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- Transitional Justice unter dem Regime Hun Sens: Der Kriegsverbrecherprozess in Kambodscha
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Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 10.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 124
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Mehr als 30 Jahre nach dem Ende der Schreckensherrschaft der Roten Khmer, nach vietnamesischer Okkupation und Bürgerkrieg versuchen Kambodscha und die Vereinten Nationen gemeinsam die Hauptverantwortlichen für den sogenannten 'Auto-Genozid' zur Rechenschaft zu ziehen. Hierzu wurde der innovative Ansatz eines hybriden Gerichtshofs gewählt, der nicht nur für Gerechtigkeit sorgen, sondern darüber hinaus einen Wissenstransfer auslösen und die lokale Zivilgesellschaft stärken soll. Die Vermittlung rechtsstaatlichen Know Hows sowie die nationale und internationale Verflechtung zivilgesellschaftlicher Akteure, können – im besten Fall – sogar zur Konsolidierung der Demokratie in Kambodscha beitragen. Doch die Realität sieht anders aus. Seit Mitte der 90er Jahre verwandelt Premierminister Hun Sen das geschundene südostasiatische Land mehr und mehr zu einer autoritären Diktatur, in der Zensur und Selbstzensur, politische Einschüchterung und vielfältige Formen der Korruption an der Tagesordnung sind. Der oberste Patron des Landes zieht Seilschaften bis in das formell unabhängige international-kambodschanische Gericht und gefährdet damit den ersehnten Versuch der Aufarbeitung und Versöhnung. Trotz dieser problematischen Situation gibt es einige Lichtblicke. So arbeiten nationale und internationale NGOs daran, der Bevölkerung die Arbeit und den Sinn des Kriegsverbrecherprozesses zu erläutern. Dabei kommen diese Akteure - unter dem Schutzmantel erhöhter internationaler Aufmerksamkeit - ihrer demokratietheoretischen Schutz- und Kontrollfunktion nach, sorgen für eine rege Opferbeteiligung, offerieren rare Dienstleistungen und schaffen eine Vorstellung von Rechtsstaatlichkeit in der Bevölkerung.
Textprobe: Kapitel 3.4.2, Stellung im kambodschanischen Rechtssystem: Mit dem kambodschanischen Sondergerichtsgesetz wurde ein neues kambodschanisches Gericht geschaffen, dass wie erörtert wurde in seiner sachlichen und personellen Zuständigkeit sehr eingeschränkt ist. Die ECCC genießen keine vorrangige Stellung im kambodschanischen Rechtssystem (vgl. Erlmann 2007: 81) und das Abkommen mit den Vereinten Nationen regelt lediglich die kambodschanisch-internationale Zusammenarbeit (vgl. Dyrchs 2008: 127). Die Beteiligung der Vereinten Nationen an einem nationalen kambodschanischen Gericht wird ambivalent betrachtet. So liege in der Kooperation einerseits die Chance der Etablierung rechtsstaatlicher Standards (vgl. Dyrchs 2008: 244). Die Unterstützung der Vereinten Nationen könne jedoch andererseits auch als Vorbild für andere Staaten dahingehend fungieren, dass das kambodschanische Rechtssystem als den Anforderungen der Vereinten Nationen entsprechend betrachtet werde, und man seitens dieser Staaten somit keine Bemühungen zur Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien tätigen müsse (vgl. Erlmann 2007: 95). Dem setzt Susanne Dyrchs jedoch entgegen, dass sich die Vereinten Nationen eine Rücktrittsoption für den Fall vorbehalten hätten, dass die kambodschanische Regierung nicht zu ihren Absprachen stehe (vgl. Dyrchs 2008: 238), zu denen schließlich auch die Garantie von rechtsstaatlichen Verfahren gehören. Da sich das kambodschanische Sondergerichtsgesetz und das Abkommen mit den Vereinten Nationen teilweise unterscheiden oder zumindest unterschiedlich interpretiert werden können, stellt sich die Frage, ob das Abkommen oder das Sondergerichtsgesetz eine vorrangige Stellung einnimmt. Hierzu bemerkt Dyrchs: ‘Auch wenn das EC-Statut [Anmerkung F.P.: Sondergerichtsgesetz] das Khmer-Rouge-Tribunal in Teilen konkreter bestimmt als das Abkommen selbst, so hat das Abkommen völkerrechtlich Vorrang gegenüber abweichenden Vorschriften des EC-Status und anderem kollidierenden, nationalem, kambodschanischem Recht.’ (Dyrchs 2008: 122). Zu diesem Schluss kommt auch Sabine Schulz, die erörtert, dass das Abkommen Verfassungsrang genieße und im Zweifelsfall daher eher das Sondergerichtsgesetz abgeändert werden müsse (vgl. Schulz 2009: 162). Bereits im Vorfeld der Etablierung der ECCC gab es Unstimmigkeiten zwischen den Vereinten Nationen und der kambodschanischen Regierung darüber, ob denn das Sondergerichtsgesetz oder das gemeinsame Abkommen eine prioritäre Stellung genieße (vgl. Schulz 2009: 159f.). Sollte es zum offenen Konflikt kommen, so könnte Kambodscha aus Gründen der nationalen Souveränität auf den Vorrang des Sondergerichtsgesetz beharren, was letztlich zum Rückzug der Vereinten Nationen führen könnte. Insgesamt ist der Charakter der ECCC als nationales kambodschanisches Gericht problematisch zu betrachten. So sollen die ECCC zwar rechtsstaatliche Strukturen stärken, die Ausgangslage hierfür könnte jedoch kaum ungünstiger sein: ‘Extraordinairy Chambers have been grafted onto an exceptionally dysfuntional criminal justice system. A system that cannot even deal adequately with ordinary crimes is being made to support the prosecution of the most serious crimes in the international order.’ (Linton 2007: 225f.) Auch bei der Rekrutierung des Personals offenbaren sich weitere Schwachstellen der ECCC, die letztlich auf den nationalen Charakter der ECCC zurückgeführt werden können. Das folgende Kapitel gilt deshalb der Darstellung der Rekrutierung des Personals und, immer hinsichtlich der zentralen Aufgabe der ECCC faire und neutrale Prozesse zu gewährleisten, den Folgen der Rekrutierungsmechanismen, die als Ausgangspunkt für korrupte Praktiken bei den ECCC gesehen werden können.
Felix Paul, geb. 1984, studierte Politikwissenschaft in Gießen, Brüssel und Marburg, wo ihm 2010 der Titel Magister Artium verliehen wurde. Seine Interessen liegen vor allem in politischen Transformationsprozessen in Südostasien, in internationalen Konflikten und Konfliktlösungen/Konfliktregelungen sowie in der europäischen Integration. Nach einer einjährigen Anstellung am Institut für Politikwissenschaft der Philipps-Universität Marburg strebt Felix Paul den Master in Verwaltungswissenschaften der Universität Potsdam an.
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