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- Rückwanderung nach Ostdeutschland: Eine Analyse von strukturellen Ursachen und individuellen Beweggründen auf Mikroebene - dargestellt am Fallbeispiel Thüringen
Gesellschaft / Kultur
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Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 01.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 332
Abb.: 89
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Die Rückwanderung von ehemals aus Ostdeutschland abgewanderten Personen findet als Thema in der Wissenschaft, der Politik und den Medien zunehmend Beachtung. Aus bereits vorliegenden renommierten Untersuchungen geht hervor, dass rund ein Fünftel aller ursprünglichen Abwanderer in die Neuen Bundesländer zurückgekehrt sind. Bisher bestehen jedoch nur wenige Kenntnisse über die strukturellen Ursachen und individuellen Beweggründe, die eine Rückkehr der Akteure nach Ostdeutschland beeinflussen. Mit den immensen Subventionen in den Neuen Bundesländern seit der Deutschen Wiedervereinigung haben sich die (arbeitsmarkt-)strukturellen Bedingungen wesentlich verbessert. In diesem Zusammenhang soll in diesem Buch geklärt werden, ob sich die Strukturbedingungen derart verändert haben, dass sie eine Rückwanderung von ehemals aus Ostdeutschland fortgezogenen Personen verursachen. Andererseits können auch individuelle Beweggründe, die aus der Unzufriedenheit der Akteure mit ihrer Lebenssituation in Westdeutschland resultieren, eine Rückkehr motivieren. Die Klärung der Frage, ob es strukturelle Ursachen und/oder individuelle Beweggründe sind, die die Rückwanderung der Akteure bedingen, ist das zentrale Anliegen dieser Studie. In der umfassenden Erklärung des Rückwanderungsphänomens werden biographische Veränderungen im Lebensverlauf der Akteure berücksichtigt und zugleich die Bedeutung des individuell verfügbaren Sozialkapitals sowie der regionalen Verbundenheit im Rückwanderungsprozess untersucht. Die Ermittlung der strukturellen Ursachen und individuellen Beweggründe, welche die Rückwanderung der Akteure nach Ostdeutschland beeinflussen, erfolgt auf Mikro-Ebene, d.h. durch Befragung der Rückkehrer. In die empirischen Untersuchungen konnten zugleich Personen einbezogen werden, die eine Rückkehr nach Ostdeutschland beabsichtigten, aber seit ihrer Abwanderung in den Alten Bundesländern verblieben sind. Aus dem Vergleich beider Befragungsgruppen erfolgt eine Analyse der einzelnen Determinanten, die zum Vollzug bzw. zur Unterlassung einer Rückwanderung führen. Für die Primärdatenerhebung wurde exemplarisch das Bundesland Thüringen ausgewählt.
Textprobe: Kapitel 11.1, Die deutsch-deutschen Wanderungen vor der Deutschen Wiedervereinigung (1950 bis 1990): Die Wanderungen zwischen den beiden deutschen Landesteilen waren im Zeitraum zwischen den Staatsgründungen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland Ende der 1940er Jahre sowie der Deutschen Wiedervereinigung am 03. Oktober 1990 von hoher politischer Brisanz. Beide deutsche Staaten gehörten zwei unterschiedlichen Bündnissystemen an, die sich in ihren politischen Ideologien unterschiedlich und gegeneinander definierten. Die deutsch-deutschen Wanderungen, die fast ausschließlich in Ost-West-Richtung erfolgten, sind als Ausdruck gegensätzlicher politischer, wirtschaftlicher und soziokultureller Entwicklungen in den beiden deutschen Staaten zu bewerten. Die Übersiedler nach Westdeutschland erhofften sich durch die Flucht oder Ausreise eine Verbesserung ihrer Lebensbedingungen. ‘Für die DDR-Bürger bedeutete dies, daß mit der Flucht oder Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland eine bereits verloren geglaubte Zukunft wieder zu einer gestaltbaren Hoffnung wurde.’ Eine Auswanderung in die Bundesrepublik war mit einer Reihe von Hindernissen verbunden. Menschen, die die DDR verlassen wollten, wurden von dem gesetzlichen Ausreiseverbot, strafrechtlichen Verfolgungen sowie durch organisierte soziale und ökonomische Diskriminierungen in diesem Staat behindert. Zum entgegengesetzten Wanderungsstrom aus dem früheren Bundesgebiet in die ehemalige DDR liegen kaum Untersuchungen vor. In einer Arbeit von SCHMELZ wird deutlich, dass an der West-Ost-Wanderung vor allem Rückkehrer beteiligt waren. Im Zeitraum von 1954 bis 1968 lag der Anteil der Rückwanderer an der West-Ost-Migration bei ca. 66 Prozent. Es werden überwiegend private und wirtschaftliche Beweggründe für die Rück- und Zuwanderung in die DDR angegeben. Für die Rückwanderer spielten vor allem bestehende familiäre Bindungen und die fehlenden sozialen Kontakte in Westdeutschland eine entscheidende Rolle für die Rückkehr in die DDR. Zuwanderer aus der Bundesrepublik gaben überwiegend an, aufgrund längerer Arbeitslosigkeit abzuwandern. Die fortziehenden Bundesbürger versprachen sich in der DDR bessere Arbeitsbedingungen und günstigere berufliche Aufstiegsmöglichkeiten. Konkrete Aussagen über die politische Motivation der West-Ost-Wanderung lassen sich nicht treffen. Die Behörden in der DDR interpretierten die Zuwanderungen aus der Bundesrepublik generell als politisch motiviert. Andere Quellen aus Westdeutschland messen politischen Motiven bei der Abwanderung in die DDR hingegen eine sehr untergeordnete Rolle bei. Die Daten, auf die im Folgenden Bezug genommen wird, werden von WENDT verwendet, der sich vorwiegend auf die Wanderungsstatistik des Statistischen Bundesamtes Deutschland bezieht. Diese Wanderungsstatistik ist für den Zeitraum 1950 bis 1990 in Anhang 3 dargestellt. An dieser Stelle muss jedoch auf die zum Teil hohen Abweichungen zur DDR-Wanderungsstatistik hingewiesen werden. Im Zeitraum zwischen der Staatsgründung der DDR im Oktober 1949 bis 1961 verließen fast vier Millionen Menschen die DDR mit dem Ziel Westdeutschland. Hierbei handelte es sich überwiegend um jüngere Altersgruppen, die aus der DDR flüchteten. Im Jahr 1960 waren mehr als die Hälfte (53 Prozent) aller Westwanderer unter 25 Jahre alt. Nach dem Mauerbau am 13. August ging die Zahl der deutsch-deutschen Wanderungen erzwungenermaßen zurück. Im Jahr 1960 wanderten 247.751 Menschen aus der DDR ab im Jahr 1962 waren es nur noch 21.466 Personen. Die Anzahl der Abwanderungen nach Westdeutschland hat sich innerhalb von zwei Jahren auf weniger als ein Zehntel reduziert. Eine Veränderung in der Altersstruktur der Westwanderer ist ebenso festzustellen. Im Jahr 1965 waren mehr als die Hälfte der Westwanderer (52 Prozent) über 65 Jahre alt. In den 1960/70er Jahren wurde überwiegend Rentnern ein legales Verlassen der DDR per Ausreiseantrag genehmigt. Erst in den 1980er Jahren nahm der Anteil jüngerer Altersgruppen allmählich zu. In dieser Zeitperiode erfolgte ein sprunghafter Anstieg der Zahl genehmigter Ausreiseanträge, die verstärkte Abschiebung regimekritischer Bürger aus der DDR und der Freikauf politischer Häftlinge durch die Deutsche Bundesregierung. Im Zeitraum von 1962 bis 1988 verließen insgesamt ca. 626.000 Menschen die DDR, davon fast zwei Drittel mit genehmigter Ausreise und ein Drittel als Republikflüchtlinge. Die Anzahl der aus der DDR Fortgezogenen beträgt im Zeitraum von Anfang 1950 bis Ende 1988 rund 4.480.000 Menschen. Die DDR hatte gegenüber der Abwanderung einen nur unbedeutenden Zustrom an Wanderern aus der Bundesrepublik zu verzeichnen. Im Zeitraum 1950 bis 1961 wanderten etwa 400.000 Menschen aus dem früheren Bundesgebiet zu. Ab dem Bau der Mauer ebbte aber auch der Zuwanderungsstrom ab. Die Anzahl der in die DDR Zugezogenen veränderte sich von 25.429 Personen im Jahr 1960 auf 8.797 Personen im Jahr 1962. Die Anzahl der Zuwanderungen aus Westdeutschland hat sich innerhalb von zwei Jahren um ca. ein Drittel verringert. In den 1970/80er Jahren nahm die Zuwanderung aus Westdeutschland ein noch weitaus geringeres Ausmaß an. In dieser Zeitperiode wanderten ca. 1.000 bis 2.500 Personen pro Jahr in die DDR zu. Insgesamt wanderten ca. 470.000 Personen im Zeitraum 1950 bis 1988 aus der Bundesrepublik Deutschland in die DDR. Mit der deutlichen Zunahme der Unzufriedenheit der Menschen über die Lebensverhältnisse in der DDR zu Beginn der 1980er Jahre wurden Forderungen nach größeren individuellen Lebensfreiheiten, nach Reisefreiheit, nach Demokratie und Selbstbestimmung laut. Die DDR-Führung versuchte die Zahl unzufriedener und kritischer Bürger abzubauen, indem ab 1988 deutlich mehr Ausreiseanträge genehmigt wurden. Mit der Besetzung der bundesdeutschen Botschaften in Prag und Budapest und der Demontage der Grenzanlagen zwischen Ungarn und Österreich im Sommer 1989 erhöhte sich zudem die Zahl der Flüchtlinge aus der DDR. Von Januar bis Oktober 1989 verließen rund 178.000 Menschen die DDR mit dem Ziel Westdeutschland. Nach der Öffnung der innerdeutschen Grenze am 09. November 1989 wanderten nochmals ca. 210.000 Personen bis zum Jahresende in die Bundesrepublik Deutschland ab. Im gesamten Jahr 1989 hatte die DDR eine Abwanderung von 388.396 Personen und eine Zuwanderung von 5.135 Personen zu verzeichnen. Hieraus ergibt sich für das Jahr 1989 ein Wanderungsverlust der DDR von insgesamt 383.261 Personen. Mit dem Fall der Mauer geriet das politische System der DDR zunehmend unter Druck. Die bestehende Skepsis der Bevölkerung in der DDR gegenüber der Reformierbarkeit der politischen Strukturen im Staatsapparat, in der Wirtschaft, in der Wissenschaft und im Bildungswesen, sowie die zunehmenden wirtschaftlichen Unsicherheiten führten dazu, dass die Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland 1990 ebenso ein hohes Ausmaß verzeichnete. Menschen, die die DDR schon längere Zeit verlassen wollten aber ernsthafte Konsequenzen fürchteten, zogen nach dem Wegfall der externen Hindernisse nach Westdeutschland. Bis Ende September 1990 sind etwa 345.000 Personen in das frühere Bundesgebiet fortgezogen. Erst mit der Deutschen Wiedervereinigung am 03. Oktober 1990 verringerte sich die Anzahl der Fortzüge. Im vierten Quartal des Jahres 1990 verließen nochmals ca. 50.000 Personen die Neuen Bundesländer. Für das Jahr 1990 ergibt sich demzufolge ein höherer Wanderungsverlust als 1989. Insgesamt wanderten 395.343 Personen aus dem Gebiet der ehemaligen DDR bzw. der Neuen Bundesländer (einschließlich Berlin-Ost) mit dem Ziel Westdeutschland ab. Im selben Jahr wanderten 36.217 Personen aus den Alten Bundesländern zu. Damit ergibt sich für die Neuen Bundesländer (einschließlich Berlin-Ost) im Jahr 1990 ein Wanderungsverlust in Höhe von 359.126 Personen.
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