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Gesellschaft / Kultur

Harald Reichelt

Spiritualität und die Wissenschaft

ISBN: 978-3-95425-542-9

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Produktart: Buch
Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 07.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 176
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Das grundsätzliche Verständnis für Spiritualität unterscheidet sich ebenso wie ihre konkrete Ausprägung. Der Begriff Spiritualität hat heute ein sehr weites Spektrum an Bedeutungsnuancen erfahren, die je nach Weltanschauung, konfessioneller Bindung und persönlicher Bildung in der Formulierung differieren können. Eine Begriffsbestimmung wird überdies dadurch erschwert, weil vor allem im englischsprachigen Schrifttum die Begriffe Religiosität und Spiritualität häufig synonym verwendet werden. Viele dieser Definitionen, die für Spiritualität, Religiosität und Religion in diversen religionswissenschaftlichen, soziologischen, philosophischen und psychologischen Abhandlungen angegeben werden, können zwar einander ähneln, aber sie beschreiben meist nur ganz spezielle Aspekte der Spiritualität. Wenn Spiritualität als das Kernelement jeder Religion aufzufassen ist , wie könnte man sie dann in Zukunft in den religionswissenschaftlichen Debatten ausklammern wollen? Sicher sind methodologische Abgrenzungen gegenüber den unbedachten und unreflektierten Äußerungen zum Thema Spiritualität erforderlich, denn nicht jede beliebige, wenn auch Gemeinschaft fördernde menschliche Tätigkeit kann – zumindest aus religionswissenschaftlicher Sicht - auch als spirituell bezeichnet werden, weil nicht jede menschliche Tätigkeit spirituellen Charakter aufweisen kann, auch wenn sie unter Umständen von einigen Soziologen so gesehen werden soll. Die neuesten Erkenntnisse der naturwissenschaftlichen Disziplinen scheinen heute durchaus in der Lage zu sein, eine geistlose , materialistische Welterklärung und eine ganz neue Sicht hinsichtlich der Entstehung der Welt und des Lebens offerieren zu können, aber schon im vorigen Jahrhundert hat die Entdeckung der Quantenphysik den Glauben an die Exaktheit, Richtigkeit und Wahrhaftigkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse ins Wanken geraten lassen, weil sie doch allen bisher anerkannten und logischen Gesetzen der klassischen Physik zu widersprechen scheint. Daher ist es an der Zeit, ein neues Weltbild zu konstruieren, das den heutigen natur- aber auch geisteswissenschaftlichen Erkenntnissen gerecht werden kann.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3., Wissen, Glauben und die Spiritualität: Wissen: heißt Kenntnis haben von etwas. Aber wie kommt man zu Wissen? Der Wissenserwerb erfolgt in der Gesellschaft, weshalb zu fragen ist, ob Wissensinhalte individuell nur im Kontext mit der eigenen Kultur verstanden werden oder ob sie auch Kultur-überschreitende Gültigkeit haben können. Wissen entsteht nach Ansicht der Kognitionswissenschaft als ein Ergebnis von Informationsverarbeitung auf verschiedenen Ebenen des Gehirns. So wird Wissen in der Informatik, Psychologie und den Sozialwissenschaften auch als,vernetzte Informationen’ verstanden, die ausgehend von einzelnen Daten zu einem emergenten Wissen verarbeitet werden. Die Speicherung des Wissens erfolgt im Gehirn durch Engrammierung, d. h. durch Konditionierung von Neuronenbahnen. Es ist zwar gelungen, Hirnareale festzumachen, von denen man annimmt, dass sie für das Gedächtnis (Speicherung von Wissen) verantwortlich gemacht werden könnten, aber über die Lokalisation und die Art der Engrammierung ist bis heute noch wenig bekannt. Wissen ist jedenfalls eine individuelle Leistung des Gehirns. Das menschliche Gehirn besitzt eine enorme Kapazität und Plastizität zur Verarbeitung und Speicherung von Informationen. Diese Aufgaben werden durch eine unvorstellbare Anzahl von Nervenzellen erfüllt, die in komplexen Netzwerken miteinander verbunden und organisiert sind. Mittels erregender, hemmender und modulierender Überträgerstoffe (Neurotransmitter) und elektrischer Impulsen kommunizieren die einzelnen Nervenzellen über Synapsen miteinander und erhöhen bzw. verringern das Potential des Zielneurons. Dies erfolgt auf biochemisch-molekularer Ebene durch Effizienzveränderung an den synaptischen Übertragungsstellen und auf struktureller Ebene durch Neubildung von synaptischen Verbindungen, aber auch durch Neuausbildung von Neuronen, die in bereits bestehende Netzwerke integriert werden. Die Globalfunktion des Gehirns wird durch eigene Transmittersysteme gesteuert, die den Grad der Aufmerksamkeit und Stimmungslage beeinflussen. Schon Protagoras, der berühmte griechische Sophist hat darauf hingewiesen, dass die Grenzen zwischen Glauben und Wissen nicht eindeutig zu ziehen sind, weil jedes Wissen subjektiv und auch wandelbar sei. Es war den Forschern der Antike durchaus geläufig, dass Geist und Gehirntätigkeit in einem engen Zusammenhang stehen müssen, weil sie bei Verletzungen des Schädels mit Schädigung des Gehirns nicht nur alle möglichen sensorischen und motorischen Ausfälle, sondern auch geistige Defizite diagnostizieren konnten und daraus den Schluss zogen, dass das Gehirn eine zentrale Rolle nicht nur für die motorischen und sensorischen, sondern auch für die geistigen Leistungen des Menschen spielen müsste. Erst mit der Aufklärung der zellulären Struktur des Hirngewebes und der Erkenntnis, dass die Nervenzellen synaptisch durch Axone und Dendriten untereinander vielfältig verbunden sind, konnte man zunächst ein morphologisches Grundgerüst des Gehirns erstellen, ohne sich jedoch die Funktionsweise erklären zu können. Erst die sich dann im 19. Jahrhundert sehr rasch entwickelnde Elektrophysiologie, die die Ableitbarkeit auch geringster Hirnströme ermöglichte, initiierte einen revolutionären Schub in der Hirnforschung, der bis heute anzuhalten scheint. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erkannte man überdies, dass nicht nur elektrische Impulse, sondern auch chemische Botenstoffe, die schon oben genannten Neurotransmitter, für die Entstehung, Fortleitung und Verarbeitung von Sinnesreizen wie auch für die komplexen mentalen Prozesse verantwortlich zu machen sind. Bei all den Fortschritten der Neurowissenschaften scheint aber das Geist-Gehirn-Problem, zumindest bis heute, weit entfernt von einer Lösung zu sein, da die unendliche Komplexität der Informationsverarbeitung des menschlichen Gehirns, das mit seinen Nervenverbindungen (Synapsen) vernetzt, grob geschätzt über mehr als 100 Billionen Reizüberträger verfügt, eine reale Lösung in weite Ferne zu rücken scheint. Aber unsere bewusste Wahrnehmung, unser Denken, die Vigilanz, die Gefühle, Willensakte und Handlungsplanungen sind ohne Zweifel mit der spezifischen Hirnleistung untrennbar verknüpft. Obwohl, wie ich bereits oben erwähnt habe, sich einzelne sich im Hirn abspielende, geistige und bewusstseinsabhängige Prozesse sich durch Bildgebende Verfahren in bestimmten Hirnarealen lokalisieren lassen, sind die vielen Aspekte unserer Wahrnehmung, unserer Gefühlsregungen, unserer Erinnerungen, unseres Gedächtnisses etc. selbst mit den neuesten technischen Hilfsmitteln, die uns heute zur Verfügung stehen, kaum zu erfassen. Könnten wir aber die Frage eindeutig beantworten, ob neuronale Prozesse, die mit Geisteszuständen verbunden sind, vor oder zumindest gleichzeitig mit diesen auftreten, wäre es der Hirnphysiologie wahrscheinlich schon bald möglich, bestimmte Bewusstseinszustände vorherzusagen, sie eventuell zu induzieren und damit auch zu manipulieren. Eine bewusst-geistige Leistung ist hirnphysiologisch (nachweisbar durch fMRT oder PET) mit einer höheren Durchblutungsrate verbunden, die den gesteigerten Bedarf an Sauerstoff und Glukose, die für die Hirnleistung erforderlich sind, anzeigt. Sowohl bei Sauerstoff- oder Glucosemangel, wenn diese Stoffe nicht in ausreichender Menge herangeschafft werden können (z. B. durch eine Blutdruckdepression, Hypoglykose, Orthostase etc.), versagt unser Bewusstsein und geht uns (manchmal nur vorübergehend) verloren. Die moderne Hirnforschung und auch die Entwicklungspsychologen erklären uns heute, dass das Ich-Bewusstsein nur ein nützliches Konstrukt unseres Gehirns wäre, wobei das limbische System als ein unbewusstes Gedächtnis- und Kontrollsystem funktionieren dürfte. Dieses scheint teilweise bereits pränatal, teils danach – in der postnatalen und frühkindlichen Phase der menschlichen Entwicklung festgelegt zu werden. Dieses,illusionäre’ Ich-Konstrukt muss funktionell so angelegt sein, dass sich das Subjekt in der ständigen Konfrontation mit der komplexen Alltagswirklichkeit und den Problemen der natürlichen und gesellschaftlichen Umwelt auseinanderzusetzen vermag. Das real-materielle Gehirn ist somit der Schöpfer unserer Alltagswirklichkeit, unserer eigenen Identität und auch der Umwelt, in der wir leben. Obwohl sich unsere kognitive Welt als abgeschlossen darstellt, da wir ja selbst in dieser Wirklichkeit existieren und in ihr eingeschlossen und auch ein Teil dieser Wirklichkeit sind, ist sie fraglos doch nur eine Fiktion unseres Gehirns, aber gleichzeitig auch unsere einzige Wirklichkeit. Aus diesem Grund wird der,Hirntod’ in der westlich-wissenschaftlichen Medizin - allerdings nicht unumstritten - als Endpunkt des individuellen Lebens betrachtet. Seit jeher befassen sich alle Kulturen der Menschheit mit der Frage nach dem Sinn des Lebens, da sie wohl infolge der Erkenntnis unseres unausweichlichen Schicksals des Sterbens und des Todes versuchen, das Rätsel des Werdens und Vergehens zu entschlüsseln. Daher müssen sie sich auch spirituell mit Geburt, dem Leben und seinem Ende befassen. Mit der Frage nach dem Sinn des menschlichen Daseins befasst sich vor allem die Anthropologie, die sich mit den Problemen, der Selbsterkenntnis und seiner endlichen Bestimmung auseinandersetzen muss. Mit,Lebenssinn’ verbinden wir drei Aspekte : 1. Sinn der einzelnen Lebenssituationen, 2. Sinn des Lebens in seiner Gesamtheit und 3. Sinn des Daseins der ganzen Menschheit. In der Beantwortung dieser Fragen muss der Mensch als Grundbedingung der Sinnrealisierung zunächst die Spannung zwischen Sein und Nichtsein akzeptieren, damit er sich selbst in der sich ständig ändernden, aber jetzt gegenwärtigen Lebenssituation annehmen kann. Es geht aber schließlich auch um das Akzeptieren seines bitteren Endes: Er muss auch in diesem unausweichlichen Ende Sinn und Bestimmung erkennen können. Glauben: heißt Nichtwissen? Ein geflügeltes Wort, das viele sich aufgeklärt wähnende Menschen dazu benützen, ihren Glauben an eine wissenschaftliche Erklärbarkeit der Welt zu dokumentieren. Doch das deutsche Zeitwort,glauben’ leitet sich von dem althochdeutschen Wort gilouben ab und bedeutet so viel wie,gutheißen’ und entspricht dem griechischen Wort,pisteuein’, was auch mit vertrauen übersetzt werden kann und somit in keiner Weise einem Nichtwissen entspräche. Glauben ist ein Fürwahrhalten seiner eigenen Wahrnehmungen, Überzeugungen und auch der daraus gezogenen Schlussfolgerungen. Der Glaube ist somit ein rein subjektives Konstrukt, das zu einer Verallgemeinerung einer objektivierenden Begründung bedürfte. Es ist aber sicher kein Vermuten über eingebildete oder reale Sachverhalte, sondern die individuelle, persönliche Beziehung zu einer Überzeugung, von der sich eine Person vom Geglaubten leiten lässt und damit sein eigenes Handeln rechtfertigt. Glauben ist der fundamentale religiöse Ausdruck des menschlichen Grundverhältnisses zur Welt der Transzendenz (Gott bzw. dem Göttlichen, dem Tao, Mächte, Geister etc.) Glauben bedeutet z. B. im christlichen Verständnis ein Fürwahrhalten dessen, was Gott in seiner Offenbarung mitgeteilt hat. Wenn aber Gottes Offenbarung vorrangig informationstheoretisch verstanden wird und als ein höheres Wissen in Widerstreit zu der mithilfe der menschlichen Vernunft erlangten, Erkenntnis gerät, ergibt sich ein wachsendes Konkurrenzverhältnis zwischen Glauben und Wissen. Im christlich-jüdischen Kontext wird Glauben grundsätzlich als ein interpersonal-dialogisches Geschehen verstanden, wobei Glauben im Sinne eines Fürwahrhaltens von Glaubenswahrheiten in Form eines worthaften Glaubensbekenntnisses konkrete Gestalt annimmt. Ob und inwieweit in der religions-wissenschaftlichen Frage nach dem Glauben in anderen Religionen das christliche Glaubensverständnis als Vorgabe und Maßstab für die europäische Geistesgeschichte dienen kann, möchte ich dahingestellt lassen. Nichtsdestotrotz wurde und wird in der Beschreibung einer religiösen Antworthaltung das christliche Glaubensverständnis meist zum Vergleich herangezogen, da das Christentum – trotz sehr verschiedener Ausprägungen – immer noch als das Glaubensbekenntnis, als das weltweit am weitesten verbreitete gilt. Nach christlicher Auffassung kann aber ein zum Heil erforderlicher Glauben implizit und anonym wirksam werden, wenn der Mensch sich nicht radikal-monologisch selbst verschließt und nicht egozentrisch, die eigene Sinnerfüllung als einzigen Heilsweg annimmt, sondern sein Heil in einer grundsätzlichen Offenheit im Urvertrauen auf ein Gegenüber zu verwirklichen sucht. Aus religionsphänomenologisch vergleichender Sicht ist das Urvertrauen auf Gott, auf das Numinose oder numinöse Mächte oder das Fürwahrhalten und Überzeugtsein von einer Lehre in allen Menschen grundsätzlich verankert und harrt der Verwirklichung. Spiritualität: Spiritualität bezeichnet eine Grundeinstellung des Menschen zum Leben, zum Mitmenschen und allgemein zur Welt. Sein Verhalten, seine sozialen Beziehungen und seine Lebenswerte werden normalerweise durch Emotionen und Deutungen früherer Traditionen geformt und gefestigt. Aufgrund seiner geistigen Fähigkeiten fühlt sich der Mensch motiviert, sich mit Sinn- und Wertfragen des Daseins, der Welt und der Menschen und insbesondere mit seiner eigenen Existenz und seiner Selbstverwirklichung im Leben zu beschäftigen, woraus er die Impulse für seine Lebensgestaltung schöpft.

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