Mit Filmen wie Dracula und Frankenstein öffnete Hollywood das Tor zu einem dunklen, wild-romantischen Europa längst vergangener Tage. Aber wie viel an Essenz aus der Alten Welt steckt wirklich in den Horrorfilmen der Dreißiger- und Vierzigerjahre? Wie sehr basiert das Grauen auf dem für Amerikaner exotischen Touch Europas? Die Suche nach Antworten auf die Frage nach der Rolle und dem Einfluss der Alten Welt gestaltet sich ebenso vielfältig wie der Horrorfilm selbst. Dieses Buch charakterisiert das facettenreiche Genre und verweist auf historische, volkstümliche und wissenschaftliche Aspekte, die nach Europa führen. Dabei stehen auch Begriffe wie Gothic und Schwarze Romantik im Mittelpunkt der Betrachtung. Darüber hinaus porträtiert diese Studie die Menschen vor und hinter der Kamera und zeigt, welche künstlerischen und technischen Innovationen Europäer im Gepäck hatten, in welchen Bereichen sie besonders geschätzt wurden und mit welchen Schwierigkeiten sie zu kämpfen hatten.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2.2.7.2, Katholische Traditionen wider das Böse: Religiöse Praktiken stehen seit der Antike in der Tradition, Unbekanntes weniger schrecklich erscheinen zu lassen, wobei selbst der ultimativen Angst vor der Endlichkeit der eigenen Existenz entgegengewirkt werden kann. Eugen Drewermann vertritt in ‘Heilende Religion. Überwindung der Angst’ folgende These, in der er ‘religiös begründetes Vertrauen’ als stabile Basis gegenüber allen Formen von Ängsten definiert: ‘Die psychoanalytische Krankheitslehre bedarf selbst einer theologischen Vertiefung, um die Formen der Angst und der neurotischen Angstvermeidung als wesentliche, zum menschlichen Dasein unabtrennbar [sic!] gehörende Konflikte zu verstehen, die erst durch den Glauben an eine vorgängige Bejahung in Gott gelöst werden können’. Das amerikanische Horrorgenre war in den Dreißiger- und Vierzigerjahren von einer christlichen - und im Besonderen - katholischen Symbolik geprägt , um Böses abzuwehren. Kirchen - allen voran der eindrucksvolle Dom von Notre-Dame - Pfarrer, Friedhöfe, aber auch heilige Sakramente wie die Eheschließungen in ‘White Zombie’ (USA 1932, R: Victor Halperin), ‘The Black Room’ (USA 1935, R: Roy William Neill) bzw. ‘The Corpse Vanishes’ (USA 1942, R: Wallace Fox) oder simple Kreuze und sakrale Musik zählten zum gängigen Repertoire des Horrors im amerikanischen Schauerkino. In einem Exposé zu ‘Der Wolfsmensch’, das von Regisseur Robert Florey 1931 Universal vorgelegt wurde, sollte die Verwandlung zum Werwolf sogar in einem Beichtstuhl im katholischen Bayern erfolgen. Universal verwarf diese Idee jedoch aus Angst vor negativen Reaktionen seitens der katholischen Kirche. ‘The Walking Dead’ (USA 1936, R: Michael Curtiz) thematisiert die Angst vor dem Tod. In diesem Film versucht der Wissenschaftler Dr. Beaumont (Edmund Gwenn), dem Geheimnis einer möglichen Existenz nach dem Tod auf die Spur zu kommen, indem er den unschuldig hingerichteten John Ellman (Boris Karloff) wieder ins Leben zurückholt. Ohne dass Dr. Beaumont konkrete Ergebnisse erhalten hat, stirbt Ellman am Ende des Filmes ein zweites Mal - zeigt nun jedoch keinerlei Angst mehr vor dem Tod. Die Annahme eines Lebens nach dem Tod bzw. einer Existenz losgelöst von menschlicher Sterblichkeit spielt im Horrorgenre eine große Rolle. Die bekanntesten Beispiele hierfür sind die Vampir-, Frankenstein- und Mumien-Filme. Auffallend ist jedoch, dass sowohl bei Chandu als auch bei Ardath Bey, der Reinkarnation des Imhotep, ein magischer Ring eine wichtige Rolle spielt. Insbesondere als der nubische Diener vor Ardath Bey auf die Knie geht und Beys Fingerring küsst, erinnert das Szenario stark an religiöse Bräuche im Zusammenhang mit hohen geistlichen Würdenträgern, wie man sie auch im Katholizismus oder in der Anglikanischen Kirche finden kann. Ein populäres Beispiel für die Macht des Christentums ist jene Szene aus Dracula (USA 1931, R: Tod Browning), in welcher der dem Menschen körperlich überlegene Vampir vor einfachen Kreuzkettchen Angst bekommt und zurückweicht. Seine unheimlichen Kräfte scheinen beim Anblick des christlichen Symbols zu versagen. Aber auch in Verbindung mit Heiligen - besonders der Gottesmutter Maria - tritt diese symbolische Geste häufig in Erscheinung wie am Beginn von Dracula. Ähnlich gestaltet sich der Anfang von ‘The Bride of Frankenstein’ (USA 1935, R: James Whale): Nachdem die aufgebrachten Dorfbewohner meinen, das Monster getötet zu haben, wendet sich eine ältere Dorfbewohnerin (Una O’Connor) mit folgenden Worten an eine andere Frau: ‘Es war alles Teufelswerk! Schlag lieber schnell das Kreuz Martha, wenn du nicht willst, dass er [Frankensteins Monster] dich holt!’. Eine andere Strategie, um das Christentum als rettenden Anker in schwierigen Zeiten zu präsentieren, wählt Regisseur Mark Robson in ‘Bedlam’ (USA 1946). Im Zuge der Handlung stellt ein junger Quäker allein durch die Stärke und Reinheit seines Glaubens - wenngleich indirekt über seinen Einfluss auf die Heldin - eine wichtige Stütze für die vom sadistischen Leiter des ‘St. Mary’s of Bethlehem Asylum’ gequälten geistig Behinderten dar. Die Religion wird hier durch die Person des männlichen Helden als etwas besonders Positives präsentiert. Der religiöse Mann steht hier nicht nur für Gewaltlosigkeit, sondern auch für soziale Gerechtigkeit, indem er die Dekadenz des Adels anprangert und für die Ideale der Aufklärung eintritt. In ‘Dr. Jekyll und Mr. Hyde’ (USA 1941, R: Victor Fleming) beginnt die Handlung mit der Predigt eines Geistlichen anlässlich des goldenen Thronjubiläums von Königin Viktoria: ‘Mit der Reinheit des Herzens und der Gerechtigkeit in unserem Geiste, sind wir gewappnet gegen Anfechtungen und intolerant gegen alles Übel. (…) Aus ihrem Herzen quillt ein ewig wachsender Strom von Tugend und moralischer Kraft. Sie kam in eine Welt, die gottlos war und auf den Wegen der Finsternis wandelte (…)’. Religion und ein stabiles Herrschaftssystem sind zur Abwehr des Bösen und zur Sicherheit der Bürger ineinander verzahnt, um in den stürmischen Wogen irdischer Existenz nicht unterzugehen. In ‘The Bride of Frankenstein’ wirft man zwar einen kritischen Blick auf das Thema Religion, nichtsdestoweniger steht sie auch hier für ‘Heimat’ bzw. ein gewisses Gefühl von Sicherheit für diejenigen, die wie Frankensteins Monster von der Angst getrieben werden. Als dieses ziellos und verletzt durch den Wald irrt, findet es Unterschlupf und die erste positive menschliche Zuwendung bei einem blinden Einsiedler. Der Beginn ihrer kurzen, aber intensiven Freundschaft, in deren Verlauf das Monster auch sprechen lernt, wird von Schuberts ‘Ave Maria’ eingeläutet. So bemüht sich auch Sir Talbot (Claude Rains) in ‘The Wolf Man’ (USA 1941, R: George Waggner), seinen verwirrten Sohn auf den ‘rettenden Anker’ der Kirche aufmerksam zu machen: ‘(…) Time for church! You know, Larry, belief in the hereafter is a very healthy counterbalance to all the conflicting doubts man is plagued with these days (…)’. Während christliche Requisiten im Gros der Filme als Felsen in der unheimlichen Brandung eine gewisse Sicherheit vermitteln und dadurch Ängste begrenzen können, spielen Naturreligionen, Magie und fernöstlich angehauchte Praktiken, sowie die neuen Erkenntnisse der Wissenschaft eine zwielichtige Rolle im Handlungsverlauf. So kann der Glaube an die Wissenschaft rasch ins Gegenteil umschwenken wie im Falle von ‘Isle of the Dead’ (USA 1945, R: Mark Robson), in dem sich ein hochdekorierter Militär in Anbetracht der Umstände nach und nach alter Glaubensvorstellungen besinnt, um schließlich gänzlich dem Wahnsinn zu verfallen. In ‘White Zombie’ (USA 1932, R: Victor Halperin) und ‘I Walked with a Zombie’ (USA 1943, R: Jacques Tourneur) steht der exotische Voodoo-Zauber vor kolonialem Ambiente im Zentrum des Interesses, während in Filmen wie ‘The Mummy’ (USA 1932, R: Karl Freund) oder der Chandu-Serie mit Bela Lugosi mehr oder weniger direkt alten ägyptischen Religionen gefrönt wird. Rassistisch verzerrte Interpretationen fernöstlicher Religionsvorstellungen finden sich bei Produktionen wie ‘The Mask of Fu Manchu’ (USA 1932, R: Charles Brabin) oder ‘The Mysterious Mr. Wong’ (USA 1934, R: William Nigh). Während die Handlung in ‘The Mysterious Mr. Wong’ in ihrer Form stark an einen amerikanischen Krimi erinnert und erst durch das mystische Element der ‘Prophezeiung der zwölf Münzen’, die hier Konfuzius zugeordnet wird, die Schwelle zum Horrorgenre überschreitet, wird in ‘The Mask of Fu Manchu’ noch ausgiebiger und lustvoller gefoltert als im ersten Streifen. Soll das Christentum die Furcht vor dem Unheimlichen in Grenzen halten, so bedingt das Einbringen geheimnisvoller Sekten eine Entwicklung in die andere Richtung: Im Film ‘The Black Cat’ (USA 1943, R: Edgar G. Ulmer) entpuppt sich der Gastgeber Poelzig, gespielt von Boris Karloff, als Anführer einer Teufelssekte, aber auch in Val Lewtons Produktion ‘The Seventh Victim’ (USA 1943, R: Mark Robson) gerät ein Mädchen in die Fänge einer zwielichtigen Sekte und damit in Todesgefahr. Bereits der Gedanke, einer Sekte anzugehören, wirkt sich auf die Heldin in ‘Cat People’ (USA 1943, R: Jacques Tourneur) verhängnisvoll aus und zerstört nach und nach ihr Leben.

Über den Autor

Silvia Kornberger studierte Geschichte und Geografie in Graz sowie Theater-, Film- und Medienwissenschaften in Wien. Die Autorin arbeitet heute vorwiegend im journalistischen Bereich. Auf wissenschaftlicher Ebene verweisen ihre Publikationen auf die Schwerpunkte Zeitgeschichte sowie Theater- und vor allem Filmwissenschaft.

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