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Gesellschaft / Kultur


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Produktart: Buch
Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 06.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 168
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die die Strapazen der Flucht aus ihrem Heimatland aufgenommen haben, finden sich, einmal in der Bundesrepublik Deutschland angekommen, in einem gesetzlichen Spannungsfeld wieder. Zum einen gelten für sie, wie für alle deutschen Kinder und Jugendlichen auch, die rechtlichen Bestimmungen des SGB VIII als Teil des Kinder- und Jugendhilfegesetzes. Zum anderen unterliegen ihre Zukunftschancen hierzulande den gültigen Regelungen des Ausländerrechts. Doch nicht nur die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge selbst müssen sich in dieser teilweise brisanten Kontroverse der Rechtslagen zurechtfinden. Als direkt in dieser Thematik agierenden sozialpädagogischen Instanzen sind darüber hinaus auch die Vertreterinnen und Vertreter der Kinder- und Jugendhilfe gefragt, sowohl mit dem SGB VIII als auch mit den ausländerrechtlichen Anordnungen als Grundlage professionellen Handelns zu arbeiten. Doch hat das Spannungsfeld zwischen dem SGB VIII und dem deutschen Ausländerrecht tatsächlich signifikante Auswirkungen auf die sozialpädagogische Praxis der Kinder- und Jugendhilfe? Wie die Akteurinnen und Akteure der Kinder- und Jugendhilfe diese Situation ihrerseits einschätzen und bewerten ist die zentrale Frage, der in diesem Buch mithilfe einer qualitativ-empirischen Forschung auf den Grund gegangen wird.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 5, Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge - Deutsches Ausländerrecht: Bevor im Folgenden die ausländerrechtlichen Maximen erläutert werden, ist es wichtig, anzumerken, dass sich das deutsche Ausländerrecht auf diverse weitere Rechtslagen stützt, die hier immanenten Regelungen also im Zusammenhang mit anderen Gesetzesquellen zu sehen sind (vgl. Dienelt 2012, S. XI). Zu nennen sind diesbezüglich neben dem nationalen Recht das Recht der Europäischen Union (EU) sowie das Völkerrecht (vgl. ebd.). Demnach besitzen völkerrechtliche Übereinkommen, wie z.B. die Genfer Flüchtlingskonvention oder die im Vorfeld erwähnte UN- Kinderrechtskonvention, im Zusammenspiel der ausländerrechtlichen Regelungen die oberste Priorität. Damit gelten vorrangig die hier festgelegten Statuten, vorausgesetzt, sie wurden zuvor in das national geltende Recht transformiert, sind unmissverständlich und es wurde diesbezüglich kein expliziter Vorbehalt eingeschoben (vgl. Hailbronner 2008, S. 21). Entstehen bei der Auslegung der nationalen Gesetze Unklarheiten, dominiert die entsprechende Perspektive des Völkerrechts (vgl. ebd.). Die Anwendung des EU-Rechts steht in der Rangfolge der Normen unter den völkerrechtlichen Übereinkommen. Das heißt, dass neben der völkerrechtlichen Jurisdiktion auch die Rechtslage der EU Vorrang vor dem innerstaatlichen Recht hat (vgl. ebd.). Das Zusammenwirken dieser Normenhierarchien stellt nicht den einzigen Grund für die Unübersichtlichkeit der geltenden ausländerrechtlichen Bestimmungen dar, vielmehr ist hierfür auch die ständige Reformierung bestehender Konstitutionen verantwortlich (vgl. ebd.). Für das Erstellen dieses Fachbuches wurde versucht, die jeweils aktuelle Version der Gesetzestexte einzubeziehen. Es kann allerdings aufgrund der genannten Komplexität und der kontinuierlichen juristischen Umgestaltung keine verbindliche Garantie diesbezüglich gewährt werden. Des Weiteren beschränken sich die Ausführungen trotz der Relationen der Gesetzesebenen untereinander auf das deutsche Ausländerrecht, da die Kapazität der vorliegenden Erläuterungen eine detaillierte Berücksichtigung sowohl des EU- als auch des Völkerrechts nicht zulässt. 5.1, Ausländerrechtliche Grundlagen: Der dem Ausländerrecht zugrunde liegende Gedanke beruht auf der Definition der rechtlichen Situation von Ausländer/innen, insbesondere was die entsprechenden Bestimmungen zur Einreise und zum Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland betrifft (vgl. Hailbronner 2008, S. 11). Neben der Kontrolle über den Zuzug von Ausländer/innen liegt die Zuständigkeit des Ausländerrechts darin, Bestimmungen zur Integration zu treffen. Zudem soll es für die Erfüllung der humanitären Verpflichtungen, die die Bundesrepublik in völkerrechtlichen Übereinkommen eingegangen ist, sorgen (vgl. ebd.). Im Gegensatz zu dem oben dargestellten aktuell geltenden Zusammenspiel von diversen Gesetzesgrundlagen, war das Ausländerrecht in seinen Ursprüngen vor allem auf die nationale Gesetzgebung ausgelegt. Außerdem war es dem besonderen Polizeirecht immanent, was der damals verwendete Terminus ,Ausländerpolizeiverordnung‘, der ab dem Jahr 1938 verwendet wurde, verdeutlicht (vgl. Hailbronner 2008, S. 12). Diese Verordnung war bis zum Jahr 1965, in dem das Ausländergesetz verabschiedet wurde, geltend (vgl. ebd.). Das von da an gültige Ausländergesetz wurde im Jahr 1990 novelliert, die Bezeichnung wurde aber beibehalten (vgl. ebd.). Nach einigen kontroversen Diskussionen im Bundestag und Bundesrat und gescheiterten Entwürfen für die Erstellung einer neuen ausländerrechtlichen Bestimmung, trat am 1. Januar 2005 schließlich das Zuwanderungsgesetz (ZuwG) in Kraft und löste damit das Ausländergesetz ab (vgl. ebd.). Die Intention des neuen Zuwanderungsgesetzes lag darin, das Ausländerrecht grundlegend zu revidieren und zu reformieren, wobei die drei Aspekte Steuerung, Begrenzung und Integration von besonderem Interesse waren (vgl. ebd.). Faktisch wurde vor allem die Vereinfachung der Rechtslage und der Asylverfahren in den Vordergrund gestellt, so gelten z.B. seit der Einführung des Zuwanderungsgesetzes, anders als im Ausländergesetz von 1990, das für unterschiedliche Aufenthaltszwecke jeweils verschiedene Aufenthaltstitel vorsah, nur noch zwei Aufenthaltstitel: die Aufenthaltserlaubnis (befristetes Aufenthaltsrecht) und die Niederlassungserlaubnis (unbefristetes Aufenthaltsrecht) (vgl. ebd.). Des Weiteren wurde im Zuge der Reformierung konstituiert, dass der Handlungsrahmen bezüglich der Durchführung von Asylverfahren vereinheitlicht wird. Demnach ist nun das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dafür zuständig, dass bei Asylverfahren in allen Außenstellen konforme Entscheidungen getroffen werden. Der Posten des/der Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten, der/die sich zuvor um eine einheitliche Entscheidungspraxis kümmerte, wurde somit abgeschafft (vgl. http://www.bamf.de [Stand: 29.07.2012]. Das Zuwanderungsgesetz von 2005 enthält diverse einzelne Gesetze, wie das Aufenthaltsgesetz und das EU/Freizügigkeitsgesetz. Darüber hinaus beinhaltet es Änderungen des Asylverfahrensgesetzes, des Ausländerzentralregistergesetzes und des Staatsangehörigkeitsgesetzes (vgl. http://www.zuwanderung.de [Stand: 29.07.2012]). Im Zuge der Reformierung ist mit dem Richtlinienumsetzungsgesetz (RiliUmsG) am 28. August 2007 eine weitere Verordnung in Kraft getreten, die wiederum Auswirkungen auf die Bestimmungen des Ausländerrechts hat (vgl. Hailbronner 2008, S. 13). Die entsprechende Notwendigkeit für ein solches Gesetz ergab sich aus der zuvor dargestellten Normenhierarchie bezüglich des EU-Rechts und der nationalen Bestimmungen. Demnach wurden mit Hilfe des Richtlinienumsetzungsgesetzes elf aufenthalts- und asylrechtliche Statuten der Europäischen Union in das deutsche Recht transformiert (vgl. ebd.). Die hier dargestellten Änderungsprozesse verdeutlichen, dass sich das Ausländerrecht in einem (ständigen) Wandel befindet. Hinsichtlich der Anwendung spezifischer Bestandteile des Ausländerrechts ist die Frage nach der Herkunft der Ausländer/innen relevant, da rechtlich zwischen den so genannten Drittstaatsangehörigen und den EU- Bürger/innen unterschieden wird, wobei für manche Nicht-EU-Staatsangehörige (z.B. aus der Schweiz oder der Türkei) Sonderregelungen gelten (vgl. Hailbronner 2008, S. 13.). Mit dem Begriff Drittstaatsangehörige werden alle Menschen bezeichnet, die nicht Bürger/in eines EU-Staats sind (vgl. http://www.bamf.de [Stand: 29.07.2012]), was folglich auch, auf den Großteil der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge zutrifft. Drittstaatsangehörige unterliegen in der Bundesrepublik Deutschland nicht nur dem Aufenthalts- und dem Asylverfahrensgesetz, sondern auch der Aufenthaltsverordnung, der Beschäftigungsordnung, dem Ausländerzentralregistergesetz, dem Staatsangehörigkeitsgesetz, dem Bundesvertriebenengesetz, dem Asylbewerberleistungsgesetz und der Bestimmung zur Arbeitsförderung gemäß SGB III. Bezüglich der Thematik der UMF spielen aufgrund der Tatsache, dass sie minderjährig und ohne elterliche Fürsorge nach Deutschland einreisen, insbesondere aber das Aufenthalts- und das Asylverfahrensgesetz eine Rolle. So gehen sie beispielsweise keiner beruflichen Beschäftigung nach oder nehmen nur im seltenen Fall von nicht gewährten Jugendhilfeleistungen finanzielle Unterstützungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Anspruch (vgl. Voigt in: Dieckhoff (Hrsg.) 2010, S. 51). Bevor im Folgenden auf die Einzelheiten des Aufenthalts- und Asylverfahrensgesetzes eingegangen wird, soll zunächst mit der Erwähnung des § 16a GG (Grundgesetz) eine deutsche ausländerrechtliche Besonderheit thematisiert werden. Der entsprechende Grundsatz im § 16a GG, der explizit Ausländer/innen zusteht (vgl. http://www.bamf.de [Stand: 29.07.2012]), lautet: ‘(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.’ (Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.) 2003, S. 19). Demnach verpflichtet sich die Bundesrepublik Deutschland nicht nur wegen ihrer Zustimmung zur Genfer Flüchtlingskonvention der Gewährung von Asyl, sondern räumt politisch Verfolgten mit der Jurisdiktion nach § 16a GG ein Grundrecht auf ihr Asylbegehren ein (vgl. http://www.bamf.de [Stand: 29.07.2012]). Allerdings erfährt diese Bestimmung sogleich mit dem Absatz 2 desselben Paragraphen, dem so genannten ,Asylkompromiss‘, eine Einschränkung, die am 6. Dezember 1992 seitens der CDU/CSU, FDP und SPD beschlossen wurde und die Möglichkeit des politisch motivierten Asyls stark beeinflusste (vgl. Apitzsch in: Dieckhoff (Hrsg.) 2010, S. 83).

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