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- Revolution im Radtourismus durch E-Bikes: Ausweitung des Aktionsraumes in Mittel- und Hochgebirge
Gesellschaft / Kultur
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Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 01.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 160
Abb.: 56
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Kaum eine Woche vergeht, in der nicht ein Artikel zum Thema Elektromobilität in einer Tageszeitung erscheint. Unabhängig davon ist das altbewährte Fahrrad als nachhaltiges Verkehrsmittel moderner und beliebter denn je. Die Synthese beider Trends - das E-Bike - ist in aller Munde. Diese Aktualität schafft Raum für ein innovatives, interdisziplinäres und transdisziplinäres Forschungsfeld, auf dessen Ergebnisse viele Wirtschaftszweige mit Spannung warten. Im Freizeit- und Tourismusmarkt ist das E-Bike eine besondere Innovation, welche schon mehrfach Anwendung findet. Bisher fehlt jedoch eine Studie, welche die Potenziale und Erfolgsfaktoren des Elektrofahrrads im Hinblick auf unterschiedliche Landschaftstypen beleuchtet. Vor diesem Hintergrund konnte die vorliegende Studie mit der Motivation erstellt werden, die Thematik erstmals aus raumwissenschaftlicher Sicht zu hinterfragen und Erkenntnisse für die Tourismusbranche zu gewinnen.
Textprobe: Kapitel 2.2, Fahrradtouristische Grundlagen: Um den derzeitigen Wandel im Radtourismus durch die Innovation Elektrofahrrad einzuordnen, erscheint es zweckmäßig, dem Leser einen Überblick über die Entwicklung und die aktuelle Situation des Fahrradtourismus zu geben. Darüber hinaus werden weitere für das Verständnis der Untersuchung relevante Aspekte dargestellt. 2.2.1, Entwicklung des Fahrradtourismus: Der Fahrradtourismus ist eine relativ junge Tourismusart. Die ersten Anfänge kamen nach dem Zweiten Weltkrieg auf, als junge sowie naturverbundene Menschen Reisen mit dem Fahrrad machten. Jedoch verloren sich diese Ansätze mit der aufkommenden Massenmotorisierung wieder (ROSENAU, 2011, S. 27). Noch Ende der 1970er Jahre galt Radfahren lange Zeit als Zeugnis von Geldmangel oder als eine Form des Protests von ‘Öko Gutmenschen’ (GIEBELER, 2012, S. XIII). Auch damals sorgten – ähnlich wie heute – gestiegene Benzinpreise und eine gesteigerte Sensibilität für Umweltbelastungen sowohl im Alltag als auch in der Freizeit häufig für den Verkehrsmittelwechsel auf das Fahrrad (SCHNELL, 2007, S. 341). In der ersten Hälfte der 1980er Jahre setzte ein gesellschaftlicher Wandel ‘[…] hin zu postmateriellen Werten wie Entschleunigung, Körper- und Gesundheitsbewusstsein’ ein bei einer parallelen Individualisierung des Reisens (MIGLBAUER, 2012, S. 18). Zuallererst bemerkten die Gasthof- und Hotelbesitzer entlang der Donau zwischen Passau und Wien, dass der Radtourist – entgegen der damaligen Vorstellung eines ‘Arme-Leute-Tourismus’ – aus Vergnügen Fahrrad fährt und durchaus für Umsatz sorgt. Dieses Phänomen machte schnell die Runde und wenig später waren Radtouristen auch in anderen Regionen, vornehmlich an Seen und entlang der Flüsse gern gesehene Gäste (GIEBELER, 2012, S. XIII TIMMDORF, 2011, S. 67). Die steigende Nachfrage brachte einen Wandel vom Anbieter- zum Käufermarkt, worauf die Destinationen wiederum mit einem verstärkten fahrradtouristischen Angebot reagierten. Aufgrund der hohen ökonomischen Relevanz wollte keine touristische Region auf dieses Nachfragesegment verzichten bzw. der Konkurrenz hinterherhinken. So konnte sich in einer relativ kurzen Zeitspanne das Fahrradfahren nachhaltig im Tourismussegment etablieren (SCHNELL, 2007, S. 331). Aufgrund methodischer Hindernisse existieren wenig gesicherte quantitativen Daten zur fahrradtouristischen Nachfrage. Insbesondere Daten zum Tagestourismus liegen nur punktuell vor (DTV, 2009, S. 21). Dennoch sollen hier einige aktuelle Zahlen die hohe ökonomische Bedeutung des Radtourismus innerhalb der Tourismusindustrie bekräftigen (vgl. MIGLBAUER, 2012, S. 18). - In Deutschland haben 21 % der Bevölkerung über 14 Jahren bereits einen Fahrradurlaub unternommen. - In Österreich geben je nach Bundesland zwischen 8 und 18 Prozent der Gäste Radtouren als Hauptmotiv des Urlaubs an. - In der Schweiz stellt Radfahren und Mountainbiken für 11,7 % die wesentliche Urlaubsaktivität dar. Die Anzahl der Destinationen, welche auf Radtourismus setzen, wächst (DTV, 2009, S. 22). So gesehen lässt sich die Ausbreitung des Radtourismus vor etwa drei Jahrzehnten durchaus als Innovation betrachten, deren Diffusion sowohl räumlich gesehen als auch hinsichtlich der Intensität immer noch anhält. Einige Regionen haben das Sättigungsstadium bereits erreicht. Dazu zählen sowohl einige viel besuchte Radregionen wie der Donauradweg als auch die ‘Nicht-Radregionen’, deren Sättigungsgrad allerdings sehr niedrig liegt (vgl. Kap. 2.1.1). Der derzeit sich vollziehende demographische Wandel wirkt sich massiv auf den Tourismus aus. Vertraut man den Studien von ZAHL, LOHMANN und MEINKEN (2007, S. 102ff.), sei der wichtigste Faktor für die zukünftige Steigerung der Reiseintensität die Zunahme der Reiseintensität von Senioren (deren absolute Anzahl obendrein zunimmt). Die Senioren von morgen seien es gewohnt zu reisen und werden an diesen Reisegewohnheiten festhalten. Sowohl die Auswahl der Reiseziele als auch die Aktivitäten und Ansprüche der Senioren werden vielfältiger sein. Diese ‘neuen Senioren’ existieren bereits und seien schon heute relativ aktiv, was bei zukünftigen Seniorengenerationen in noch stärkerem Maß der Fall sein werde. Die hohe Affinität der älteren Bevölkerung zum Fahrrad als Verkehrsmittel sorgt auch für eine steigende Zahl an Fahrradtouristen. Waren Radreisen früher eher etwas für Jugendliche und junge Erwachsene ist schon heute ein sehr großer Teil der Radreisenden zwischen 50 und 70. Dabei sind sie deutlich gesünder und fitter als es ihre Altersklasse vor dreißig Jahren war (TIMMDORF, 2011, S. 68). Aufgrund dieser Entwicklung müssen viele Tourismusregionen sich an eine Veränderung ihrer Hauptzielgruppe anpassen. Um auf dem Markt konkurrieren zu können, erhöhen die Destinationen ihre Marketingbemühungen und schaffen neue Angebote und/oder verbessern die Qualitätsstandards ihrer Fahrradinfrastruktur. Dies und ein wiederholt wachsendes Umwelt- und Gesundheitsbewusstsein steigern die allgemeine Beliebtheit des Fahrrads als Freizeitgerät. Daher ist anzunehmen, dass die absolute Zahl der Fahrradausflüge weiterhin zunehmen wird. Hingegen bleibt es offen, ob auch die Zahl der mehrtägigen Urlaubsreisen mit dem Rad ansteigen werden, da deren Entwicklung stärker konjunkturabhängig ist als die eintägiger Fahrradausflüge. Als besonders positiv für die Branche werden die neuen Elektrofahrräder betrachtet (DTV, 2009, S. 21). Touristiker versprechen von ihnen, neben einem Angebot für eine älter werdende Hauptzielgruppe, weitere unterschiedliche Chancen, welche ausgiebig in nachfolgenden Kapiteln behandelt werden (siehe Kap 2.4). 2.4, Das E-Bike in der Tourismuswirtschaft: ‘Current trends [in tourism] are quality, individuality, flexibility, shorter and more frequent tours, luxury and asceticism, simplicity, and – as a recent product – E-Bikes” (DEMARRAGE, 2011, S. 63). Die Schweiz gilt nicht nur als Mutterland der E-Bikes, sie ist auch Vorreiter im E-Bike-Tourismus. Als einziges Land besitzt die Schweiz eine flächendeckend einheitliche touristische E-Bike-Infrastruktur. Der E-Bike-Markt wird hier von der Marke FLYER dominiert. Ihr Marktanteil hat sich von knapp 40 % im Jahr 2003 auf über 80 % im Jahr 2008 verdoppelt (HAEFELI & WALKER, 2008, S. 20ff.). In der Sommersaison besteht ein Netz aus 400 E-Bike-Vermietstationen, deren 2.000 ‘Miet-FLYER’ alle mit dem gleichen Akkusystem (Panasonic) ausgestattet sind. Die Akkus können daher an den 600 Stationen landesweit kostenlos ausgewechselt werden, was ein sofortiges Weiterfahren ermöglicht und Nutzern die Angst vor einem ‘Stehen bleiben’ nimmt (WWW.FLYER.CH, 2013). Auch Touristen mit einem eigenen FLYER-Rad können vom umfangreichen Netz an Akkuwechselstationen profitieren, indem sie bloß einen Leih-Akku für die Zeit ihres Aufenthaltes mieten (WWW.FLYER.CH, 2013). Als erste speziell für E-Bikes geplante Radwanderroute entstand 2005 die Herzroute, welche in sieben Etappen im ‘Herzen der Schweiz’ von Lausanne nach Zug führt (427 km 6.400 hm). Mit durchschnittlichen 61 km und 915 hm pro Etappe und Höhenquotienten zwischen 9,4 und 19,6 (www.herzroute.ch, 2012) liegt sie damit deutlich über den Werten herkömmlicher Radwander-Tagestouren. Das ‘Elektrovelo’ ermöglicht jedermann eine Radwandertour, welche mit normalem Rad nach dem Eurobike-Systemstandard© der Skalierung Radwandern in die Kategorie Mittelschwer bis Schwer eingestuft würde (siehe Kap. 2.2.3) (BIEDERMANN, 2008, S. 5). Alle 25 km befindet sich auf der noch heute beliebtesten Schweizer ‘Velowanderroute’ eine Akkuwechselstation (MIGLBAUER, 2011, S. 69). Zahlreiche Tourismusdestinationen in Deutschland und Österreich erweiterten ebenfalls ihr touristisches Angebot durch unterschiedliche E-Bike-Konzepte. Destinationen, welche Radtourismus bereits als Kerngeschäft betrieben, E-Bike-Angebote auf der Grundlage bestehender Radrouten-Infrastruktur als weiteres Segment ein (vgl. MIGLBAUER, 2011, S. 28). Meist sind diese Konzepte regional begrenzt. Als einzige Radfernwege bieten der Weser-Radweg (System: Akkuwechselstationen) und der Radweg Berlin-Kopenhagen (System: Ladestationen) einheitliche überregionale E-Bike-Konzepte. Bei der Verteilung der Regionen mit einem E-Bike-Angebot, lässt sich allerdings kein Muster erkennen. Sowohl Destinationen in ebenen Regionen in Mittelgebirgen und auch in alpinen Regionen setzten auf E-Bikes. Die Karte der movelo-Regionen (siehe Abb. 7) erweckt den fälschlichen Anschein, dass es noch große Lücken in der touristischen ‘E-Bike-Landschaft’ gibt. Mit großer Wahrscheinlichkeit hätte eine Karte mit der Verteilung von E-Bike Angeboten heute kaum noch Lücken. Denn zum einen gibt es noch andere Anbieter touristischer Elektromobilität, zum anderen haben viele Destinationen selbst ein E-Bike-Angebot aufgebaut. Dabei ist zu beachten, dass Struktur, Ausmaß und Qualität der jeweiligen Angebote sehr unterschiedlich ausfallen können. Allein in Tirol bieten mittlerweile rund 20 Tourismusverbände E-Bikes im Verleih an. Der Pionier unter diesen ist die Destination Serfaus-Fiss-Ladis, welche sich bereits seit 2008 als E-Bike-Region bezeichnet. Der Zusammenschluss von zehn Destinationen ‘e-BikeWelt Kitzbüheler Alpen – Kaisergebirge’ zählt 310 Leih-E-Bikes, 80 Verleihstationen und 59 Akku-Wechselstationen und nennt sich selbst ‘größte E-Bike-Region der Welt’ (www.e-BikeWelt.de, 2013). In der Regel versuchen die alpinen Destinationen jedoch ihre E-Bike-Touristen in den Tälern, auf den Plateaus sowie über die niedrigeren Hügel und Bergkuppen zu leiten, anstatt ihnen das Erklimmen der hochalpinen Höhenstufe zu ermöglichen. Der Grund dafür ist nicht die Überwindung der vielen Höhenmeter bergauf, sondern das Bergabfahren, dessen Fahrtechnik die neuen Radgäste überfordert. Die Urlaubsregion Schladming-Dachstein ging hingegen einen alternativen Weg. Hier soll bewusst ein sportlicheres E-Bike-Publikum angesprochen werden, weshalb die Wegeführung durchaus anspruchsvoller geplant und unter anderem an E-Mountainbikes angepasst ist (siehe Kap. 3.1.3) (MIGLBAUER, 2012). Gewöhnlich sind Radreisen von Veranstaltern nicht exklusiv für E-Bike-Fahrer konzipiert, sondern bieten Elektrofahrräder fakultativ gegen Aufpreis an. Einzelne Veranstalter setzen allerdings gänzlich auf geführte E-Bike-Touren. So etwa akzent reisen oder das Joint Venture von movelo und des Münchner Busreiseveranstalters Geldhauser. Durch den vom Elektroantrieb ermöglichten Leistungsausgleich zwischen unterschiedlich konditionierten Radlern, lässt sich der Reiseverlauf von Gruppenradreisen besser planen (MIGLBAUER, 2011, S. 22). Die Strecken sind in der Regel so gewählt, dass die Gäste mit einer vollen Akkuladung den Tag über auskommen und den Akku nachts an der Steckdose in der Unterkunft laden können. Eine spezielle E-Bike-Infrastruktur (siehe Kap. 2.4.2) ist deshalb in den meisten Fällen nicht notwendig. Darüber hinaus bieten Incoming-Agenturen verschiedene E-Bike-Pauschalen für Individualreisende an. Dazu zählen sowohl Standortreisen als auch mehrtägige Radwandertouren mit E-Bikes (FRITSCH, 2011, S. 10). Allerdings sind spezielle E-Bike-Pauschalangebote für 79 % der E-Bike-Touristen keine Vorrausetzung für eine Buchung (TRENDSCOPE, 2012c, S. 9).
Matthias Breuer, M. Sc., wurde 1985 in Rüdesheim am Rhein geboren. Sein Bachelor-Studium in Geographie, Naturschutz und Landschaftspflege absolvierte er in Freiburg und Reykjavík. 2013 schloss er in Innsbruck sein Masterstudium der Geographie mit dem akademischen Grad Master of Science erfolgreich ab. Als begeisterter Radfahrer verfolgte er die Revolution der E-Bikes im Tourismus von Beginn an. Durch seine wissenschaftlichen Fachkenntnisse im E-Bike-Tourismus entstanden viele Vernetzungen in die Fachwelt, welche wiederum die vorliegende Studie positiv bereicherten.
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