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Gesellschaft / Kultur


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Produktart: Buch
Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 09.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 264
Abb.: 11
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Während es den meisten Menschen heutzutage schwerfällt, sich mit Tod und Sterben auseinanderzusetzen, beschäftigen sich gerade Kinder und Jugendliche - ob mit oder ohne Behinderung - oftmals noch weitaus unbefangener mit existentiellen Fragen. Sie sind fasziniert von toten Tieren, machen sich weitreichende Gedanken über todbezogene Phänomene und versuchen ihre Einstellungen und Gefühle zu diesen zu klären, indem sie unbequeme Fragen stellen. Wir Erwachsene sind gut beraten, wenn wir diesen nicht ausweichen, sondern versuchen, ihnen zu einem besseren Umgang mit dem Tod verhelfen, indem wir ihnen Möglichkeiten der Auseinandersetzung mit der Thematik anbieten und unsere Unterstützung bei der Bewältigung von Trauer gewährleisten. Gerade Kinder und Jugendliche mit geistiger Behinderung benötigen hierbei verstärkt unsere Hilfe. Hierzu möchte der Autor mit seinem Fachbuch das nötige Hintergrundwissen sowie praktische Handlungsimpulse geben. Zunächst zeigt Martin Bube den gesellschaftlichen Umgang mit Tod und Sterben auf und skizziert die Folgen für die heutige Jugend und deren Todesvorstellungen, um daraus die pädagogische Relevanz des Themenkreises Sterben-Tod-Trauer für die Schule zu begründen. Im empirischen Teil der Studie gibt er einen Überblick über den bisherigen Forschungsstand zu den Todesvorstellungen und dem Todeserleben geistig behinderter Jugendlicher und schildert die Ergebnisse einer eigenen explorativen Interviewstudie mit neun Jugendlichen mit geistiger Behinderung über deren Erleben und Bewältigung von Sterben und Tod. Ausgehend von diesen Ergebnissen werden im abschließenden Praxisteil mit einer eigens ausgearbeiteten und im Unterricht erprobten Unterrichtssequenz eine Möglichkeit der Thematisierung von Tod und Sterben in Form einer Projektwoche vorgestellt und die generellen Auswirkungen von thanatalen Unterrichtsprogrammen zusammengefasst. Ziel des Buches ist es, dem Tod als wichtigem Lebensthema einen angemessenen Stellenwert in der Schule einzuräumen und den Förderschullehrern Mut zu machen, sich dieser Thematik im Unterricht zu stellen. Nur so können geistig behinderte Kinder und Jugendliche bereits im Schulalter lernen, den Tod als Teil des Lebens zu verstehen.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 5.2, Das Trauerverhalten von Kindern und Jugendlichen: Bevor wir die Trauer bei Kindern und Jugendlichen näher betrachten, muss das Phänomen der Trauer definiert werden, um differenzierte Aussagen darüber machen zu können. Oftmals wird in der Literatur unter Trauer entweder die Reaktion auf einen Verlust oder der Bewältigungsversuch dieses Verlustes verstanden (vgl. Gebhard 1994, 191/ Reuter 1997, 49). Da meines Erachtens beide Aspekte den Begriff ‘Trauer’ ausmachen, muss eine Definition auch beide beinhalten. Als Trauer bezeichne ich somit die emotionale Reaktion auf den schmerzhaften Verlust eines geliebten Objekts oder einer Person und den daran anschließenden Prozess, diesen Verlust zu bewältigen. Diese Erklärung macht deutlich, dass Trauer gleichzeitig als natürliche Reaktion und als Bewältigungsprozess auf alle Arten von Verlust angesehen werden muss und immer von der persönlichen Wahrnehmung abhängig ist (vgl. Rando 2003, 181). Wie für ein umfassendes Verständnis des Todes ebenfalls im Laufe der Entwicklung Komponenten erworben werden müssen, so muss jeder Mensch auch gewisse kognitive und emotionale Voraussetzungen besitzen, um überhaupt trauern zu können (vgl. Gebhard 1994, 192ff/ Aymanns et al. 1987, 183f/ Plieth 2002, 122ff/ Iskenius-Emmler 1988, 126ff): Das Kleinkind muss die Fähigkeit zur Objekt- bzw. Personenpermanenz erworben haben, um über die andauernde Existenz von Objekten bzw. Personen, auch wenn diese nicht zu sehen sind, zu wissen. Notwendig hierzu ist ein stabiles Verhältnis zu einer Person, die in ihrer eigenen Wesensart positiv wahrgenommen werden muss und eine emotionale Verbundenheit zwischen beiden Personen zulässt. Wenn das Kind eine Person, die plötzlich nicht mehr vorhanden ist, nicht vermisst, kann es auch keine Trauer empfinden. Eng verknüpft mit der Personenkonstanz ist das Vorstellungs- und Erinnerungsvermögen. Man muss sich an die abwesende Person erinnern können und sie sich intern vorstellen können, um trauern zu können. Dazu ist ein grobes Verständnis von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft notwendig. Außerdem wird oftmals der Besitz eines realistischen Todesverständnisses als Voraussetzung für die Fähigkeit zur Trauer genannt. Besonders die irreversible Komponente des Todeskonzepts scheint dabei ein wichtiger Faktor, denn jeder Mensch muss, bevor er richtig trauern kann, zuerst verstanden haben, dass mit dem Eintritt des Todes der geliebte Mensch endgültig verloren ist und nicht wieder zurückkommen kann. Diese Voraussetzung würde aber gerade jüngeren Kindern die Fähigkeit zu trauern absprechen, da diese ja noch kein reifes Todeskonzept erlangt haben können. Es stellen sich also folgende Fragen: Können kleine Kinder wirklich nicht trauern? Erlernen sie diese Fähigkeit erst im Zuge ihrer emotionalen und kognitiven Entwicklung der Todesvorstellung? Das ist kaum vorstellbar, da es sich sonst nur schwer erklären lässt, dass bereits kleine Kinder Trauerreaktionen zeigen, wenn eine geliebte Person einfach nicht mehr da ist. Anscheinend können Kleinkinder auch ohne voll entwickeltes Todeskonzept Trauer empfinden, allein aufgrund der Tatsache, dass eine geliebte Person nicht mehr vorhanden ist. Sie erkennen es auch an den Trauerreaktionen ihres Umfelds. Das Todeskonzept und die damit verbundene Fähigkeit zur Unterscheidung zwischen Schlaf, Reise und Tod mag eine gewisse Hilfe sein, das Wegsein des geliebten Menschen zu erklären, aber es ist wohl keine Voraussetzung, um Trauer zu empfinden, sondern eher um diese zu bewältigen. Trauer als natürliche Reaktion auf einen Verlust zeigen also schon Kleinkinder ab 17 Monaten, da sie über Personenpermanenz, Erinnerungsvermögen und Zeitvorstellung verfügen (vgl. Aymanns et al. 1987, 182/ Bowlby 1983, 571f). Der weitere Verlauf der Trauer ist allerdings abhängig vom kognitiven Entwicklungsstand des Kindes. Eine vollständige Verarbeitung des Verlustes ist nur möglich, wenn das Kind eine realistische Vorstellung vom Tod besitzt (vgl. Iskenius-Emmler 1988, 125/ Leist 1982, 160). Eine Trauerarbeit, so schmerzlich sie auch sein mag, ist aber auch für das Kind bei schweren Verlusten notwendig, um diese Verluste zu bewältigen und um die dadurch eingetretene Veränderung der Realität zu akzeptieren. Dazu sind Kinder, die noch kein reifes Todeskonzept entwickelt haben, wie wir gesehen haben, nicht in der Lage. Sie sind verstärkt auf Hilfe von außen angewiesen. Laut John Bowlby ist es durchaus schon sehr kleinen Kindern mit der nötigen Unterstützung möglich eine gelingende Trauerarbeit zu leisten (vgl. Bowlby 1983, 32/ Iskenius-Emmler 1988, 142). Eltern und Erzieher müssen dem Kind helfen die psychosozialen Bindungen zum Verstorbenen aufzuheben, sich mit dem Verlust abzufinden und in der neu entstandenen Ordnung der Welt weiterzuleben (vgl. Rando 2003, 182). Folgende sechs Prozesse muss laut Therese Rando jeder Trauernde erfolgreich abschließen, um den Verlust in gesunder Weise zu bewältigen (vgl. Rando 2003, 187ff): - Den Verlust erkennen (Den Tod akzeptieren). - Auf die Trennung reagieren (Schmerzen spüren und ausdrücken). - Sich auf den Verstorbenen rückbesinnen und die Beziehung nachempfinden (Lockern der alten Beziehung). - Die alten Bindungen an den Verstorbenen und an die alte angenommene Welt preisgeben (Loslassen der Beziehung). - Sich neu ordnen, um sich anpassungsfähig in die neue Welt zu begeben, ohne die alte zu vergessen (Verarbeiten des Verlusts durch Anpassen an die neuen Umstände). - Neu investieren (Neue Rollen, Ideale und Ziele finden). Gerade die Individualität und Heterogenität des Trauerverlaufs machen allgemeingültige Aussagen über die ideale Trauerverarbeitung äußerst schwierig. ‘Die’ Trauer kann es nicht geben, da jeder Mensch in seinem Handeln, Denken und Fühlen einzigartig ist (vgl. Schlund 2004, 52). Dennoch haben Forscher wie Bowlby, Kast und Spiegel versucht anhand von Einzelfallbeobachtungen eine bestimmte Phasenabfolge der Trauer herzuleiten, um so den Ablauf der Trauer besser verstehen zu können. Insgesamt zeigt sich eine große inhaltliche Übereinstimmung der verschiedenen Phasenmodelle, so dass ich kurz eines davon exemplarisch vorstellen möchte, da empirische Untersuchungen zur Trauer immer noch Mangelware sind (vgl. Bowlby 1983, 18). Es stammt von Verena Kast und umfasst vier Phasen. Es besitzt wie die anderen Phasenmodelle jedoch nur einen geringen Gültigkeitsanspruch, da die Beschreibung und Analyse der Trauersymptome nicht durch wissenschaftliche Untersuchungen begründet sind, sondern nur auf therapeutisch-seelsorgerischen Gesprächen basieren. Eine Übersicht über die einzelnen Kritikpunkte an den Phasenmodellen findet sich an anderer Stelle (vgl. Zingrosch 2000, 108f/ Samarel 2003, 138f). So stellt das Phasenmodell kein allgemeingültiges Modell des Trauerns und schon gar keine feste mechanische Abfolge dar, sondern vielmehr eine sehr subjektive Stadienvorstellung, die Trauersymptome erkennbar macht und lediglich als Verstehenshilfe für den Umgang mit trauernden Menschen gedacht ist. Weitgehend analog zum Sterbeprozess vollzieht sich auch der Trauerprozess (vgl. Kast 1982, 61ff): - Nicht-wahrhaben-Wollen (Leugnen des Todes). - Aufbrechende Emotionen (z. B. Zorn, Wut, Schmerz, Schuldgefühle). - Suchen und Sich-Trennen (Erinnerung an den Verstorbenen und Akzeptanz des Verlustes). - Neuer Selbst- und Weltbezug (Langsame Aufgabe des Schmerzes und zunehmende Öffnung zu anderen Personen). Wie erwähnt stellen die vier Phasen nur grobe Züge des Trauerverlaufs dar, um menschliche Trauersituationen begreiflicher zu machen. In Wirklichkeit gestaltet sich die Trauer in Ausdruck, Intensität und Dauer individuell und persönlich sehr verschieden (vgl. Burgheim et al. 1999, 9/ Brüllmann 2005, 111/ Rando 2003, 184). Gerade Kinder trauern sehr sprunghaft und spontan und zeigen eine große Bandbreite an Trauermöglichkeiten von Weinen über aggressives oder störrisches Verhalten bis hin zu stiller Trauer oder Blödeleien (vgl. Plieth 2002, 104/ Ennulat 2003, 55f/ Burgheim et al. 1999, 10). Dennoch ist das Trauerverhalten von Erwachsenen und Kindern sehr ähnlich (vgl. Bowlby 1983, 27). Weiterhin lassen sich bestimmte Einflussfaktoren der Trauer benennen, von denen die Intensität und die Dauer der Trauer abhängig sind (vgl. Rando 2003, 184/ Schroeder et al. 2000, 226f/ Schlund 2004, 61ff/ Rieck/Ulshoefer 1999, 4/ Bowlby 1983, 224): - Psychologische und physiologische Faktoren (Bedeutung des Verstorbenen, Persönlichkeitsmerkmale des Trauernden, Todesumstände). - Persönlichkeitsvariablen (Alter, Geschlecht, Entwicklungsstand, bereits gemachte Erfahrungen, Schuldgefühle, Religionszugehörigkeit, gewisse Fähigkeit, wie z. B. Gefühle wahrzunehmen und mitzuteilen, Distanz und Kontinuität herzustellen, Hilfe zu fordern und anzunehmen). - Soziale Faktoren (Unterstützung durch Gemeinschaft, sozioökonomischer Status, gesellschaftliche Rituale, ethnische Zugehörigkeit). - Genauere Ergebnisse zu den einzelnen Determinanten möchte ich nicht nennen, sondern mich nun angesichts des Themas meiner Arbeit dem Umgang mit Tod und Trauer bei geistig behinderten Jugendlichen zuwenden.

Über den Autor

Martin Bube, Förderschullehrer und Diplom-Pädagoge, wurde 1980 in Lindau/B. geboren. Sein Studium der Sonderpädagogik auf Lehramt mit der Fachrichtung geistige Behinderung sowie sein Pädagogikstudium an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg schloss er im Jahre 2008 mit dem ersten Staatsexamen und dem Diplom erfolgreich ab. Bereits während des Studiums sammelte der Autor umfassende praktische Erfahrungen im Umgang mit behinderten Menschen. Sechs Monate verbrachte er in Südafrika, um an zwei Förderzentren in den Townships zu unterrichten. Das zweite Staatsexamen absolvierte Martin Bube 2010 an der Römerbrunnenschule in Weißenburg. Seitdem arbeitet er als Förderschullehrer an der Hermann-Keßler-Schule in Möttingen (Ries). Während seines Studiums begann er sich mit besonderem Interesse der Thematik des vorliegenden Buches zu widmen.

weitere Bücher zum Thema

Akademisierung in der Pflege. Aktueller Stand und Zukunftsperspektiven

Unveränderte Neuausgabe

ISBN: 978-3-95935-596-4
EUR 49,90


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