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Gesellschaft / Kultur
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Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 01.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 260
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Obwohl sich die offensichtlich orientierungslos gewordene Gesellschaft immer mehr von ihren tradierten religiösen Bindungen löst und Heil und Heilung mit oft obskuren Praktiken bei diversen Gemeinschaften sucht, ist das Heilsversprechen der großen Religionen nicht in Vergessenheit geraten. Trotz der weitgehenden Säkularisierung unserer Lebenswelt trachten sowohl buddhistische Gemeinschaften wie auch das Christentum mit ihren spirituellen Angeboten und ihrem Heilsversprechen Menschen einen Weg zu weisen und sie auch an ihre Gemeinschaft zu binden. Besonders in Notzeiten lernen Menschen wieder zu beten und Hilfe und Heilung von transzendenten Mächten zu erbitten. Kranke und Sterbende bedürfen nicht nur der Hilfe ihrer Mitmenschen sondern auch übermächtiger Kräfte um zu gesunden. Inwieweit und wie sehr psychologische und neuro-modulatorische Maßnahmen das seelische und körperliche Befinden beeinflussen können, ist bisher noch nicht hinreichend geklärt, doch nach neueren neurobiologischen und medizinischen Erkenntnissen dürften religiöse und spirituelle Erfahrungen hilfreich und heilsam sein. Die vorliegende Untersuchung bezieht sich auf buddhistische und christliche Formen der Spiritualität und ihre Wirksamkeit.
Textprobe: Kapitel, Vorwort: Anhand der wissenschaftlichen Literatur und persönlicher Erfahrungen soll versucht werden, religiöse, spirituelle aber auch allgemein menschliche sowie (medizinisch) psychologisch wirksame und somit relevante Bewältigungsstrategien und Mechanismen bei Lebenskrisen (Mühsal, Krankheit, Sterben) bei zwei an sich grundverschiedenen religiösen Gemein-schaften zu beschreiben und Verbindendes und Trennendes aufzuzeigen, um so zu einem besseren Verständnis von Heilsein (Gesundsein) und Kranksein im interreligiösen Dialog beizutragen. Es war mir bei dieser Arbeit auch ein besonderes Anliegen, Heilung aus einer naturwissenschaftlichen, neurobiologischen Perspektive zu beleuchten und zu beschreiben. Zu dieser besonderen Gegenüberstellung soll das, aus dem Christentum entwickelte, natur-wissenschaftlich geprägte, westlich orientierte Krankheitsverständnis mit den buddhistischen, aus dem hinduistischen Gedankengut hervorgegangenen und tradierten, ganzheitlichen Vorstellungen von Gesundheit und Krankheit herangezogen werden. Der Buddhismus wurde zum Vergleich mit dem abendländisch, christlichen Heilverständnis deshalb herangezogen, weil der Buddhismus im euro- amerikanischen Kulturraum das am meisten bekannte und auch angenommene Religionssystem fernöstlicher Provenienz darstellt, wobei der tibetische Buddhismus und ebenso die tibetische Medizin und Psychologie besonders durch die weltweiten Reisen und Aktivitäten des H.H. 14. Dalai Lama Tenzin Gyatso weiter an Einfluss in den Ländern des Abendlandes zu gewinnen scheinen . Während das Christentum seinem Selbstverständnis nach die bedingungslose Liebe des dreifaltigen Gottes zu den Menschen und der gesamten Schöpfung in das Zentrum seiner theologischen Heilslehre stellt, ist dem Buddhismus ein personales, allmächtiges, göttliches Gegenüber an sich fremd. Christen glauben an die allumfassende Liebe Gottes, die sich in der Gestalt Jesu Christi geoffenbart hat, der als Mensch den Tod am Kreuz erlitten hat, nach drei Tagen von den Toten auferstanden ist und vereint mit Gottvater und dem Heiligen Geist von Ewigkeit zu Ewigkeit die Welten regiert. Die Heilszusage, die durch den freiwilligen Opfer-tod Jesu möglich geworden ist, gilt gleichsam allen Menschen aller Nationen und zu allen Zeiten. Nach buddhistischer Lehre hingegen ist das Leben an sich Leiden (duhkha), das durch Gier, Hass und Verblendung (Drei Geistesgifte) von den Menschen selbst verschuldet wird. Das Leiden kann nur durch Beseitigung der Ursachen über den Weg des Achtgliedrigen Pfades, den der Erleuchtete (Buddha) vorgezeichnet hat, überwunden und beendet werden. Der Buddhismus kennt an sich keine Auferstehung, sondern einen Kreislauf von Geburt und Wiedergeburt (samsara), dem jedes Lebewesen unterworfen ist. Das Ziel der Buddhisten ist es, durch Kultivierung der Tugenden, durch Praktiken der Versenkung und Entwicklung von Mitgefühl und Weisheit aus dem Kreislauf der Wiedergeburten auszuscheiden und durch Einsicht (,Erwachen’) in den Zustand des Nirwana (,Erlöschen’, ,Verwehen’) einzutreten. Christen und Buddhisten glauben gleichermaßen an ein ewiges Heil (Gottesreich, respektive Nirwana), doch hier auf Erden bitten die Menschen um Heil und Heilung von Krankheiten und Schicksalsschlägen durch das Anrufen überirdischer Mächte (Gott, Amitabha Buddha, Heilige) mit Bitten und Gebeten, meditativen Übungen, Fasten, Wallfahrten zu geheiligten Orten und verschiedenen Riten . Alle Religionen entwickeln dabei eine ganz eigene Form der Spiritualität, die gleichsam ihren Kern ausmacht, weil sie den Menschen Kraft und Trost in schwierigen Situationen des Lebens geben und auch Heilung bei physischen (somatischen) und psychischen (seelischen) Leiden bewirken kann. Die moderne medizinische Hirn-forschung, die Neurophysiologie und Neuropsychologie sind heute zunehmend bestrebt, die Wirkung spiritueller Phänomene auch wissenschaftlich zu erklären, deren Korrelate - zumindest ansatzweise - durch verfeinerte Hirnstromableitungen und durch bildgebende Verfahren bereits erfasst werden können. Gesundheit und Heil Gesundheit (körperliches, geistiges und soziales Wohlbefinden, Heilsein) gilt gegenwärtig in den postmodernen, westlichen Gesellschaften als höchstes und erstrebenswertestes Gut und ist in den Wohlfahrtsstaaten zu einem verbrieften Recht (s. u.) geworden. Lag früher die Krankenpflege und die Sorge für Arme und Kranke vorwiegend in den Händen geistlicher Institutionen, so hat heute in einer zunehmend als säkular apostrophierten Wohlstandsgesell-schaft der Wohlfahrtsstaat die Fürsorge für Behinderte, Arme, Alte, Kranke und Schwache übernommen, der aber im Gegenzug versucht, alle Facetten der Heilbehandlung und Pflege durch Gesetze zu reglementieren oder mit einem sichtlich aufgeblähten Bürokratismus politisch auf sie Einfluss zu nehmen. In einer Zeit in der der gesellschaftliche Zusammenhalt sichtlich in Brüche gegangen ist, ehemals eng geknüpfte Familienbande sich weitgehend aufgelöst haben, erscheint dieses Sozialsystem aber zunehmend als gefährdet, weil es schon heute in Folge der demographischen Entwicklung als nicht mehr finanzierbar erachtet wird. Vielleicht gewinnt gerade deshalb die Problematik des Gesundens und der Gesunderhaltung auch wieder mehr religiöse Relevanz. Die Nichtbeachtung der religiösen (spirituellen) Dimension führt heute dazu, dass vor allem zu hohe Erwartungen an die Möglichkeiten der modernen, wissenschaftlichen Medizin gestellt werden, die nicht oder vielleicht noch nicht oder auch zukünftig nicht erfüllt werden können, weil man sich von der Medizin weit mehr erwartet, als dass sie als Wissenschaft in der Lage wäre, alle Krankheitsursachen zu erkennen und zu heilen, sondern auch dass die Forschungsergebnisse und therapeutischen Maßnahmen selbstverständlich dazu beitragen müssten, allgemein Leiden zu mindern, die Gesundheit zu erhalten und das individuelle physische und psychische Wohlbefinden sicher zu stellen. Dass aber die persönliche Lebenseinstellung und die permanente Auseinandersetzung mit der eigenen psychosozialen Umwelt ebenso wichtig ist wie medizinische Maßnahmen bleibt meist unbeachtet und wird schmählich beiseite geschoben. Die individuellen Bewältigungs-strategien, die bei Lebens-verändernden Ereignissen eingesetzt werden, hängen in hohem Maß von der persönlichen Einstellung, dem sozialen Status, der Bildung, der religiösen Bindung, sowie einem Bewusstsein zur Selbstverantwortung ab. Wiewohl wissenschaftlich untermauertes, medizinisches Handeln in akuten Situationen immer lebensnotwendig erscheint, soll die spirituelle Dimension des Heilens nicht außer Acht gelassen werden . Wird Krankheit als Folge von Sünden gesehen, könnte ja nur eine höhere Macht (Heiland) heilend wirksam werden . Wie aber steht der Mensch des 21. Jahrhunderts in seiner säkularisierten, materialistisch – wissenschaftlich und reduktionistisch geprägten Umwelt zu einer Schicksals-haften Erkrankung? Soll sich der Mensch allein den Heilmethoden der modernen Medizin und Psychologie ausliefern oder soll er sich vielleicht doch einer aus einer spirituellen oder religiösen Erfahrung entwickelten Strategie anvertrauen, um mit einer schwerwiegenden, Lebens-wendenden Erkrankung (Lebenskrise) fertig zu werden? Findet der westlich orientierte Mensch heute noch Trost im christlichen Glaubensgut oder wendet er sich heute lieber an östliche Formen der ,Spiritualität’, die seit dem 19. Jahrhundert auch im Westen Eingang gefunden haben und heute weit verbreitet sind? Kann man spirituelle Heilrituale (z.B. schamanische) mit psychotherapeutischen Techniken vergleichen, die erwiesenermaßen psychisch-physische Transformationen bewirken können? Spontanheilungen sind möglich, allgemein bekannt und auch vielfach dokumentiert . Man muss sich allerdings die Frage stellen, ob allein das Immunsystem, das Fehlerhafte (Krank-hafte) im Organismus erkennen und reparieren kann oder ob nicht auch übernatürliche Kräfte am Werk sind, die Heilung bewirken? Kann vielleicht das Immunsystem durch religiöse und spirituelle Praktiken aktiviert werden? Ist somit Religiosität oder Spiritualität ein wieder willkommenes und wirksames Medium des gesund Werdens in einer zunehmend als krank-haft und permanent als gestresst apostrophierten, säkularen (sinnentleerten, gottlosen) ,Spaß-gesellschaft’? Religiosität und Spiritualität dürften nach den vielen zu dieser Thematik publizierten Studien und umfangreichen Publikationen als psychostabilisierende Faktoren in einer ungewissen und von gesellschaftlichen Umwälzungen geprägten Zeit sein, die Menschen gesunden, somit heilwerden lassen können.
Harald W. Reichelt wurde 1940 in Wien geboren, 1958 begann der Autor mit dem Studium der Humanmedizin an der Medizinischen Universität Wien. Der Autor wurde 1965 zum Doktor der gesamten Heilkunde promoviert. Er erhielt eine Ausbildung zum Facharzt fiir Urologie und Andrologie und war bis 2003 als Oberarzt an der Uro1ogischen Abteilung (Krankenhaus der Stadt Wien in Hietzing) tätig. Nach der Versetzung in den Ruhestand begann er das Studium der Philosophie und Religionswissenschaft an der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Wien. 2009 erhielt er den akademischen Grad eines Magister der Philosophie mit der Arbeit: ‘Wissenschaft und Spiritualität. Das gegenwärtige Orientierungsdilemma’ Nach weiteren Studien an Universität Wien wurde er 2013 zum Doktor der Philosophie mit der Dissertation: ‘Heil und Heilung in Buddhismus und Christentum. Religions-und kulturvergleichende Untersuchung von Religiosität und Spiritualität’ promoviert. Seine langjährigen Erfahrungen als Oberarzt haben ihn bei der heute heiklen Thematik von Krankheit und Gesundheit, Religiosität und Spiritualität in besonderem Maß beeinflusst.
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