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Gesellschaft / Kultur

Caroline Wloka

"Spielende Seelen" - Untersuchungen zur Schauspielkunst in Theater und Film

ISBN: 978-3-95425-762-1

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Produktart: Buch
Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 12.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 192
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Welche grundsätzlichen Unterschiede und Gemeinsamkeiten bestehen zwischen Theater und Filmschauspiel? Unter welchen Voraussetzungen agieren Schauspieler im jeweiligen Medium? Die vorliegende Studie ergründet diese Fragen mit dem Ziel, die Schwierigkeiten und Probleme zu erklären, mit denen sich Theaterschauspieler konfrontiert sehen, die zum Film wechseln wollen. In der Auseinandersetzung mit dem Thema Schauspielkunst am Theater und im Film wird deutlich, dass es unterschiedliche Theorien und Schauspiellehrmethoden gibt, die dem Schauspieler eine Hilfestellung im Umgang mit der Rolle bieten können. Diese Arbeit geht exemplarisch auf die Hypothesen und Methoden von Konstantin Stanislawski und Lee Strasberg ein, denen die Theorie zur neuen Schauspielkunst von Bertolt Brecht gegenübergestellt wird. Im Mittelpunkt stehen dabei der Schauspieler und die Realisierung seiner Rolle sowie die Ambivalenzen von Theater- und Filmschauspiel. Um die speziellen Anforderungen an einen Film- in Abgrenzung zum Theaterschauspieler richtig einordnen zu können, werden auch die Besonderheiten filmischer Produktionsprozesse mit ihren technischen Möglichkeiten analysiert. Ziel ist es, aus der Betrachtung der Unterschiede und Gemeinsamkeiten der beiden Medien heraus Ansätze zu finden, die den Wechsel zwischen Theater und Film erleichtern.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3, Konstantin Stanislawski und seine Visionen der Schauspielkunst: 3.1, Ein ‘System’ für den Schauspieler: Konstantin S. Alexejew, der sich selbst das Pseudonym ‘Stanislawski’ zulegte, gilt als einer der bedeutendsten Theaterkünstler aller Zeiten. Er war Schauspieler, Regisseur, und Lehrer zugleich. Stanislawski fungierte als künstlerischer Leiter am Moskauer Künstlertheater. ‘[...] Im Bereich des Theaters gab es andere, die darin wichtiger waren als Stanislawski, aber in der Arbeit am Schauspieler war seine Entdeckung so fundamental, wie die Entdeckungen in den modernen Wissenschaften, die uns ein völlig neues Bild von der Welt und vom Menschen geschaffen haben’. Sein ‘System’ stellt einen Versuch dar, sämtliche Aspekte der Schauspielerausbildung, des Schauspieltrainings und der Methoden zur Rollen- und Bühnenstückerarbeitung übersichtlich zusammenzufassen. ‘Since the rules developed by Stanislawski are based on objective natural laws, they can never be outdated. It is also obvious that the System is not a Russian phenomenon. The laws of nature are universal - the same for all people, in all countries, and in all times. Therefore, the rules developed by Stanislawski are obligatory for all actors’. Stanislawskis ‘System’ sollte als sein Lebenswerk verstanden werden. In den dreißig Jahren seiner Entstehung und Überarbeitung haben sich die historischen Umstände und die daraus resultierenden Situationen für das Theater immer wieder stark verändert. Daher sollte sein ‘System’ auch im Kontext der historischen Entwicklungen betrachtet werden. Es lässt sich als eine Art dynamisches Verfahren verstehen, das in Kraft tritt, wenn ein Schauspieler beginnt, eine künstlerische Figur zu formen. Stanislawskis ‘System’ hat wesentlichen Einfluss auf die gegenwärtige Theaterlandschaft ausgeübt. Er selbst bezeichnete es als offen und erweiterbar. Es wurde von ihm selbst nie als ein Dogma oder als einzig richtiger Weg, sich der Wahrhaftigkeit des Theaters anzunähern, angesehen. Erst kurz vor seinem Tod erteilte er die Erlaubnis zur Veröffentlichung seines Lebenswerks. Durch sein ‘System’ sollte der Arbeit der Schauspieler eine Methode verliehen werden, der eine natürliche Spielweise zugrunde lag. Als Ergebnis jahrelanger praktischer und experimenteller Arbeit ergab sich keine Theorie im eigentlichen Sinn, sondern die Niederschrift von Erfahrungen, an der Zeit seines Lebens noch Veränderungen vorgenommen wurden. Er erkannte die Notwendigkeit, sich mit den Voraussetzungen für die Gestaltung einer Rolle sowie mit dem Erschaffen einer Rolle auseinanderzusetzen. ‘Für mich kommt es nur darauf an, Ihnen all das zu geben, was ich in meinem Leben gesammelt habe. Nicht irgendeine Rolle will ich Sie spielen lehren, sondern Rollen überhaupt. Ich bitte Sie zu überlegen. Der Schauspieler muss immer an sich selbst, an seiner Qualifizierung arbeiten. Er muss danach streben, so schnell wie möglich Meister zu werden, und zwar in allen Rollen, nicht nur in der, die er gerade einstudiert’. Stanislawski machte während seiner Arbeit mit Schauspielern allerdings die gleichen Fehler wie die Regisseure, die von ihm kritisiert wurden, indem auch er despotische Verhaltensweisen nicht vermeiden konnte. Das Fühlen, Denken und Handeln der Schauspieler musste nach seinen Vorstellungen vollzogen werden. Er rechtfertigte sein damaliges Verhalten mit seinem Unvermögen, an andere weitergeben zu können, was er für sich selbst erkannt hatte. Das unbändige Verlangen nach Gesetzmäßigkeiten für die Schauspielkunst könnte seinen Ursprung in der eigenen defizitären Ausbildung zum Schauspieler gehabt haben. ‘Ich möchte versuchen, so etwas wie einen Leitfaden für angehende Schauspieler zusammenzustellen. Mir schwebt dabei eine Art Grammatik der Schauspielkunst, eine Sammlung von Aufgaben für den praktischen Unterricht vor, die ich bei der Arbeit in der Schule erproben will. Natürlich ist das alles ziemlich abstrakt, wie auch die Kunst selbst, das macht meine Aufgabe schwieriger, aber auch interessanter. Ich fürchte allerdings, dass ich sie nicht bewältigen werde’. Die erste schriftliche Fassung des ‘Systems’ lässt sich bereits auf 1904 datieren. Es handelte sich dabei allerdings noch nicht um eine in sich so geschlossene Methode, wie sie sich im Jahre 1906 manifestierte. Im Jahre 1909 wird der Begriff ‘System’ zum ersten Mal in seinem Artikel ‘Mein System’ veröffentlicht. Dieser Artikel enthielt fast alle Elemente ‘des schöpferischen Befindens’, die später von ihm vertieft wurden. Im Jahre 1925 schrieb er seine schriftlichen Konzepte in eine ‘Tagebuchform’ um. Sein ursprünglicher Plan war es, seine Schauspieltheorie und gleichzeitiges Lebenswerk in sieben Bänden zu verfassen: 1.Band: Mein Leben in der Kunst, 2.Band: Die Arbeit des Schauspielers an sich selbst, 3.Band: Die Arbeit des Schauspielers an der Rolle, 4.Band: Über das eigentliche Schaffen der fertigen Rolle, 5.Band: Die drei Richtungen in der Kunst, 6.Band: Regiekunst, 7.Band: Die Oper. Aus heutiger Sicht betrachtet besteht sein ‘System’ im Wesentlichen aus einer Sammlung von Schriften, die eine gewisse Widersprüchlichkeit aufweisen. Ein Grund dafür könnte in ihren permanenten Überprüfungen und Weiterentwicklungen durch Stanislawski selbst liegen, aus denen diverse Veränderungen resultierten. Verantwortlich könnten aber auch eine zunächst nicht ausreichende schriftliche Dokumentation der ursprünglichen Konzeption oder unzulängliche Übersetzungen sein. Hierauf beruhen heute noch diverse Verständnisschwierigkeiten seines Werkes. ‘Ich verstehe nicht, mein riesiges Material anzuordnen und versinke darin. Und was noch wichtiger ist, ich finde [...] nicht immer gleich den richtigen Ausdruck’. Dies äußerte Stanislawski in seinen letzten Lebensjahren, kurz bevor er seine Zustimmung zur Veröffentlichung der ersten beiden Bände gab. Nach der Veröffentlichung von ‘Mein Leben in der Kunst’ und ‘Die Arbeit des Schauspielers an sich selbst im schöpferischen Prozess des Erlebens’ konzipierte er seinen dritten Teil ‘Die Arbeit des Schauspielers an der Rolle’, der letztlich nur in Bruchstücken vorhanden war, als er 1938 verstarb. Obwohl seine Aufzeichnungen teilweise von ihm selbst oder den Herausgebern sorgfältig arrangiert und thematisch geordnet wurden, ergab sich nicht die von vielen erhoffte, einfach durchschaubare ‘Methode’. Nach intensiver Beschäftigung mit seinen Schriften scheint festzustehen, dass sich aus ihnen kein klares ‘System’ herausfiltern lässt. Er selbst betonte immer wieder: ‘Ich bin ein Mann der Praxis’. Bei allen Texten, die nach seinem Tod erschienen sind, handelte es sich um lektorierte Zusammenstellungen seiner handschriftlichen Aufzeichnungen. Stanislawski selbst hatte zu Lebzeiten diese Aufzeichnungen nur provisorisch angelegt. Sein erster Band ‘Die Arbeit des Schauspielers an sich selbst im schöpferischen Prozess des Erlebens’ setzt sich mit der ‘Schaffenslaune der Inspiration’ des Schauspielers auseinander, die seiner Auffassung nach einen ‘vorbereiteten Boden’ benötigt. Mittels der von Stanislawski entwickelten ‘Psychotechnik’ sollte der Schauspieler in der Lage sein, alles zu ignorieren, was ihn in seinem kreativen Klima stören könnte. Stanislawski war der Auffassung, seine ‘Psychotechnik’ sei, wie jede andere Technik auch, erlernbar, da Lernen an sich einen bewussten Vorgang darstelle. Mittels Konzentration sollte der Schauspieler die aus seinem schöpferischen Unbewussten hervortretenden Regungen verstärken und festigen können. ‘Darin besteht die Grundaufgabe der Psychotechnik: Den Schauspieler dem Befinden nahe zu bringen, aus dem heraus in einem Künstler der unbewusst schöpferische Prozess der organischen Natur aufkeimen kann’. In seinem zweiten ‘Band Teil II’ über den Prozess des Verkörperns spricht Stanislawski von der Ausbildung des physischen Instruments, das für den Schauspieler zum Verkörpern einer Rolle benötigt wird. Dabei werden von Stanislawski die Elemente der körperlichen und stimmlichen Ausdrucksfähigkeit des Schauspielers auf der Bühne untersucht und eine Schlussbilanz über den gesamten Fragenkomplex des Berufsbilds des Schauspielers gezogen. Viele Übungen und Aufgaben dieser beiden Teilbände sind auch heute noch an Schauspielschulen Bestandteil der Lehrpläne. Da sie allerdings nur vereinzelt und nicht im Gesamtkonzept der Stanislawskischen Methode unterrichtet werden, wird die von Stanislawski intendierte Wirkung häufig nicht erreicht. In seinem geplanten dritten Teilband, ‘Die Arbeit des Schauspielers an der Rolle’, sollte eine Gliederung in die Phasen ‘Probenzeit’ und ‘Aufführung’ erfolgen. Da Stansislawski jedoch seinen ursprünglichen Plan über den ‘stufenweisen Aufbau’ seiner Methode änderte, kam es immer wieder zu Verwirrungen bezüglich seiner Intension. Anfangs ging er bei der Vervollkommnung seiner Methode von der ‘idealistischen Zweiteilung des Menschen in Psyche und Physis’ aus. In den Entwicklungs- und Entstehungsjahren unterschied und trennte er das Seelisch-Geistige weitgehend vom Physisch-Körperlichen. In seinen letzten Lebensjahren, in denen er pädagogischer arbeitete, wurde ihm jedoch die Untrennbarkeit von Psyche und Physis immer bewusster. Die vorhergegangene Teilung von Erleben und Verkörpern wurde fortan von ihm als überholt angesehen. Nach Richard Blank wurde die Beschäftigung Stanislawskis mit den äußeren Vorgängen der Rolle von Strasberg und Brecht falsch datiert. ‘Es ist wohl richtig, dass Stanislawski zu Beginn seiner Arbeit gegen die total veräußerlichte Schauspielerei, die er antraf, sein Interesse mehr auf das innere konzentrierte. Dies geschah allerdings schon früh etwa ab 1915 und nicht wie Strasberg und Brecht annehmen ab 1930’. Eine genaue Datierung ist schwierig festzulegen, da Stanislawski im Alter frühere Aufzeichnungen zum Teil umgeschrieben hat. Hierdurch konnte der Eindruck entstehen, ‘dass die Manuskripte in den letzten Lebensjahren von Stanislawski verfasst worden sind’. Es stellt sich in Anbetracht dieser zeitlichen Abweichung von fünfzehn Jahren die Frage, inwieweit aus politisch-ideologischen Gründen bewusst am Bild des Künstlers manipuliert wurde. Lee Strasberg der seine Lehre später in der amerikanischen Filmlandschaft kommerzialisierte, bezieht sich in seinen Ausführungen ‘nur auf den Teilbereich des Stanislawskischen Werkes, in dem das Innere dominiert. Die äußere, materielle Seite spart er ganz aus’. Bertolt Brecht kritisierte Stanislawski und Strasberg und setzte seine eigene Anschauung vom Schauspiel dagegen. Theaterkunst war für Stanislawski einzig und allein die Kunst des Schauspielers. Der Schauspieler stand zeitlebens in seinen gesamten Theorien immer im Mittelpunkt seines Interesses und seiner Arbeit. Er ging dabei der Fragestellung nach, ‘wie der Schauspieler mit Hilfe des eigenen Erlebens eine Rollenfigur verkörpern und die Arbeit an der Rolle in Proben und Vorstellungen weiter qualifizieren kann’. Dem Schauspieler sollten praktische Leitlinien zur Rollenarbeit gegeben werden. Konkret steht hinter seinem ‘System’ eine Sammlung von Gesetzmäßigkeiten, Übungen und Techniken für die Schauspielarbeit. Die ethischen Prinzipien und das schöpferische Befinden der Schauspieler bildeten eine weitere zentrale Forderung seiner Theaterkunst. Die schauspielerische Arbeit sollte sich durch Kreativität auszeichnen. Er selbst bezeichnete sie als seelischen Naturalismus oder auch psychologischen Realismus. Dem tradierten Schauspielertypus wurde dabei das Bild eines Schauspielers, der auf der Bühne ‘natürlich agiert und dem Zuschauer natürlich erscheint’ gegenübergestellt. Die organische Natur wird zum Leitbild, mit der sich keine noch so raffinierte schauspielerische Technik messen kann. Mittels des psychologischen Realismus konzentrierte er sich auf die wirklichkeitsnahe Darstellung psychologischer und tiefenpsychologischer Aspekte aus dem Leben der Menschen. Wie in der Kindheit sollte vom Schauspieler auf der Bühne ‘jede natürliche Form von Anfang an neu erlernt werden’.

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